Franz Michael Senn


von Rudolf Granichstaedten-Czerva

Die interessante Gestalt des stilgewandten Landrichters von Pfunds und Freiheitskämpfers von 1809, Franz Michael Senn, ist schon öfters (namentlich von Hugo Klein) biographiert worden. Noch bekannter wurde Senn als Vater des berühmten Dichters Johann Chr. Senn (geb 1. April 1795 in Pfunds, gest. 30. September 1857 in Innsbruck), der durch sein Freiheitslied „Adler, Tiroler Adler! Warum bist du so rot?" sich ein ewiges Denkmal in Tirol schuf. In allen Biographien über den Vater Senn (geb. 28. September 1759 in Flirsch als Sohn des am 19. Juli 1803 verstorbenen Müllers Josef Senn und der am 14. Dezember 1796 in Grins verstorbenen Katharina Senn, geb. Pittrich) heißt es nun, er sei am 20. Februar 1813 in Wien aus Privatrache meuchlings erstochen worden. Dieses tragische Ende des Tiroler Schützenhauptmannes reizte zu Nachforschungen in allen hiefür in Betracht kommenden Wiener Archiven.

Die authentischeste Quelle ist jedenfalls das Totenprotokoll der Gemeinde Wien. Hier heißt es Folio 15: „Seine Wohledelgeboren Herr Michael Senn, Magistratsrath der Wiener Haupt- und Residenz-Stadt Wien, Verheurath, von Flürsch in Tyroll gebürt., auf der Mehlgrube Nr. 1108, in der Kärntnerstraßen, am Nervenfieber, alt 53 Jahr; February 1813, den 20.ten; Trunk m. p., Totenbeschauer."

Zu diesem Totenprotokoll gehört auch ein Akt, die sogenannte „Sperr-Relazion" als Einantwortungs-Urkunde; sie ist vom 11. März 1813 datiert, hat die Zahl 89/1813, Exhibit. Pag. 109, Abtlg. 2, Off 9492, und enthält auch die Übersicht über die Hinterbliebenen:

Zweite Gattin: Maria Anna Senn (geb. 1772 in Meran, gest. 8. März 1832), geb. Knoll (die erste Gattin, Barbara, geb. Zoller hatte sich im Juni 1802 in die Fluten des Inn gestürzt). Kinder 1. Ehe: Therese, 18 Jahre, Alois 13 Jahre, Elise 12 Jahre, Johann 17 Jahre (Dichter). Kinder 2. Ehe: Franz, 4 Jahre, Josef 1 Jahr; Vormund: Dr. Josef Rapp (der berühmte Historiker und Finanzreferent Andreas Hofers).

Auch das Amtsblatt zur Österreichisch Kaiserlichen privilegierten „Wiener Zeitung" Nr. 25. vom Samstag, 27. Februar 1813, S. 73, berichtet unter „Verstorbene in Wien am 20. Februar 1813": „H. Michael Senn, Magistratsrat der K. K. Haupt- und Residenzstadt Wien, alt 53 Jahre in der Kärntnerstraße Nr. 1108 (Heute Neuer Markt Nr. 5) an Nervenfieber."

Nun war es immer noch möglich, dass der Mord vertuscht worden wäre (System Metternich 1813!). Man wandte sich daher an das Wiener Landesgericht in Strafsachen, dessen Präsident ein bekannter Kriminalhistoriker war; auch dort (Präs. 1842/27 vom 1. April 1927) wurde trotz eifriger Nachforschung kein Mordakt, F. M. Senn betreffend, gefunden. Ebenso ist in den Akten "der PoIizei-Hof-SteIle aus dem Jahre 1813 nichts zu finden, obwohl derartige Mordtaten, besonders wenn es sich um höhere Beamte handelt, damals sofort dem Kaiser gemeldet wurden (z. B. die Ermordung des Tiroler Landesverteidigers Josef Marberger am 17. März 1811). Ferner verzeichnet das Städtische Archiv in Wien den Magistratsrat Senn als eines natürlichen Todes Verstorbenen.

Den letzten Zweifel aber räumte ein Brief des Malers Johann M. Schärmer (1785 bis 1868) hinweg, der durch Zufall in einem Akte im Wiener Staatsarchiv (ZI. 210/1813, Pol.-Akten) gefunden und im „Tiroler Anzeiger" vom 26. Februar 1927 veröffentlicht wurde. Ich wiederhole die wichtige Stelle: „Wien, 22. Februar 1813. Liebster bester Vater! .... Nun muss ich Ihnen auch die höchst traurige Nachricht sagen, dass am Samstag um halb 10 Uhr früh unser braver Herr Vetter Senn am Nervenfieber gestorben ist; denken Sie sich die traurige Lage seiner armen Familie. Gestern vor acht Tagen habe ich noch bei ihm zu Mittag gespeist. Er legte sich gleich nach dem Essen nieder, um nicht wieder aufzustehen. Gott habe ihn selig, es ist viel über ihn gekommen, nun hat er ausgelitten ..... liebender Sohn I. M. Schämer."

Ich bin nun auch der Frage nachgegangen, von wem das Märchen von dem gewaltsamen Tode Senn's stammt. Es wurde von dem Pfarrer von Hall, Johann Jakob TrientI (geb. 1822, gest. 1893) im Jahre 1885 ausgesprengt. Da Trientl kein Zeitgenosse Senn's war, hat er etwas „läuten" gehört, vielleicht F. M. Senn mit Josef Marberger verwechselt und so das falsche Gerücht verursacht, das dünn von anderen als historische Tatsache übernommen wurde. Wir müssen nunmehr die Angabe über die Todesursache Senn's revidieren, der Wahrheit die Ehre geben und Senn, der, nach erfolgter Aufbahrung in der Totenkammer zu St. Stefan am 21. Februar 1813, auf dem Matzleinsdorfer katholischen Friedhof in Wien in einem Massengrab bestattet wurde, eines natürlichen Todes sterben lassen, wie es die Archiv-Akten beweisen.



Quelle: Granichstaedten-Czerva Rudolf, Andreas Hofers alte Garde, Innsbruck 1932, S. 384 - 386.

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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