Andreas Hofer und der Räuberhauptmann Garbini


von Rudolf Granichstaedten-Czerva

Das Bestreben, in dem Volksheer Andreas Hofers 1809 als Führer der mit der neuen Regierung unzufriedenen Bauern eine Rolle zu spielen, bewog auch hierzu untaugliche und nur auf ihren eigenen Vorteil bedachte Elemente, sich eine Kommandantenstelle anzumaßen und sich bei Hofer zwecks Bestätigung dieser Funktion einzuschmeicheln. Der biedere Sandwirt, der plötzlich statt seiner kleinen Wirtschaft ein ganzes Land zu regieren hatte, konnte sich naturgemäß in der Eile der Ereignisse, die sich überstürzten, nicht über alle Personen, die sich an ihn herandrängten, informieren, und so konnte es kommen, dass auch ein Räuberhauptmann unter ihm als Schützen-Hauptmann diente.

Sebastian Garbini, der Sohn einer reichen Familie, von guter Herkunft und großem Vermögen, geboren in Schio, einer kleinen Stadt in der oberitalienischen Provinz Vicenza, war wegen Meuchelmordes zu 30 Jahren schweren Kerkers verurteilt worden, aber aus der Heimat entflohen und hatte dem Oberstleutnant des Infanterie-Regimentes „Fürst Hohenlohe-Bartenstein" Nr. 26, Reichsgrafen Christian v. Leiningen-Westerburg, der das österreichische Militär in Südtirol kommandierte, seine Dienste angeboten. Leiningen hatte natürlich keine Ahnung von dem Vorleben Garbinis und nahm dessen Anerbieten an, zumal der frühere Umgeldeinnehmer von Judikarien, Unterkommandant Bernhard Dalponte (geb. 1772 in Castel Spina in Judikarien, zeichnete sich am 15. Oktober 1796 durch einen nächtlichen Überfall auf den Feind aus, erhielt die goldene Tapferkeitsmedaille und wurde 1802 Hauptmann), ihm den Garbini empfahl.

Von der Disziplin und dem Patriotismus, wie ihn die nordtirolischen Landstürmer und die Deutschsüdtiroler Sturmtruppen, namentlich die Leibgarde Andreas Hofers, die Passeirer, zeigten, war bei den Italienisch-Tiroler Truppen weniger zu merken. Ruhestörungen, Kontributionen, Übeltaten, Exzesse, Plünderungen und Unbotmäßigkeiten sowie Streitigkeiten unter dem Unterkommandanten waren dort an der Tagesordnung. Die von Hofer bestellten Kommandanten Jakob Torggler (vulgo Bratenberger aus Mais) und Josef v. Morandell waren diesem Treiben gegenüber machtlos. Als Graf Leiningen erkannte, mit wem er es in der Person des Garbini zu tun hatte, ließ er ihn öffentlich als Deserteur brandmarken, von der Landesverteidigung ausschließen und befahl seine Verhaftung. Aber Dalponte (dal Ponte) erklärte in einem gedruckten Aufrufe die Anwürfe Leiningens gegen seinen Freund Garbini als ungerecht und verbot jedermann, dem Garbini etwas in den Weg zu legen.

Garbini hierdurch und durch ein freundschaftliches Beisammensein mit Andreas Hofer im Badlwirtshaus in Bozen am (2. Juli 1809) in seiner Rolle gefestigt, sammelte weiter französische Deserteure, Räuber und Mörder unter seine Fahne und machte mit dieser Horde das italienische Etschtal durch willkürliche Requisitionen, Erpressungen und Raubzüge unsicher. Die Klagen und Beschwerden drangen auch nach Innsbruck zu Andreas Hofer, der am 8. und 30. August 1809 den Hauptleuten Josef Schweiggl (geb. 17. Dezember 1771. gest. 4. Februar 1845 in Kurtatsch), Anton Tenig, Josef Torggler und Josef v. Morandell befahl, in Italienisch-Tirol Ordnung zu machen. Da sich Dalponte, Garbinis Spießgeselle, daran nicht kehrte und sich weiterhin als Oberkommandant dieser Gegend aufspielte, wurden auch die Exzesse fortgesetzt.

Da riss dem Oberstleutnant Leiningen, den die Tiroler als ihren Liebling verehrten, die Geduld; er richtete am 18. Juli 1809 von Tnent aus an die Schutzdeputation zu Bozen und Meran folgendes Schreiben: „. . . . Dieser Landstreicher und Mörder (Garbini) darf nie unter meinem Kommando dienen und keine Kompagnie, am wenigstens die brauen Tiroler kommandieren. Ich trage hiemit dem AndreasHofer, Kommandanten der Passeirer, zum allerletzten Male auf, mir diesen Vagabunden auszuliefern, widrigenfalls ich mein in Bozen gegebenes Wort halte und meinen Degen niederlege, indem unter meinem Namen die Gesetze nicht umgestoßen, sondern heilig beachtet werden sollen."

Mit der Plünderung des Palastes des Barons Horaz Pizzini in Rovereto am 30. August 1809 erreichten die Verbrechen der Garbini'schen Räuberbande ihren Höhepunkt. Andreas Hofer war zu sehr mit seinen Schlachtplänen (Sachsenklemme, 5. Aug. 1809, Berg-Isel-Schlacht, 13. Aug.) beschäftigt, als dass er sich mit den Wünschen der einzelnen Unterkommandanten hätte abgeben können. Aber bald nach Antritt seiner Regentschaft machte er eine Art Inspektionsfahrt nach Südtirol, um dort selbst Ordnung zu machen. Am 4. September 1809 erließ er von Bozen aus einen Aufruf, der mit den originellen Worten beginnt: „Herzliebste welsche Tiroler!", in dem er Morandell als seinen alleinigen offiziellen Stellvertreter mit allen Machtbefugnissen bezeichnete.

Weil aber das nichts nützte - eine papierene Ordnung! — gab Hofer am 16. September den Befehl zur Verhaftung der erst am 1. September 1809 zu Unterkommandanten und Landesmajoren ernannten Garbini und Dalponte. Die Verhaftung Garbinis führte Hauptmann Angeli und Anton Tenig am 24. September in Riva durch, nachdem sie des Nachts mit 63 Soldaten und zahlreichen Schützen das Haus des Banditen umstellt und ihn im Schlafe überrascht hatten. Die Meldung von der Verhaftung erstattete Hieronymus v. Steffenelli am 1. Oktober aus Cles nach Meran, wählend Tenig am 25. September aus Riva der Landesverteidigungskommandantschaft in Trient empfahl, den Garbini „wohl zu bewachen". Dalponte war schon von Morandell in Kaltern am 20. September 1809 verhaftet worden. Die Offiziere des Dalponte entwaffnete der Platzkommandant von Rovereto, Josef v. Schasser-Thonheimb. Man schickte nun die beiden Briganten nach Meran und von dort, gefesselt, nach Innsbruck, wo man sie mit schweren Ketten gefesselt im Kräuterturm internierte.

Nach der Verhaftung des befürchteten Garbini löste sich seine Räuberbande auf und ging zu den Franzosen über. Der französische General Ludwig de Peyri bediente sich dieser schändlichen Überläufer, die keine Tiroler, sondern zusammengewürfelte Emigranten waren, als Wegweiser, da sie sich unter Garbini eine gewisse Ortskenntnis angeeignet hatten. Dadurch vermochte Peyri am 2. Oktober 1809 die Bozener Sturmkompagnie bei Lavis auf Schleichwegen zu umgehen und im Rücken anzugreifen, wodurch sie große Verluste erlitt. Das hatten die armen Bozener dem Garbini und seinen Komplizen zu verdanken!

Als Garbini endlich mit seinem Genossen im Kräuterturm saß, wollte Josef Danej (geb. 9. Mai 1782 in Schlanders, gest. 19. Mai 1826 in St. Pauls), durch die Prahlereien Garbinis geblendet, sogar für ihn bei Andreas Hofer sich verwenden, aber da kam er an den Unrechten. Hofer donnerte ihn an: „Schweigen Sie mir von solchen Lumpen, die sind jetzt endlich gut aufgehoben, sie haben das Welschtirol schon lange genug gepeinigt und geplündert. Lumpen sind es, ich habe sie nicht zu Kommandanten gemacht!" Garbini und Dalponte blieben hinter Schloss und Riegel und erhielten erst mit dem Einzug der napoleonischen Truppen in Innsbruck am 25. Oktober 1809 die Freiheit. Garbini floh in die Schweiz. Nun hatte Dalponte sogar noch die Frechheit, vom armen Schützenhauptmann Josef Schweiggl, weil er Mitglied der Südtiroler Kommandantschaft war, die seine Festnahme veranlasste, einen Schadenersatz für seine Verhaftung in der Höhe von 656 fl. zu verlangen; Schweiggl gab ihm nur 425 fl. und klagte in einem Brief, „dass Dalponte gegen uns Deutsche aufbrechen wollte". Bei der Verhaftung Garbinis fand man in seinem Besitz ein großes „Back-Felleisen" aus neuem Leder mit schönen Kleidern und weißer feiner Wäsche gefüllt, wahrscheinlich von einer „Reqisition" stammend!

Am 16. Dezember 1809 tauchte Garbini mit einem anderen Hochstapler, dem falschen Baron Luxheim, in Wien auf. Aber bald wurde die Staatspolizei auf die beiden Abenteurer aufmerksam und über Antrag des Staatskanzlers Fürsten Klemens Metternich befahl der Kaiser dem Polizeidirektor Franz Freiherrn von Haager-Altensteig (geb. Wien 1750, gest. Venedig 1816), Garbini über die Grenze zu schieben. Damit schwindet Gnrbini aus unseren Augen. Er war ein Demagoge schlimmster Sorte, der sich auf eigene Faust zum Kommandanten gemacht hatte; Andreas Hofer hat ihn der verdienten Strafe zugeführt. Dalponte wurde später Weinschreiber in Stenico. Bemerkenswert ist, dass der italienische Schriftsteller Italo Caracciolo in seinem 1928 in Bologna erschienenen Buch „Andreas Hofer" dem Italiener Garbini ein gewisses Verdienst an der Abwehr der Franzosen von Trient (6. Juni 1809) zuschreibt und seine Verhaftung sowie die Auflösung seiner Freischar auf antiitalienische Tendenzen der Hofer'schen Regierung zurückführt. Diese Ansicht wird wohl durch die oben geschilderten geschichtlichen Tatsachen vollkommen entkräftet.



Quelle: Granichstaedten-Czerva Rudolf, Andreas Hofers alte Garde, Innsbruck 1932, S. 64 - 68.

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.