Der Sandhof in Passeier


Egon Eyrl

„Hof am Sand" war von altersher der Name für die Baulichkeit und zugehörige Grundfläche, welche heute als historische Erinnerungsstätte, als Geburtshaus und Wirkungsfeld Andreas Hofers, des Freiheitshelden vom Jahre 1809, weitum bekannt ist.

Sandwirt - Sandhof © Harald Hartmann, Oktober 2007

Sandwirt - Sandhof
© Harald Hartmann, Oktober 2007

Mit gutem Grund kam ihm diese Bezeichnung zu. Denn im Laufe der Jahrhunderte haben die friedlich schäumenden Wellen der fischreichen Passer, die nahe vorbeifließen, sich gar oft zu tosendem Wildwasser verwandelt und den dortselbst ebeneren Talgrund mit Geröll und Sand übermurt. Erst 1842 erfolgte eine eigentliche Bachregulierung mittels Gräbenziehung, die besseren Schutz vor drohendem Wasseransturm bot und diesen zur westlichen Bergseite hin abdrängte. Eine bildliche Darstellung des Hofes von anno dazumal veranschaulicht wohl am besten die Lage; sie legt auch die Vermutung nahe, dass der frühere Schankgarten des Gasthauses, der vor kurzem zu einem Autoparkplatz umgestaltet wurde, als Bollwerk gegen Wassergefahr errichtet worden sein dürfte.

Der Sandhof zählt zu den „geschlossenen Höfen". Das besagt, dass er in seinem grundbücherlich festgelegten Areal nicht geschmälert werden darf. Auf diese Weise wird einer darauf hausenden Familie die fernere Existenzfrage gesichert.

Er heißt auch „Gasthof zur goldenen Krone" gemäß ihm längst zugekommener Wirtslizenz. Denn er liegt günstig am Wege zwischen Meran und dem Jaufenübergang nach Sterzing. Dies war vorteilhaft in früheren Zeiten. Der Fremdenverkehr der letzten Jahre hat lebhafte Bautätigkeit und damit auch mehrfach neue Gaststätten im Tal geschaffen. Die letzthin fertiggestellte Timmelsjochstraße, die freilich nur zur guten Jahreszeit befahren werden kann, hat noch weiteren wirtschaftlichen Aufschwung ins Tal gebracht.

Sandwirt im Passeiertal, Bildarchiv SAGEN.at

Sandwirt im Passeiertal
Verlag Würthle & Sohn, Salzburg, Nr. 834
Bromsilberphotographie durch Aristophot, Taucha-Leipzig
vermutlich um 1900
© Bildarchiv SAGEN.at

Im Mittelalter gehörte der Sandhof den Herren von Passeier, dann denen von Fuchs; unter den späteren Besitzern finden sich gutbekannte alte Bauernnamen, wie 1523 die Pirpamer, 1678 die Hafner und die Ennemoser, von welchen der Hof 1680 an die Sippe der Hofer überging.

Man kann dem Sandhof eine gewisse Stattlichkeit nicht absprechen, doch weist er kein eigentlich besonderes bauliches Gepräge auf. Nach seiner landwirtschaftlichen Struktur ist eine rund 9 ha große, geschlossene Wiesenfläche hervorzuheben, welche sich hinter dem Wirtsgebäude zum östlichen Berghang sanft ansteigend hinaufzieht. An diese stößt ziemlich gut bestockter Wald, der dann steil bis zu den hochgelegenen Felsschrofen empor reicht, von denen herab die gefürchtete Kellerlahn vor Jahren einen größeren Waldteil gänzlich überschüttet hat. Bis vor kurzem stand in der erwähnten großen Wiese sogar eine kleine Mühle, sie war verfallen und bot lediglich lichtscheuem Gesindel mitunter Unterkunft. Sie wurde geschleift und der Grund eingesät.

Ausgezeichnetes Quellwasser sprudelt in reichlicher Fülle in einen mächtigen, über 4 ½ Meter langen, aus einem Granitfindlingsblock gemeißelten Brunnentrog. Er steht am Straßenrand unter großen Trauerweiden, die mit ihrem zarten Grün alljährlich als erste im Tale das Kommen des Frühlings anzeigen. Ein aus klobigen Steinen errichteter Stiegenaufgang führt in das Innere der Gaststätte. An der Hausfront ist eine Marmortafel eingelassen, welche die Erinnerung an den ehrenden Besuch Kaiser Franz Josef I. anlässlich der Einweihung der Jubiläumskapelle am 21. September 1899 wach hält.

Schlicht, aber doch reizvoll ist der schmale Dreieckserker; dann der zu Sommers- wie Herbstzeit mit roten Geranien (im Volksmund „brennende Lieben" genannt) besetzte und von buntem Weinlaub umrankte Söller. Das imposante Wirtshausschild, die goldene Krone, ladet zu gastlicher Einkehr. Trotz Wind und Wetter ist es das nur einmal neu gefasste Original, das Caspar Hofer 1698 anlässlich seiner glücklichen Heimkehr von einer Pilgerfahrt ins Heilige Land anbringen ließ. Das Schild trägt an der Vorderseite seinen Namen auf der Rückseite den seines Eheweibes eingeschnitzt.

Das Innere des Hauses ist einfach gewölbt. In der altgetäfelten Gaststube steht der Ofen mit gemütlicher Ofenbank, in der Ecke der Herrgottswinkel nach alter Sitte. Von der zweiten, als bescheidenes Museum eingerichteten Stube, wird noch die Rede sein. Eine sehr geräumige Glasveranda, die an Stelle eines früher dort gestandenen Holzschuppens aufgeführt wurde, birgt ein schönes Ölgemälde in Großformat darstellend Hofers letzten Gang zu Mantua. Es ist eine Leihgabe des „Ferdinandeums" in Innsbruck, Kopie nach einem Bild von Meister Defregger. Ebenso dortselbst mehrere kleinere Bilder sowie gerahmte Aufrufe aus der Zeit der Freiheitskriege.

Die vorgenannte Andreas-Hofer-Stube war feuersicher eingedeckt worden, unlängst auch mit einer neuen stilgerechten Vertäfelung versehen. Sie bietet nur sehr beschränkten Platz für die dort zur Schau gestellten Andreas-Hofer-Relikten: Kommandantenhut mit Schleife, mehrere Leibkleider, Gürtel, Rosenkranz und dergleichen Dinge, die alle in persönlichem Gebrauch Hofers waren. Ebenso steht dort ein großer runder Tisch mit unter Glas gelegten Trachtenbildern und ein von Hofer gebrauchtes Schreibpult. Es kann unter Führung besichtigt werden; diese erstreckt sich weiter auf die Hl.-Grab-Kapelle, welche 1698 eingeweiht wurde. Sie dürfte wahrscheinlich ursprünglich ein Bildstock, der später vergrößert wurde, gewesen sein, da sich offensichtlich ein oberer Eingang abzeichnet. Ein hübsch geformtes Gitter und einige Bilder altertümlichen Charakters sind zu sehen. Mit wenigen Schritten und einige Stufen aufwärts steigend erreicht man die Jubiläumskapelle; sie ist ein neuromanischer Kreuzkuppelbau nach Entwurf Josef v. Stadls in Innsbruck, ausgeführt 1883 von Steinmetz Egger von Meran. Die Wandmalereien stammen von Maler Josef v. Wörndle und stellen Szenen aus dem Leben Hofers dar.

Mit diesen Ausführungen erscheint die bisherige Situation am Sandhof hinlänglich umrissen.

Es ist und soll nicht Zweck dieses Aufsatzes sein, Reminiszenzen historischer Art von 1809 zu bringen. Sie sind in gar vielen schriftlichen Publikationen allen Interessenten längst bekannt oder nachzulesen. Wohl aber mag es manchen Heimatliebhabern erwünscht sein zu erfahren, wie es dazugekommen ist, dass der Sandhof in den Besitz der Tiroler Adelsmatrikel kam und wie seither in letzter Zeit derselbe sich in seiner Struktur und Bewirtschaftungsweise geändert hat. Dazu sei in tunlichster Kürze vorausgeschickt: Die Frau Hofers, Anna Ladurner, welche mitsamt dem noch jungen Sohn Hans die harte Fluchtstätte ihres Mannes treu geteilt hat, die schlimme Behandlung bei der Gefangennahme auf der schneebedeckten Pfandleralm und rohen Abtransport ins Tal mitmachen musste, konnte über menschenfreundliche Verfügung General Baraguays alsbald nach Passeier zurückkehren. Die leidgeprüfte Witwe war nicht imstande, trotz gutgemeinter aber auch nicht immer vorsorglicher Hilfeleistung seitens mancher Verwandter und Waffengefährten ihres Mannes die durch die schwere vorausgegangene Belastung der eigenen Wirtschaft und die Sorge für den Sohn und fünf unmündige Töchter vorliegende Lage zu meistern. Trotz großzügiger Unterstützung seitens des kaiserlichen Hofes in Wien, der sie finanziell sicherstellte, späterhin sogar Adelsdiplom und Wappen für die Familie ausstellte und den Sandhof als landesfürstliches Lehen 1) verlieh, kam der Hof immer mehr herab. Die zahlreichen Familienglieder wandten sich von der landwirtschaftlichen Tätigkeit ab und gehobener Beschäftigung zu. Zwei Enkel gaben sogar Blut und Leben in kaiserlichem Dienste.

1) Original Kauf- u. Verkaufsvertrag d. d. Meran am 20. 8. 1838 zwischen Graf Clemens Brandis, Kreishauptmann a. d. Etsch im Namen Sr. Majestät Ferdinand I. und Andreas Erb (Pächter des Sandhofes) als Vater seiner minderjährigen Tochter Anna Erb, Besitzerin, die den Hof von ihrer Großmutter Anna Hofer (Ladurner) geerbt hatte. Kaufpreis: 18.388 fl. (eine große Wiese und ein Acker von Hochwasser verwüstet und öde). Dazu genau geführtes Inventar der zum Sandhof gehörigen Mobilien und Fahrnisse um 3466 fl. sowie die Hl.-Grab-Kapelle mit 1330 fl. veranschlagt. Dies zur Errichtung eines landesfürstlichen Lehens für die Familie Hofer.

Jedoch ging es mit dem Sandhof weiter bergab. Der Urenkel Andreas Hofers, Leopold, bot nach Regelung der Lehensfrage endlich den Hof zum Verkauf aus, aber wegen überhöhter Forderungen war weder das Land Tirol, noch die Stadt Meran, auch nicht das Ferdinandeum damals in der Lage ihn zu übernehmen. So erwarb ihn 1890 aus rein patriotischen Gründen die Adelsmatrikel Tirol 2). Preis: Übernahme von Pfand- und Schuldbriefen und Verpflichtung zur Zahlung einer jährlichen Leibrente von 600 fl. an den Verkäufer und dessen Frau und Mutter.

2) Die Adelsmatrikel Tirol ist in einem gewissen Sinn aus der alten landständischen Verfassung hervorgegangen (Prälatenstand, Adelsstand, Bürgerstand, Bauernstand) durch Ministerialdekret vom 16. 8. 1805 errichtet. Nach Abschaffung des Adels mit aufgrund ihrer Verwaltungstätigkeit über den sogenannten Peerfonds, eine großzügige Stiftung des Dr. Josef Ritter v. Peer für notleidende immatrikulierte Personen, auch verdiente Offiziere und Beamtenangehörige. Unter der zuständigen Landesbehörde stehend trägt sie heute den Namen Matrikelstiftung Tirol und ist daher mit der AMT identisch.

Mit dem Kauf war es natürlich allein nicht getan, denn bereits zehn Jahre nachher ergaben die Aufwendungen ein arges Passivum. Daher entschloss sich die Matrikelleitung zu einer klaren Trennung zwischen Gastbetrieb und Landwirtschaft. Während für letztere nach einer Probezeit ein Übereinkommen mit der Haflinger Pferdezuchtgenossenschaft geschlossen wurde, nach welcher diese sämtliche landwirtschaftlich nutzbaren Wiesenflächen auf eine längere Reihe von Jahren gegen die Verpflichtungen übernahm, den verfallenden großen Stadel in der Wiese entsprechend zu restaurieren, wurde mit einem neuen Pächter der Gastwirtschaft ein Vertrag geschlossen, der die absolut notwendige Modernisierung des Gastbetriebes zur Voraussetzung hat, welche heutigen diesbezüglichen Anforderungen gerecht werden konnte. Dazu war vor allem die Ausweitung der Küchenräumlichkeiten erforderlich. Ebenfalls kamen mehrfache sonstige Arbeiten hinzu, wie Erneuerung sämtlicher Dachflächen, Bödenlegung im Vorraum und in der Veranda. Die üble Bauart, dicke Mauern mit großen, unbehauenen Steinen mit nur lehmigem Bindmaterial ließen mitunter die rückwärtige Hausmauer stark einbruchgefährdet erscheinen; doch wurden all diese Arbeiten unter Oberaufsicht Herrn Ing. Felderer von Meran durch Baumeister Raich aus Moos i. Pass, und Zimmermann Pixner glücklich zu Ende geführt. Dabei war und ist die Belassung der äußeren Form der Gebäude oberster Grundsatz. Freilich war es unvermeidbar, durch Abverkauf einer walzenden Grundparzelle die Mittel dafür bereitzustellen und die Schuldenlast zu mindern. Seitens des neuen Pächters wurde verständnisvoll ein Teil der Lasten, genauer die moderne Kücheneinrichtung, übernommen, so dass auch der durch Reiseautobusse sich ergebende oftmalige Stoßbetrieb bewältigt werden kann.

Die Matrikelleitung ist sich längst bewusst, dass das gegenwärtige bescheidene Andreas-Hofer-Museum die vielen Besucher kaum befriedigen kann. Abgesehen von der Enge des Raumes, des platzraubenden simplen Ofens, der vier Fenster, ist die Führung größerer Besuchergruppen untunlich. Daher entschied sie sich, im kleinen unbenutzten Nebenstadel einen besser geeigneten Museumsraum zu schaffen und für dessen Ausgestaltung Herrn Arch. Dr. E. Pattis zu gewinnen. Doch ist die Fertigstellung desselben erst für die nächstfolgende Saison 1975 vorgesehen.

Eine weitere Planung besteht darin, die gänzlich verfallene bisherige Wasserwaalzuleitung in hochgestellten Holzrinnen in eine Druckleitung umzugestalten, was jedoch nur in gemeinsamer Zusammenarbeit von mehreren Waalinteressenten (Hofbesitzern) erfolgen kann; es wäre dies sicherlich kein billiges Unternehmen, jedoch für die großen Wiesenflächen von enormen Wert. Wasser wäre aus der Pfistrader Waalleitung, weit von der Pfistrader Schlucht her bezogen, reichlich vorhanden. Der Waalbrief, ein auf 16 vollseitig beschriebenen Pergamentseiten verfassten Dokument aus dem Jahre 1685 ist ein interessant zu lesendes Aktenstück.

Mit vorstehenden Ausführungen dürfte die derzeitige Situation des Sandhofes dargelegt sein, die im Übrigen infolge des stets steigenden Fremdenverkehrs zu guten Hoffnungen berechtigt, wenn man bedenkt, dass auch sich tummelnde Haflinger mit ihren blonden Mähnen und etwaiger Reitunterricht Attraktionsmomente für Sandhofbesucher sein werden.

So muss mit Fug und Recht der Sandhof als historisches Objekt ersten Ranges im Passeiertal gehütet werden. Sein Wert liegt jedoch nicht allein darin. Nicht in den schönen geschlossenen Grünflächen, nicht im Waldbesitz, nicht einmal in der Gastwirtschaft. Solches hat er mit manch anderen Höfen gemeinsam.

Ein einziges der im Hofer-Museum aufbewahrten und gezeigten Schaustücken ist bloßes Faksimile, dessen Original sicher verwahrt im Matrikelarchiv in Innsbruck erliegt. Es ist der Abschieds- oder Testamentsbrief, den Andreas Hof er in der Nacht des 20. Februar 1809 [Anmerkung W.M.: 1810!], fast unmittelbar vor seinem Todesgang zu Mantua geschrieben hat. Aus ihm erweist sich die tiefe Glaubens- und Charakterstärke, seine über den Tod hinausreichende Heimatliebe und Sorge für die Seinen 3).

3) Wegen der Vielfalt der vorhandenen historischen Quellen ist es untunlich, solche hier anzuführen. Für volkstümliche Lesung sei verwiesen auf das Buch: Karl Paulin, „Das Leben Andreas Hofers", der familiengeschichtliche Daten genau bringt. Dank sei gesagt auch Frau von Galli, Bearbeiterin des Matrikelarchivs in Innsbruck für Daten und Foto.

Andreas Hofer Testament

Andreas Hofer Testament

Ihm, der als einfacher, biederer Tiroler Bauersmann zu für damalige Zeit unerhörter Würde emporgestiegen, als Oberkommandant sein Heimatland regierte, der als idealer Vorkämpfer die Fackel der Freiheit beispielgebend sogar für das ganze vom Korsen unterjochte Deutschland hochhielt, Idealist war und zugleich einer tragischen Täuschung verfiel, steht seither und für immer der Ehrenname zu: Mann vom Land Tirol!

Der Sandhof nach einem alten Stich

Der Sandhof nach einem alten Stich

1899: Kaiserbesuch im Passeier

1899: Kaiserbesuch im Passeier

Das Hegger-Joggele, Jakob Pichler (geb. in Vernuer 1800, gest. 1905 in Riffian) Das Hegger-Joggele wurde 1899 dem Kaiser vorgestellt und berichtete, wie es als Bub beim Ziegenhüten gesehen habe, wie 1810 der gefangene Andreas Hofer talaus geführt wurde

Das Hegger-Joggele, Jakob Pichler
(geb. in Vernuer 1800, gest. 1905 in Riffian)
Aquarell von Ferdinand Behrens aus Lübeck, seit 1890 in Meran.
Das Hegger-Joggele wurde 1899 dem Kaiser vorgestellt und berichtete, wie es als Bub beim Ziegenhüten gesehen habe, wie 1810 der gefangene Andreas Hofer talaus geführt wurde.



Quelle: Egon Eyrl, Der Sandhof in Passeier, in: Der Schlern, Illustrierte Monatshefte für Heimat- und Volkskunde; Zur Landeskunde des Passeiertales, 48. Jahrgang, Juli/August/September 1974, Heft 7/8/9, S. 433 - 436.

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2008.