Ein Erinnerungstag – Schloss Lichtenberg


Von Paul Wallnöfer

Wie wir aus der allseits bekannten Diözesanbeschreibung des Brixner Bistums von Tinkhauser und Rapp wissen, wurde das Schloss Lichtenberg anno 1809 im Dorfe gleichen Namens im Vinschgau von unseren Landsleuten als Gefängnis für die Franzosen und Rheinbundestruppen benützt. Die Gefangenen machten sich eines Tages aber aus dem Staube, indem sie durch die Hintermauer ein Loch schlugen.

Dass ihnen dies trotz Bewachung gelang, dürfte im folgenden seine Erklärung haben:

Ich fand kürzlich ein vergilbtes Blatt, darin steht wörtlich:

„Vorweiser dieses, Leonhard Florineth gewesener Anwalt zu Lichtenberg, ist gesonnen einige Ahrn Wein von Algund oder der dortigen Gegend heraufzuführen und diesen an die französischen und italienischen Kriegsgefangenen im Schlosse Lichtenberg und den dort auf die Wache stehenden diesgerichtlichen Landesverteidigern um einen leidentlichen Preis ausschenken zu lassen."

Es wird ihm also das amtliche Zeugnis ausgestellt, dass er ungehindert passieren und anpassieren gelassen werden könne und dass, wenn es anderst mit den diemalen bestehenden Direktiven verträglich ist, von der Zollentrichtung für seine Weinfuhr enthoben bleiben könne, weil eben der Wein, den er dermalen heraufzuführen anträgt, zum Ausschanke für die Kriegsgefangenen und die wachthabende Mannschaft bestimmt wird.

„Glurns, den 10. Juli 1929. [vermutlich: 1809]
Schguanin. Richter.
Vidiert k. k. Aufschlagamt Thöll.
Oberrauch.
k. k. Aufschlagamt Laas
Hechel."

An diesem Wein dürfte sich die Wache wohl berauscht haben und so die Flucht der Gefangenen erleichtert haben. Dies zur Erinnerung an die 120jährige Wiederkehr.



Quelle: Paul Wallnöfer, Ein Erinnerungstag, in: Der Schlern, Zeitschrift für Heimat- und Volkskunde, 10. Jahrgang 1929, S. 374.

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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