Lebens-Skizze Joachim Haspinger


von Anton Ritter von Schallhammer, 1856

Zwischen Bruneck und Toblach im Pustertal, Tirol, zweigt sich das Gsiesertal in nordöstlicher Richtung ab, um sich mit dem Defereggental zu verbinden.

In dessen Mitte, 3 Stunden von der Herrschaft Welsberg und der Poststraße nach Kärnten, liegt das Dorf St. Martin. Auf dem Speckergut daselbst wurde am 28. Oktober 1776 Johann Simon Haspinger, der Held unserer Geschichte, geboren. Erst später beim Eintritt in den Kapuziner-Orden erhielt er den Klosternamen Joachim. Seine Eltern waren geachtete Bauersleute und standen sich ganz gut. Sein Vater Johann starb am 16. Februar 1813, seine Mutter Ursula, geborene Todtenmoser, am 19. Juli 1847. Als ältester seiner Geschwister, nährten seine frommen Eltern schon in seiner zartesten Jugend den Wunsch, ihn der Kirche zu widmen.

Die anderen 6 Kinder aus dieser Ehe waren:

1. Jakob, geboren am 7. Juli 1778, gestorben am 3. Jänner 1844. Auf diesen ging das väterliche Landgut über, und hat gegenwärtig seinen Sohn Gabriel, 1811 geboren, zum Besitzer.
2. Maria, geb. 21. November 1781, gestorben 4. April 1842.
3. Andre, geb. 31. August 1783, gestorben als Kind.
4. Anna, geb. 20. April 1787, zu St. Magdalena als verehelichte Steimayr durch einen Baum im Jahre 1818 erschlagen worden.
5. Maria, geb. 9. August 1790, gestorben 23. Februar 1794.
6. Magdalena, geb. 13. Juli 1794, in erster Ehe mit Schullehrer Leitl zu Wolfsparting in Unterösterreich, in zweiter Ehe mit dem Weingartenbesitzer Jatschka daselbst verbunden, befindet sich allein noch am Leben.

Als Knabe von 4 Jahren kam er in Todesgefahr, man soll ihm in unzeitigem Scherze Branntwein, der sich entzündete, gegeben haben, wodurch sein Leben durch 8 Tage in Gefahr schwebte. Haspinger erhielt in seinem Knabenalter einen höchst dürftigen Unterricht von dem Vikar von St. Magdalena, dem nächsten Orte des Tales.

Erst 1793, in seinem 17. Lebensjahr, begann er die Studien am Gymnasium zu Bozen, von denen ihm, wie wir in der Folge ersehen werden, die Vaterlands-Verteidigung, für die er mehr Neigung zu haben schien, so oft wegrief. Vom Jahre 1799 bis 1801 studierte er zu Innsbruck die Philosophie, dann Medizin und trat am 4. November des Jahres 1802 zu Eppan nächst Bozen in den Orden der minderen Brüder des hl. Franciscus Seraphicus, er wurde Kapuziner und erhielt den Klosternamen Joachim. Der Verehrung des heil. Anton von Padua daselbst, weihte er seine im Jahre 1796 erhaltene silberne ständische Tapferkeits-Medaille.

Nach vollendetem Jahre des Noviziates legte er 1803 das Ordensgelübde ab und wurde zum Studium der Theologie in das Kapuzinerkloster von Meran übersetzt. Der Pater Benedikt Peintner führte ihn und die Brüder: Gabriel Engl, geboren in Weitental, Hubert Mayr aus Gröden, Johann Cant. Rogen aus Neustift, Paulin Etschmann aus Haiming, nebst noch zweien andern Fratres, am 28. Oktober dahin.

Am 22. Oktober 1804 wurde Haspinger zur Fortsetzung seiner theologischen Studien in das Kapuzinerkloster nach Sterzing übersetzt, während andere Ordensbrüder nach Imst und Bozen kamen. Auf dem Wege nach seiner neuen Bestimmung lernte er im Passeiertal den Wirt am Sand „Andre Hofer“ kennen, der durch seine Frömmigkeit weithin bekannt und bei dem die Bettelmönche stets gastfreundlich aufgenommen waren.

Der 22. Oktober 1804 ist daher der Tag, wo sich diese beiden Männer kennen lernten, deren Taten mit dem ehernen Griffel der Unsterblichkeit in der Geschichte ihres Vaterlandes verzeichnet stehen.

Nach vollendeten Studien der Gottesgelehrtheit, begab sich Haspinger 1805 abermals nach Meran zurück, und wurde am 1. September desselben Jahres von dem hochwürdigsten Fürstbischof von Chur, Carl Rudolf Graf Buol-Schauenstein in der Seminarkirche, der Hauskapelle der bischöflichen Residenz, die ober dem Vlntschgauer-Tore war, zum Priester geweiht.

Seine neue Bestimmung führte ihn am 11. September 1805 in das Kapuzinerkloster nach Schlanders im Vintschgau, wo er Prediger und Beichtvater wurde. Sein klerikales Wirken in der Seelsorge war jedoch von kurzer Dauer, da ihn die Kriegserklärung Österreichs an Frankreich, schon im nächsten Monat Oktober wieder in die Reihen der Vaterlands-Verteidiger, diesmal als Feldpater, führte.

Die Unfälle in Deutschland lösten nach dem Rückzug der Österreicher noch im Anfang des Monats November die Defensions-Anstalten auf, und unser Pater kehrte wieder in seine stille Klause nach Schlanders zurück.

Der verhängnisvolle Preßburger Friede am Schlusse dieses trüben Jahres, riss endlich das seit 442 Jahren Österreich so getreue Tirol von demselben los, um als Siegespreis einem Verbündeten Napoleons, dem Kurfürsten von Baiern, nebst der Königskrone, zuerkannt zu werden.

Nachdem die königlich bayerische Regierung in den ersten Jahren nebst so vielen politischen Änderungen im Lande Tirol auch kirchliche Veränderungen mit eiserner Strenge durchzuführen begann, wuchs der Unwille des Volkes, das im frommen Glauben ihrer Väter mit Hingebung an dem Altherkömmlichen hing, mit jedem Tag immer mehr.

Von Seite der Regierung maß man vorzüglich den Kapuzinerklöstern die Schuld bei, die Unzufriedenheit im Volke genährt zu haben. Johann Theodor von Hofstetten, Kreishauptmann im Pustertal, wurde im Jahre 1808 als königl. Spezialkommissär zur Durchführung der angeordneten, aber bisher verweigerten Abänderungen, nach Meran gesandt. Eine seiner strengsten Handlungen bestand darin, dass er in der Nacht vom 15 — 16. August d. J. die 3 Kapuzinerklöster zu Meran, Schlanders und Mauls mit Militär überfiel und durch dasselbe die frommen Väter nach anderen Orten deportieren ließ.

Unserem Pater Joachim Haspinger war das sogenannte Zentralkloster zu Klausen, zwischen Bozen und Brixen, als Exil angewiesen, das er am 17. August 1808 erreichte. Auf dem Wege dahin sagte er prophetisch seiner militärischen Begleitung: „Vielleicht dauert es nicht lange, dass ich Euch werde transportieren lassen?“ Der Offizier der Eskorte fasste die unüberlegt geäußerten Worte des Paters auf, und machte hiervon dem Landrichter zu Klausen Anzeige, der ihn als Folge, besonders überwachen ließ. Die Räumlichkeiten des kleinen Kapuzinerklosters wurden durch den neuen Zuwachs derart überfüllt, dass mehrere durch längere Zeit nur am Boden des Refektoriums ihre Lagerstätte fanden.

Die Erhebung Tirols zu Gunsten Österreichs im Krieg von 1809 führte den 33jährigen Pater Joachim Haspinger, nebst Hofer und Speckbacher an die Spitze derselben, wo er wie Peter von Amiens 1095 zum ersten Kreuzzuge, oder Johann von Capistran 1456 gegen die Türken, Kreuz und Schwert mit gleicher Gewalt gebrauchte. Wir wollen der ereignisvollen Geschichte nicht vorgreifen.

Sein Fluchtversuch nach dem Friedensschluss, seine Notwehr, sein neunmonatliches Versteck, endlich seine Lebensrettung durch die Schweiz und Italien nach Österreich, bilden die interessantesten Episoden. Es wurde ihm Allerhöchst das goldene Verdienstkreuz für Feldgeistliche verliehen.

Nach seiner Säkularisierung im Jahre 1810 stand er durch 25 Jahre an mehreren Orten Niederösterreichs der Seelsorge vor, und wurde wahrend diesem Zeitraum (1813) durch 4 Monate in Italien als Kundschafter verwendet.

Während seinem 18jährigen Aufenthalt im Ruhestand in der Umgebung Wiens, von 1836 — 1854, zog er im Jahre 1848 nochmals mit den Tiroler Landesverteidigern ins Feld, und erhielt die Erinnerungs-Medaille. Die Anerkennung des Staates, seine Dotation und dessen Überstellung 1854 nach Salzburg, führen uns den Heldengreis bis in sein 80. Lebensjahr vor.

Sein fünfzigjähriges Priester-Jubiläum, das er in der Kollegienkirche zu Salzburg am 9. September 1855 feierte, war ein patriotisches Volksfest. Durch die Allerhöchste Anwesenheit Ihrer kaiserlichen Majestät der Allergnädigsten Kaiserin Witwe Carolina Augusta, erhielt es seine Weihe. Mehrere Veteranen, die mit dem Heldenpriester einst für Gott und Vaterland mitkämpften, hierunter ein Enkel des Sandwirtes, Karl Edler von Hofer, fanden sich da ein. Mehrere ausgezeichnete Dichter ließen ihre Leier im Epos erklingen, damit „die jetzige Jugend lerne, wie man Gott dient und handelt auch zugleich“.



Quelle: Anton Ritter von Schallhammer, Biographie des Tiroler Heldenpriesters Joachim Haspinger, Salzburg 1856, S. 1 - 5

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.