Das Andreas Hofer-Lied


von Rudolf Granichstaedten-Czerva

Es ist eine merkwürdige Ironie des Zufalles, dass das hehrste Lied deutscher Zunge, die Volkshymne Tirols, das Andreas-Hofer-Lied, sowohl einen Nicht-Tiroler zum Komponisten, wie einen Nicht-Tiroler zum Textdichter hat. Neuere Forschungen über einige Lebensdaten der beiden Künstler veranlassen mich, die Erinnerung an die beiden Schöpfer des herrlichen Liedes wieder aufzufrischen.

Leopold Knebelsberger, der Komponist, wurde am 15. September 1814 als Sohn des Lehrers und Mesners der Kirche von Sankt Martin in Klosterneuburg bei Wien, Paul Knebelsberger (geb. 1777, gest. 1869) und der Katharina Knebelsberger, geb. Nußberger (aus Leobersdorf) im Hause Nr. 433 in Klosterneuburg geboren. Das Vaterhaus steht heute noch, dient als Mesnerwohnung und trägt seit 1914 eine Gedenktafel an den Komponisten. Leopold Knebelsberger erhielt schon in jungen Jahren Musikunterricht bei Konradin Kreutzer und Josef Mayseder in Wien. Um 1848 stellte er eine Konzertsänger- und Musikergesellschaft zusammen und machte mit ihr Reisen nach Deutschland und Russland. Im Jahre 1849 vermählte er sich mit der Harfenvirtuosin Anna Helmich aus Preßnitz (im böhmischen Erzgebirge), wo sie auch 1871 starb. Der glücklichen Ehe entsprossen zehn Kinder, die sich verschiedenen Berufen zuwandten. Während einer Konzertreise durch Russland ereilte Knebelsberger plötzlich der Tod; am 30. Oktober 1869 traf ihn in der alten Hansastadt Riga (heute Hauptstadt der Republik Lettland) ein Gehirnschlag. Auf dem alten nunmehr aufgelassenen Friedhofe bei der neuen katholischen Kirche in der moskauischen Vorstadt, an der „Katholischen Straße" gelegen, bettete man Knebelsberger zur ewigen Ruhe. An der Außenseite der Kirche befindet sich heute noch eine Marmortafel mit der Inschrift: „Leopold Knebelsberger, 1814 bis 1869". Die Tafel liegt etwa 50 Schritte von Konradin Kreutzers Marmorkreuz entfernt. Knebelsberger hat sehr viele Kompositionen geschaffen, so viele, dass seine Schwester Katharina (verehelichte Anlanger) noch jahrelang mit den Manuskripten, die stoßweise im Keller lagen, heizen konnte. Bekannt geworden sind außer dem Hoferlied nur seine Lieder „Schaut der Jäger in das Tal" und „'s Blümerl und 's Herz". Knebelsbergers Sohn Wilhelm (geb. 14. Februar 1863) war Gastwirt in Wien, 4., Weyringergasse 9, und starb dort am 29. Juni 1931.

Julius Mosen, der Textdichter („Zu Mantua..."), wurde am 8. Juli 1803 in Marieney, einem Dorfe des sächsischen Vogtlandes geboren und war ebenso wie Knebelsberger der Sohn eines Lehrers (Gottlob Mosen). Er studierte 1817 am Gymnasium in Plauen, 1822 an der Universität Jena, trat 1831 beim Patrimonialgerichte in Kohren als Aktuar ein, wurde 1834 Armee-Advokat in Dresden, 1840 Ehrendoktor der Universität Jena, 1844 Dramaturg und Hofrat der Hoftheater in Oldenburg, doch zwang ihn ein schweres unheilbares Muskelleiden, diesen schönen Beruf aufzugeben. Mosen erhielt 1844 in Oldenburg den Besuch des aus einer Konzertreise von Bremen kommenden Knebelsberger und da hat Mosen dem Musiker ein Gedicht gezeigt, das er schon 1832 unter dem nachhaltigen Eindrucke einer einige Jahre vorher in Tirol und Italien unternommenen Reise gedichtet hatte. Knebelsberger, der stets nach Tiroler Texten für seine Weisen fahndete, nahm das packende Gedicht (Ballade) freudig in Empfang und komponierte dazu im Jahre 1844 die berühmt gewordene Melodie, wobei er vielleicht verschiedene Motive aus älteren, Volksliedern und Tonstücken vereinigte.

So entstand das Andreas-Hofer-Lied.

Es wurde schon 1850 allgemein gesungen und bildet heute Tirols offizielle Nationalhymne. Mosen schrieb zahlreiche Epen („Ahasver"), Gedichte, Novellen und Dramen („Cola Rienzi") und starb nach zwölfjähriger Krankheit am 10. Oktober 1867 in Oldenburg, wurde dort auf dem Gertrudenfriedhof beerdigt und erhielt in seinem Geburtsort Marieney im Jahre 1903 ein Denkmal.

Treffend sagt der Biograph Knebelsbergers, Obering. Ludwig Hunrath (geb. Wels 1853, gest. Salzburg 21. Oktober 1925) von den beiden Meistern hinsichtlich des Hoferliedes: „Der sächsische Mosen hat die Glocken gegossen, geläutet hat sie der Mesnerssohn aus Klosterneuburg". Durch Text und Melodie verkünden die beiden auch heute noch in Wort und Sang das Martyrium und die Treue des Tiroler Volkes in allen Ländern, wo die deutsche Zunge klingt. —

Von manchen Gelehrten, wie Moriz Enzinger, S. Friedländer, Anton Dörrer usw. wird behauptet, dass sich die Melodie des Hofer-Liedes auf ein Kirchenlied des 15. Jahrhunderts (Phrygische Sequenz, Kyrie aus dem Jahre 1435) zurückverfolgen lasse. Aber selbst, wenn Knebelsberger, bewusst oder unbewusst, eine ihm im Gedächtnisse haften gebliebene Melodie verwendet hat, so ist er doch durch die Verbindung dieser Melodie und des Mosen'schen Textes der Schöpfer des Hofer-Liedes geworden, ein Verdienst, das ihm auch der bekannte Tiroler Musikhistoriker und Komponist Vinzenz Goller (geb. 9. März 1873 in Brixen) ausdrücklich zuschreibt.

Die Melodie des Knebelsberger'schen Hofer-Liedes wurde auch für Märsche (im Trio) verwendet, so von Karl Komzak (geb. 8. November 1850 in Prag, gest. 23. April 1905 in Baden bei Wien), Gustav Mahr (gest. 1. September 1930 in Hargelsberg, Oberösterreich), Karl Mühlberger (geb. 1. September 1860 in Spitz a. D.), E. Pitschmann, Hugo Morawetz u. a. Als offizieller Defiliermaisch wurde dem ehemaligen Kaiserjägerregimente, nun Alpenjägerregimente Nr. 12 in Innsbruck (Verordnungsblatt des Heeresministeriums Nr. 32 vom 4. August 1923) der Andreas-Hofer-Marsch von Pitschmann zugewiesen.



Quelle: Granichstaedten-Czerva Rudolf, Andreas Hofers alte Garde, Innsbruck 1932, S. 459 - 461.

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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