War Andreas Hofer kaiserlicher Offizier?


von Rudolf Granichstaedten-Czerva

In einem Prozess, den die Versicherungsgesellschaft „Janus" in den Jahren 1894 — 1900 gegen die Enkelin Andreas Hofer's, Adele Edle von Hofer (1841 — 1904), anstrengte, spielte wegen der gesetzlichen Bestimmung (§ 2 des Gesetzes vom 28. April 1882, R.-G.-Bl. 123), dass Renten und Pensionen nach Personen, die im Zivil- oder Staatsdienst standen, nicht pfändbar seien, die Frage eine große Rolle, ob Andreas Hofer Offizier oder Staatsbeamter war. Das in erster Instanz erflossene Urteil vom 7. Oktober 1899 des Landesgerichtes in Wien für Zivilrechtssachen, dessen Entscheidung vom Oberlandesgericht und am 31. Mai 1900 vom Obersten Gerichtshof bestätigt wurde, stellte (Gesch.-Zl. C 4595/94/13) nachstehenden Tatbestand fest:

„Die Beklagte, Adele von Hofer, führt den Beweis, dass Andreas Hofer sowohl Militär- als Landesbeamter gewesen sei, aus folgenden Tatsachen:

Schon am 20. Mai 1809 habe Hofer in Mühlbach durch FMLt. Marquis J. G. von Chasteler im Auftrag des Erzherzogs Johann einen Ehrensäbel und zwei Pistolen sowie den Auftrag erhalten, die Landleute zum Kampf zu sammeln. In der Schlacht am Berg Isel sei Hofer Oberkommandant auch des regulären Militärs gewesen (1300 Mann unter Oberstleutnant von Reißenfels). Am 4. Juni habe ihn mittels Ordre der mit ausgedehnten kaiserlichen Vollmachten versehene Intendant Josef Ignaz Freiherr von Hormayr zum Oberkommandanten von Passeier und der südlichen Landesteile ernannt. Diese Ernennung wurde mit einem von Hormayr und dem k. k. Generalmajor Ignaz Freiherrn von Buol de dato Brixen, 20. Juni 1809 erlassenen Patent bestätigt. Hofer habe dann über Aufforderung der Beamten der k. k. Zentralverwaltung in Innsbruck die Leitung der Landesangelegenheiten übernommen, eine provisorische Generallandesverwaltung eingerichtet und als „Oberkommandant in Tirol" verschiedene nach dem Datum zitierte Erlässe hinausgegeben, durchwegs in die Landesverwaltung eingegriffen, Beamte ernannt und Münzen schlagen lassen.

Kaiser Franz I. habe den von Hofer zur Berichterstattung entsendeten Majoren Siberer und Eisenstecken am 15. September 1809 zu Komorn 3000 Dukaten zur Landesdefensive übergeben und unter Anerkennung und Genehmigung der Verwaltung Hofer's diesem eine goldene Medaille samt Kette übersendet, die ihm am 29. September 1809 überbracht wurde. Späterhin wird noch der Wortlaut der Zirkularverordnung vom 20. Juni 1809 angeführt und geltend gemacht, dass sie vom Kaiser nie widerrufen wurde.

Es wird der Sachverständigenbeweis darüber angeboten, dass die angeführten Umstände in authentischen Quellen der österreichischen Geschichte beurkundet sind beziehungsweise in der Duplik, dass die angeführten historischen Zeiten richtig seien und dass Hormayr und Buol der mehrgedachten Zirkularverordnung berechtigt waren.

Übrigens beruft sich die Beklagte auf die Notorietät der von ihr vorgebrachten Tatsachen.

Die klägerische Anstalt hat den Ausführungen des Beklagten bis auf die wegen der Verdienste des Andreas Hofer erfolgte Verleihung der Rente durchwegs widersprochen. Die Beweismittel, Haupteid und Sachverständigenbeweis werden als unzulässig bezeichnet und wird darauf hingewiesen, dass die allgemeine Gerichtsordnung eine Notorietät nicht kenne. Sie hat geltend gemacht, dass Hofer in der Schlacht am Berge Isel nur tatsächlicher, nicht ernannter Führer gewesen sei, dass Hormayr, auf den sich die Gegenseitige wiederholt beruft, in seinem Werke „Das Land Tirol und der Tirolerkrieg im Jahre 1809" ausdrücklich sage, es sei falsch, dass Hofer jemals einen Rang in der österreichischen Armee bekleidet habe, dass weder dieser, noch andere Schriftsteller, welche die Geschichte Tirols zu dieser Zeit behandeln, jemals Hofer als Offizier oder Beamten bezeichnen, dass er im Gegenteil auch dort, wo er mit anderen geschichtlichen Persönlichkeiten, deren Rang angeführt wird, zusammen genannt werde, stets nur mit seinem Namen oder dem Beisatze „der Sandwirt" und dgl. vorkomme. Oberkommandant sei er lediglich durch den Willen des Volkes geworden, die Bezeichnung „k. k. Obercommandant" habe er sich selbst gegeben, um seine Anhänglichkeit an das Kaiserhaus hervorzuheben. Weder im Kriegs-, noch im Haus-, Hof- und Staatsarchiv noch im Archiv des Ministeriums des Innern sei eine Urkunde vorhanden, aus der hervorgehe, dass Hofer Beamter oder Militär gewesen sei.

Hofer sei im Oktober 1809 als Oberkommandant freiwillig zurückgetreten, sein Rücktritt wurde als Abdankung bezeichnet, was bei einer Persönlichkeit in staatlichen oder landschaftlichen Diensten nicht möglich gewesen wäre.

Bezüglich der Ernennung durch die Zirkularverordnung vom 20. Juni 1809 wird hervorgehoben, dass weder die Ermächtigung Hormayr's noch Buol's hierzu ausgewiesen sei, dass übrigens die Art der Anstellung gar nicht angegeben sei, keinesfalls bedeute sie eine staatliche oder militärische Anstellung im Sinne des Gesetzes vom Jahre 1882. Die betreffende Urkunde hätte vorgelegt werden müssen. Die Verordnung werde von Hormayr selbst in seinem Geschichtswerke lediglich als „organische Verfügung bezeichnet, die aus dem Grunde sich notwendig erwies, um allenthalben die gehörige Schnellkraft zu verbreiten und die lauen oder widrig gesinnten Zivilbeamten durch eine Art militärischer Gewalt zu begutachten und zu kontrollieren. Auch die klägerischen Behauptungen sind von der Geklagten insgesamt widersprochen und hat sie auch die Existenz der von der Gegnerin aus Geschichtswerken angeführten Stellen bestritten. Der Kläger bietet unter Wahrung seines Standpunktes, dass der gegenerischerseits angebotene Sachverständigenbeweis unzulässig sei, für den Fall als darauf erkannt würde, den gleichen Beweis für die Richtigkeit seiner Angaben und den Augenschein zum Erweise der Existenz seiner Zitate an.

Der übrige Inhalt der beiderseitigen Satzschriften ist ganz irrelevant, es kann höchstens noch angeführt werden, dass die Geklagte sich darauf beruft, dass die im Jahr 1809 noch gültige Landsturmordnung für Zivil die Wahl der Offiziere vorgesehen habe, und dass der Führer eines Bataillons Majorsrang gehabt habe. Auch dies ist von dem Kläger bestritten.

Bei der Entscheidung dieses Rechtsstreites muss daran festgehalten werden, dass das Gesetz vom 21. April 1882, betreffend die Unzulässigkeit der Exekution auf die Bezüge der in öffentlichen Diensten stehenden Personen und ihrer Hinterbliebenen, als ein Ausnahmsgesetz strenge zu interpretieren ist.

Wenn es auch richtig ist, dass General Chasteler, sei es im eigenen Namen oder im Namen des Erzherzog Johann, Andreas Hofer beauftragte, die Landleute zum Kampfe zu sammeln, dass er in der Schlacht am Berg Isel das Oberkommando und dass er tatsächlich eine Zeitlang die Leitung der Landesangelegenheiten innehatte, ist damit nicht gegeben, dass er wirklich als Militär oder Beamter im technischen Sinne anzusehen war. Zum Begriffe des Staats-(Landes- oder sonstigen öffentlichen) Dienstes, ebenso des Militärdienstes gehört es, dass die einzelne Person durch einen besonderen Berufungs- oder Ernennungsakt in einen ständigen Dienstverband zum Staate tritt und in Unterordnung unter die Dienstgewalt Staatsgeschäfte zu besorgen unternimmt, nicht dass sie, wie Andreas Hofer unter außergewöhnlichen Verhältnissen es getan hat, für eine ganz unbestimmte Dauer dem Staate oder Lande einzelne Dienstleistungen, wie sie gerade notwendig oder zweckmäßig waren, zur Verfügung stellt. Besonders klar ergibt sich dies bezüglich der von Hofer geführten Landesverwaltung. Ob er diese nun nach dem Wunsch des Volkes, oder wie die Geklagte behauptet, zufolge Aufforderung der Beamten der Landesverwaltung übernahm, es fehlt der Berufungsakt, die Absicht Hofers in einen bestimmten Dienstverband zu treten, ja auch die Begrenzung auf die Besorgung bestimmter Staatsgeschäfte. Gerade der von der Beklagten angeführte Umstand, dass Hofer damals sogar habe Münzen schlagen lassen, dass er also ein sonst dem Staatsoberhaupt vorbehaltenes Hoheitsrecht aus eigener Machtvollkommenheit ausübte, zeigt die außerordentliche Natur seiner damaligen Stellung.

Hieran kann auch eine nachträglich etwa erfolgte Genehmigung seiner Verwaltung durch den Kaiser nichts ändern.

Es erübrigt somit nur noch die durch die Zirkular-Verordnung vom 20. Juni 1809 erfolgte Ernennung zum Oberkommandanten vom Passeier und der südlichen Landesteile zu besprechen. Dieser Umstand muss als vom Kläger zugegeben angesehen werden, da er zwar ursprünglich widersprochen ist, späterhin aber selbst vom Kläger auf diese Zirkularverordnung Bezug genommen wird. Abgesehen davon, dass die stets vom Kläger bestrittene Ermächtigung des Intendanten v. Hormayr und des Generals Buol, ein eigentliches Dienstverhältnis Hofers zum Staat oder Land durch diese Ernennung zu begründen, nicht dargetan ist, ist es wohl zweifellos, dass gar nicht die Absicht der beiden Genannten vorlag, ein solches zu begründen, sondern eben nur wiederum die Dienstleistungen Hofers unter den vorhandenen außerordentlichen Verhältnissen in Anspruch zu nehmen und ihm die zu diesem Behufe nötige Autorität zu verleihen, keinesfalls ist eine weitergehende Absicht erwiesen. Wenn die Beklagte auf die damals angeblich für Tirol noch geltende Landsturmordnung und darauf hinweist, dass schon der zum Kommandanten eines Bataillons Gewählte Majorsrang bekleidete, wird dabei ganz außer Acht gelassen, dass bezüglich der Person Hofers von einem solchen Wahlakt gar nicht die Rede ist.

Nicht mit Unrecht verweist der Kläger auch auf den (8. November 1809) freiwilligen Rücktritt Hofers von seiner Stellung („Abdankung"), ein Rücktritt, der schließlich auch von der Beklagten zugegeben wird, wenn sie auch den Detailangaben des Klägers widerspricht, ein Rücktritt, der mit einer Stellung als wirklicher Beamter oder Militär unvereinbar gewesen wäre.

Es war daher aus den vorgebrachten Gründen dem Klagebegehren stattzugeben und Adele von Hofer im Sinne desselben zu verurteilen. Wien, am 7. Oktober 1899."

Wenn dieses Urteil auch mancherlei historische Ungenauigkeiten enthält, so ist es doch recht interessant. So erscheint es uns bedenklich, die von dem vom Kaiser ernannten Intendanten Baron Hormayr erlassenen Verfügungen als nichtamtlich oder nichtoffiziell zu bezeichnen. Am ehesten mag wohl auf das Gericht bei der Beurteilung des Nicht-Offiziers-Charakters Andreas Hofers der Umstand eingewirkt haben, dass Hofer niemals eine Uniform trug, obwohl er nach dem Patent vom 20. Juni 1809 als Kommandant auf der linken Schulter eine goldene Epaulette hätte tragen sollen. Übrigens wurde der Bauernführer Martin R. Teimer noch während des Krieges vom Kaiser mit dem Charakter eines k. k. Majors in der Armee ausgezeichnet und hat auch stets in militärischer Uniform gekämpft. Auch vom Feind, der sich in der Hierarchie der Tiroler Landesverteidiger nicht auskannte, wurde Andreas Hofer als „General" Barbone bezeichnet und mit diesem Titel auch seine erste Grabtafel geschmückt. Für die Geschichte ist diese ganze Frage von nebensächlicher Bedeutung. Für uns ist Hofer der urwüchsige Bauernführer, den wir uns, etwa in eine Generalsuniform gezwängt, gar nicht vorstellen könnten. Er, der in Hemdärmeln in der Hofburg „regierte", hatte wohl auch nie einen Waffenrock angezogen, wie er selbst überhaupt nie einen Offiziersrang oder dergleichen anstrebte.



Quelle: Granichstaedten-Czerva Rudolf, Andreas Hofers alte Garde, Innsbruck 1932, S. 13 - 16.

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.