Andreas Hofers Begleiter in Wien


von Rudolf Granichstaedten-Czerva

Die Begleiter Andreas Hofers waren, wie erwähnt, Franz Anton Nössing und Peter Huber, deren Lebensbilder wir nun im folgenden bringen wollen.

Franz Anton Nössing, am 10. November 1775 als Sohn des Johann Michael und der Maria Elisabeth Nössing geb. Staber in Bozen geboren, betrieb dort bis 1809 einen Kaffeeschank (Kaffeesiederei) und war nebenbei auch Kanzlist beim Bozener Merkantilmagistrat. Er schloss sich bald der Aufstandsbewegung an und vermittelte durch zwei Jahre (1807 bis 1809) die geheime Korrespondenz zwischen Wien und Südtirol. In Briefen an Erzherzog Johann unterschrieb er sich „Maskenfreund" oder „Kaspar Larifari" und datierte sie aus „Überall". Er schilderte dem Erzherzog, den er als Bruder anredete und duzte, die Verfolgung der Tiroler Geistlichkeit und die Unterdrückung der Gebirgsbauern durch die bayerischen Beamten in den schwärzesten Farben. Um seine Reise nach Wien möglichst unauffällig zu machen, bewarb er sich bei dem Rentbeamten v. Klebelsberg um einen Pass, wobei er vorgab, einer bei Kriegsausbruch sicher erfolgenden Preissteigerung des Kaffees durch rechtzeitige billige Einkäufe zuvorkommen zu wollen. Dabei bat er noch, man möge seine Reise zum Triester Kaffeemarkte dem Bozener Kaufmann Holzhammer, der sonst sein ständiger Kaffeelieferant sei, verheimlichen, damit er keinen Verdruss mit ihm habe.

Auf der Rückreise von Wien nach Tirol sandle er Vertraute in verschiedene Gegenden Südtirols. Am 19. Februar 1809, spät am Abend, langte Nössing in einer Postchaise in seiner Heimatstadt Bozen an, begab sich aber nicht zu seiner alten Mutter (er war ledig), sondern nahm Herberge bei dem ihm befreundeten Hirschenwirt Schnitzer. Hier erfuhr er, dass die bayerischen Regierungsorgane schon nach ihm fahndeten. Schon von Wien aus, wo er öffentlich über die bayerische Regierung schimpfte, hatte der bayerische Gesandte, Freiherr von Rechberg, der Bozener Polizei Meldung erstattet. Am 20. Februar übergab Nössing der Mutter rasch einige wichtige Briefe zur Bestellung und machte sich flugs auf die Strümpfe. Wiederholte Vorladungen des bayerischen Landgerichtes erreichten ihn nicht mehr; denn er hatte sein neues Quartier in einer elenden, von klafterhohem Schnee umsäumten Hütte auf der Laneralm, Gericht Ritten, am Fuße der Hornspitze, 5 Stunden von Bozen entfernt, aufgeschlagen. Sieben Wochen verbrachte er daselbst, bis der Aufstand ausbrach. Zwei Jäger versorgten ihn mit dem Nötigsten und leisteten ihm Botendienste: denn die Agitationsarbeit, die er übernommen, ließ er nicht liegen. Von seinem Versteck aus korrespondierte er mit den Vertrauten des ihm zunächst zugewiesenen Bozener Bezirkes. Man suchte ihn in Bruneck und Innichen, fand ihn aber trotz des Verrates durch den Bozener Bankier Freiherrn Johann Graff von Ehrenfeld nicht. Am 31. März erließ man gar einen Steckbrief nach ihm, in dem es hieß: „Nössings Leidenschaft ist Schießen und Jagen; Geistesgaben hat er nicht besonders, aber er weiß viele Gebirgssteige und hat sich im letzten Kriege (1805) bei den kaiserlichen Truppen aufgehalten; er zählt 34 Jahre und geht vorhängend, das kommt vom vielen Bergsteigen," Die Polizei vermutete, Nössing sei über die Grenze entwischt. Beim Einrücken des österreichischen Militärs am 14. April kroch Nössing aus seinem Versteck hervor. Er war endgültig der Verhaftung und Einlieferung (nach München) entgangen.

Am 15. April 1809 gabs in Bozen ein freudiges Wiedersehen zwischen Nössing und Hormayr, der ihn mit den Worten umarmte: „Nicht wahr, lieber Nössing, ich hielt das Wort, das ich dir am Lichtmeßtage (3. Februar) in Wien gegeben habe." Nössings Fürbitte bei Hormayr ist es auch zuzuschreiben, dass der von Hormayr zum Tod verurteilte bayerische Polizeikommissär von Donnersberg, der Nössing nach seiner Rückkehr aus Wien unausgesetzt verfolgen ließ, nach vierzehntägigem Arrest zur Deportation begnadigt wurde. Für den auf den 1. Mai 1809 nach Brixen einberufenen engeren Ausschuss war Nössing als Verordneten des Bürgerstandes von Bozen ausersehen.

Am 21. Mai flüchtete Nössing aus Bozen, zunächst nach Meran, in die Schweiz (Münster), dann nach Kärnten, weiter bis Warasdin in Ungarn, ins kaiserliche Hoflager. Dort übergab ihm Erzherzog Johann im Auftrag des Kaisers 50.000 Gulden Bankozetteln und 1000 Dukaten als Geldspende für Tirol. Mit diesem Geld trat Nössing die Reise nach Tirol über das „Gebirge" am 1. Oktober an. Schon am 9. Oktober kam er nach Bozen und deponierte das Geld im Haus des Josef von Giovanelli. Bei seiner Anwesenheit im österreichischen Hoflager hatte er von dem Znaimer Waffenstillstand (12. Juli) und von dem bevorstehenden (Schönbrunner) Frieden erfahren und beeilte sich, dies dem ungläubigen Andreas Hofer zu melden. Seine Meldung wurde auch in der „Innsbrucker Zeitung" vom 12. Oktober 1809 veröffentlicht. Nössing hielt sich dann einige Tage in Innsbruck auf und kehrte am 16. Oktober nach Bozen zurück. Er mahnte stets zur Unterwerfung, fand aber bei den Feuergeistern wenig Gehör. Er selbst soll ganz und gar unmilitärisch veranlagt gewesen sein und trat auch seit dem Einmarsch der Österreicher in Bozen nicht mehr aktiv hervor; trotzdem hielt Hofer große Stücke auf ihn, wie aus einem Schreiben Hofers an Erzherzog Johann vom 2. September hervorgeht. Nössing überbrachte dem Intendanten Roschmann am 11. Oktober einen Teil der Gelder, die im Hause Giovanellis deponiert waren. Auch Nössings Freundschaft zu dem Merkantilkanzler Dr. Franz v. Plattner und zu dem Major Josef Eisenstecken hoben sein Ansehen unter den Tiroler Insurgenten.

Ende November verließ Nössing endgültig Tirol und flüchtete über Wien nach Ungarn. Er hielt sich einige Zeit in Kanisza, Keszthely und Warasdin auf und kam anfangs 1810 nach Wien. Hier interessierte er sich für die englischen Hilfsgelder und nahm auf der Laimgrube Nr. 2 (heute VI. Bezirk) Wohnung. Anfangs August 1810 fuhr Nössing unter dem Decknamen Millius wegen der englischen Subsidien mit seinem Landsmann Josef Marberger nach London, wo er einige Monate verweilte. Im März 1811 nach Wien zurückgekehrt, blieb er nur kurz in der Donaustadt und übersiedelte am 18. August 1811 nach Graz, wo er sich der besonderen Gunst des dortigen Polizeidirektors Franz Carneri, Ritter von Eben und Bergfelden, erfreute. Er zog dann nach St. Andrä bei Wolfsberg zu seinem Freunde, dem Förster von Leys, wo er eifrig der Jagd huldigte und dann nach Voitsberg bei Graz, wo er bis Mai 1812 blieb. Die heimliche Reise nach England gab Anlass zu einer langwierigen, höchst umständlichen Untersuchung gegen ihn, den man von französischer Seite beschuldigte, er hätte einen von dem Vorarlberger Major Konrad von Juvalta ausgearbeiteten Plan zur Revolutionierung Südtirols den Engländern zur Bestätigung vorgelegt. Von den englischen Geldern bekam er selbst nur 100 Gulden, da er schon am 27. August 1810 vom Kaiser eine jährliche Pension von 500 Gulden und eine einmalige Aushilfe von 1900 Gulden Bankozetteln erhalten hatte. Eine ihm angebotene Tabakverlegerstelle schlug er aus, erbat dafür eine Salzverlegerstelle, die er, nach dem Heimfall Tirols an Österreich, in Hall anzutreten hoffte. In den mit ihm aufgenommenen Protokollen klagt er, dass er als „Proskribierter" und „pensionierter Insurgenten-Chef" nicht nach Tirol zurückkehren könne, obwohl er dort für eine 70 jährige Mutter zu sorgen hätte. Auf Hormayr war er sehr schlecht zu sprechen, da dieser ihn anfangs August 1809 in Lienz überreden wollte, mit ihm in die Schweiz zu flüchten. Am 23. April 1827 vermählte sich Nössing in Bozen mit Marie Anna Kaufmann. Erst im Jahre 1839 erhielt er durch Vermittlung des Erzherzogs Johann für seine Reiseauslagen im Jahre 1809 eine Abfertigung von 100 Gulden C. M. W. W. Die Rechnungen legte er alle selbst, wobei uns die schöne Handschrift des einfachen Kaffeeschänkers besonders auffiel. Am 22. März 1848 starb er zu Bozen.

Peter Huber, ein geborener Brunecker, war dort im Jahre 1748 geboren, Gastwirt (Christlwirt oder Rosenwirt), sammelte Alpenkräuter und trieb damit Handel. Daher wurde er auch der Kräuter-Peter (Kreitter) genannt. Bei seinem Kräuterhandel kam er auch nach Wien und hatte eben wieder eine Kollektion seiner Ware dem Erzherzog Johann abgeliefert. Der Erzherzog, der den biederen Tiroler liebgewonnen, gab ihm (anfangs Jänner 1809) einen Brief an Andreas Hofer mit, den Huber auch getreulich dem Sandwirt zustellte. In Bruneck erzählte Huber viel von seinen Gesprächen mit Erzherzog Johann und warb fleißig im Puster- und Rienztal für den Aufstand. Im März soll sich Huber nochmals nach Wien begeben haben. Auf der Heimkehr, anfangs April, erfror er sich aber so sehr die Füße, dass er fast das ganze Jahr 1809 ans Bett gefesselt blieb und an den Kriegstaten nicht teilnehmen konnte. Als FMLt. Marquis von Chasteler am 12. April 1809 nach Bruneck kam, machte er dem das Bett hütenden Kräuterpeter einen auszeichnenden Besuch; dies — nach dem Bericht eines Zeitgenossen (F. C. Moerl aus Olang) — weil es sich Huber so viel kosten ließ, die Tiroler zu erlösen und wieder unter Österreich zu bringen.

Auch Huber reiste anfangs Jänner 1810 nach Wien (wo er bis 1813 auf der Wieden Nr. 180 wohnte), um als Vertreter Brunecks englische Gelder anzufordern. Der krüppelhafte Mann scheute die weite Reise nicht und galt sogar als ständiger Kostgeher beim Verteilungsausschuss. Er erhielt durch zehn Monate ein Almosen von 40 Gulden. Ab 1813 wohnte er beim Gastwirt Georg Märkel auf der Wieden Nr. 245 und starb am 13. April 1822 im Allgemeinen Krankenhaus in Wien im 74. Lebensjahre.

Der kleine Dreibund, der Sandwirt, der Kaffeetonl und der Kräuterpeter waren es, die den großen Befreiungskampf von anno neun inszenierten. In O. Hoffmanns Jugendbuch „Andreas Hofer" (Stuttgart) befindet sich ein etwas kitschiges Titelbild, das die Audienz des Trifoliums beim Erzherzog Johann darstellt.



Quelle: Granichstaedten-Czerva Rudolf, Andreas Hofers alte Garde, Innsbruck 1932, S. 21 - 25.

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.