Die Erinnerungen des Priesters Josef Daney


5. Brief

Vorstoß nach Baiern. Feigheiten. Steuerschwierigkeiten. Festprozession in Hall. Waffenstillstand. Bedenkliche Nachrichten. Innsbruck vom französischen Heere besetzt.

Lieber! Ich kann Ihnen nicht beschreiben, welche Freude es mir macht, dass meine Erzählung Ihre Aufmerksamkeit bisher noch immer in gleicher Spannung erhalten hat. Mit wahrem Vergnügen ergreife ich daher wieder die Feder, Ihnen die Fortsetzung der Begebenheiten meines Vaterlandes zu liefern. Sie werden noch ganz sonderbare Dinge hören.

Die 10 Bauern, die uns nach Plattel nachgeeilt sind, haben daselbst dem Herrn Appellationsrat weiter kein Leid zugefügt. Nur die Kutsche haben sie genau durchgesucht und rückwärts in die Höhe gehoben, um sich zu überzeugen, ob unsere Koffer wirklich mit Kronentalern gefüllt sind. Doch die gnädige Frau wäre bald misshandelt worden, weil sie Herrn Teimer nannte. „A so," sagten sie ihr, „kennts de sella Land-Auwiegler, de sella Volks-Verrater, de sella Sp . . . oh. Mier wölla enk scho de Teimer geba, wenn mier ih' nur kriega." — Sie schwieg aber und nannte ihn ja nicht mehr, und so vergaßen beim Weine auch die Bauern darauf.

Die Ereignisse der zweiten Hälfte des Monats Mai haben über die Gegenden Unterinntals eine solche Verheerung verbreitet, dass mehrere hundert Wohnungen in Schutthaufen verwandelt, Tausende von Menschen um all ihr Hab und Gut gekommen und dem größten Elende, sogar den Martern des Hungertodes ausgesetzt wurden. Indessen wurden von den Österreichern und Unterinntalern die Grenzpässe von Achental bis Kufstein und Waidring besetzt. Der Landsturm des südlichen Tirols kehrte nach Hause; die Bürger von Meran zogen mit fliegender Fahne, mit stolzer Siegermiene und unter einem unaussprechlichen Jubel ihrer Frauen und Kinder in ihr Städtchen ein. Den im vorigen Briefe erwähnten, alles auffordernden und die Baiern allein zertrümmern wollenden Hauptmann F. von G.... r ergriff, als es darauf ankam, seine Mannschaft nun gegen dieselben ins Feuer zu führen, plötzlich und so heftig ein gewisses Fieber, dass er sich gezwungen sah, seine Mitbürger im Stich zu lassen und sich bis Matrei zu flüchten, weswegen ihm seine Kompanie auch den Gehorsam aufkündigte und ihm den Titel „Herzog von Matrei" beilegte. An dessen Stelle wurde Herr Joseph Schweigl, der, obschon er nur gleichsam bei den Haaren, wie so viele andere, von Meran fortgezogen wurde und nur die Charge eines Fouriers bekleidete, sich doch vor allen anderen durch persönliche Tapferkeit und richtig genommenen militärischen Blick ganz besonders auszeichnete, auf dem Schlachtfelde von seinen Mitbürgern zum Hauptmann ausgerufen.

Am 2. Juni fand in der Gegend von Mittenwald und Wallgau ein scharfes Gefecht mit dem im vorigen Briefe erwähnten Arco'schen Korps statt. Anfangs wurden die Tiroler bis gegen die Scharnitz zurückgedrückt, als von Leutasch aus die Hauptleute Falk von Landeck und Joseph Graf Mohr von Latsch den Baiern, gegen den Buchberg und Lauterersee zu, in die Flanke fielen, die Kavallerie mit Doppelhacken heftig beschossen und die feindlichen 2 Kanonen zur Flucht nötigten.

Nun wurde jener berüchtigte Ausfall nach Baiern gewagt. Der ganze Obervinschgauer und Oberinntaler Landsturm hatte sich schon bei Ehrwald und Mittenwald gesammelt. Die weizene Kompanie von Schlanders war bereits auch schon eingetroffen und wurde bestimmt, die Avant- und unmittelbare Leib-Garde des Majors Teimer zu machen. Die Baiern hatten sich in stürmischer Eile bis Kochel zurückgezogen. Das Pferd des Kommandeurs Grafen Arco wurde verwundet, erbeutet und von den Schlandersern, wenn mir mein Bruder, der auch dabei war, recht erzählt hat, nachdem es krepiert, gegessen. Nachdem Mittenwald bereits geplündert und vieles zerschlagen und zugrunde gerichtet war, schwärmte der stürmische Zug nach Partenkirchen und Murnau vor. Daselbst brachen die Obervinschgauer und Inntaler in Häuser und Läden ein und beraubten manchen seiner Habe. Dass für's Vaterland gefressen und gesoffen wurde, können Sie sich leicht vorstellen. Durch die Schlanderser Kompanie ließ Teimer Vieh und Pferde aus den Ställen und von der Weide zusammentreiben und überdies forderte er auch noch von Murnau 8000 Gulden Brandschatzung. Der Pfarrer und die übrigen Vorstände knieten nieder und baten mit aufgehobenen Händen um Schonung und Nachlass dieser unmöglich aufzubringenden Summe. Allein alles dringende Bitten fand bei Teimers rohem Adjutanten Jos. St ... r keinen Eingang, bis endlich der im vorigen Briefe mehrmal genannte Johann Alber (vulgo Stadler auf dem Schlanderser Sonnenberg) es nicht mehr aushielt, einen Priester vor sich knien und bitten zu sehen, und seinem Kameraden die dringendsten Vorstellungen machte, er möchte doch von seiner Forderung abgehen und sich mit 1000 Gulden begnügen.

Indessen wurden die Schlanderser Kompanien auf Wagen und der übrige Landsturm zu Fuß nach Weilheim vorzurücken beordert. Einige österreichische Jäger waren schon vorausgegangen und hatten bereits Weilheim erreicht. Als aber meine Herren Landsleute nahe vor besagtem Orte hinkamen, brachte ihnen ein österreichisches Jägerweib keuchend die Nachricht, dass soeben baierisches Militär und vorzüglich Kavallerie in Weilheim eingetroffen sei und schon etliche Jäger gefangen und zusammengehauen habe. Das Weib hatte ihre Nachricht kaum ausgesprochen, waren die Wagen schon umgekehrt. Über Hals und Kopf fuhren und liefen sie zurück und verbreiteten unter den übrigen einen fürchterlichen Schrecken, so dass sich der ganze Landsturm wie verscheuchte Raubtiere in schimpflicher Eile in die vaterländischen Schluchten zurückflüchtete. Die geraubten Pferde und das gestohlene Vieh hatten sie unterdessen schon vorausgejagt und der im vorigen Briefe erwähnte kommandierende Feldpater hatte für sich, um auf dem Rückzug nicht zu verhungern, einen Sack voll Kalbsköpfe und um recht schnell durchzukommen (der Kommandant muss ja doch immer voraus sein) eine Chaise gestohlen. Ohne sich mehr umzusehen, stürzten sie bis Scharnitz zurück, welches Herr Teimer besetzen ließ. Die weizene Kompanie wusste sich auch da noch nicht sicher und lief atemlos bis Seefeld. Von da wurde sie nach Innsbruck berufen und, um sich von ihren überstandenen Strapazen und Gefahren, vorzüglich aber von dem ausgehaltenen Schrecken zu erholen, bei den Bürgern einquartiert. Auf Befehl des oben belobten Herrn Feldkaplans mussten die Herren Offiziere bis zum Feldwebel, einem angesehenen Wirt und Gewerbsmann, einschließlich der Gräfin Trapp ihre Untertans-Aufwartung machen; wessen ungeachtet sie die Gräfin etwas höhnisch aufnahm und sehr trocken behandelte, beim Weggehen doch jeder von ihr großmütig mit einem Konventions-Zwanziger beschenkt wurde.

Obschon jene Heldenkompanie ihres Herumziehens wegen ihre Haltung so ziemlich verloren und ganz verwildert aussah, und vielen die Strümpfe über die Schuhe und das Hemd durch die Hosen heraushing, mussten sie doch an einem Sonntage, wieder auf ausdrücklichen Befehl ihres geistlichen Zwingherrn, zu Innsbruck Kirchenparade halten. Der schon im 3. Briefe angeführte Pater Benitius rückte meinen paradierenden Herren Landsleuten in seiner Predigt ihre in Baiern an unschuldigen Bürgern und Landleuten verübten Plünderungen und Räubereien so beißend vor, dass mir der Hauptmann Spiller sagte, er habe sich in seinem Leben nie so wie bei dieser Predigt geschämt. Endlich, nach einigem Aufenthalt in Innsbruck, bekamen sie die Erlaubnis, nach Hause zu gehen. Die beiden rechtlichen, ansehnlichen Herrn Gebrüder Johann und Joseph Blaas schämten sich, noch länger den Faschingszug mitzumachen, und nahmen den Weg über Brixen und Bozen zurück. Der übrige Weizen, der in Baiern bereits in wildes Schrot und Korn umgestanden, zog durchs Oberinntal nach Hause. Daselbst haben sie ihre geraubten Pferde verkauft und das erlöste Geld versoffen. Auf der ganzen oberen Grenzseite des nördlichen Tirols fiel bis zum Waffenstillstand nichts mehr von Bedeutung vor. Teimer machte wohl noch einige Ausfälle in Baiern, die ihm aber alle, wie der erste, sehr übel anschlugen. Einmal wurde er samt seinen Leuten so verwirrt und versprengt, dass er durch Mittenwald hinaus und durch Ehrwald herein, und Herr von P . . . durch Ehrwald hinaus und durch Mittenwald herein gejagt wurde ....

Die im nördlichen und südlichen Tirol gefangen gemachten Baiern und Franzosen wurden, weil mit Österreich alle Kommunikation abgeschnitten war, nach Meran und Vinschgau transportiert, und daselbst in Seminarien, alten Schlössern und im Kloster Marienberg eingesperrt.

Nachdem es auch das zweitemal vorzüglich, wie Sie aus obiger Erzählung gesehen haben, die Tiroler waren, welche den Feind von allen Seiten aus dem Lande vertrieben, und da man früher den Bauern auch vorspiegelte, sie dürften nun 10 Jahre keine Steuern mehr bezahlen, so sträubten sich diese häufig so sehr, ihre Gebühren zu entrichten, dass sich der Intendant Freiherr von Hormayr gezwungen sah, in einer öffentlichen Bekanntmachung zu erklären, dass alle Untertanen die bis diesen Augenblick verfallenen Staatsgefälle und Steuern, „jedoch mit Ausnahme aller derjenigen, welche unter der Kgl. baierischen Regierung erst neu entstanden sind," auf der Stelle um so pünktlicher abzuführen haben, als er jeden boshaften Menschen, welcher sich dieser Anordnung widersetzen könnte, bestimmt als einen Ruhestörer und Verbrecher gegen sein eigenes Vaterland behandeln müsste. Ob infolge dieser Erklärung die Steuern richtig einliefen, weiß ich nicht. Jedoch zweifle ich, denn 14 Tage darauf sah er sich genötigt, über obige Verordnung erst eine Erläuterung kundzumachen welche Steuern eigentlich unter denjenigen zu verstehen seien, die unter der Kgl. baierlichen Regierung erst neu entstanden sind.

Übrigens fiel im ganzen Monat Juni nichts mehr von Bedeutung vor. Der Appellationsrat von Peer reiste wieder, von seinem Präsidenten, dem Grafen Sarnthein berufen, von Meran ab und über Bozen nach Innsbruck zurück. Am 20. Juni kamen wir daselbst wieder an. Der Generalmajor von Buol hatte sich schon im vorigen Monate nach Brixen zurückgezogen und von da auch bis zum Waffenstillstand nie mehr wegbegeben. Freiherr von Hormayr aber hielt sich, nachdem er zu Innsbruck wieder eine neue Schutzdeputation, deren Mitglieder meistens zur Übernahme ihres Amtes gezwungen wurden, niedergesetzt hatte, fast beständig in Brixen auf. Von dort aus beehrte er uns wieder unablässig mit den erfreulichsten Siegesnachrichten, Kais. Kgl. Armeebefehlen, allerhöchsten Kabinetsschreiben Sr. Majestät des Kaisers und unter anderen mit folgendem Auszuge aus einem allerhöchst erlassenen Handschreiben 1) ....

1) Kaiser Franz an die Tiroler, Wolkersdorf, 29. Mai 1809. Zeigt den glücklichen Ausgang der Schlacht bei Aspern an und versichert, keinen anderen Frieden zu unterzeichnen als den, der Tirol unauflöslich an seine Monarchie knüpfe. Abgedruckt bei Hormayr, Band 1, Beilage XIV.

Sie können sich denken, dass diese Erklärung Sr. Majestät des Kaisers jeden Tiroler bis zur höchsten Stufe der Freude und der Begeisterung schwang. Überdies brachte der aus dem Hauptquartier Sr. Kais. Hoheit des Generalissimus Erzherzog Karl aus Deutschwagram am Spitz gekommene Kurier Joh. Georg Schennacher aus Innsbruck so erfreuliche Nachrichten mit, dass es schien, Napoleon sei in der Gegend von Schönbrunn und Wien in der größten Gefahr, samt dem Reste seiner Armee zu verhungern.

„Se. Kais. Hoheit der Generalissimus äußerten sich gegen den Kourier höchst gnädigst, daß Höchstselber nicht genugsam den braven Tirolern für ihr bewiesenes tapferes und entschlossenes Benehmen, männliches Ausharren und wiederholt erprobte Treue und Anhänglichkeit an das allerhöchste österreichische Kaiserhaus seine Gefühle ausdrücken konnte und mit Hilfe Gottes nächstens das Vergnügen zu haben hofft, das getreue Land zu befreien und alle bisher erlittenen Unkosten, wenn dieselben auch noch so groß wären, zu ersetzen.
Ich eile, diese soeben erhaltenen Nachrichten dem Publikum mitzuteilen.
Innsbruck, den 8. Juni 1809. P. Fr. von Taxis."

So sehr diese Zusicherung des Erzherzogs erfreute und zu neuem Mut und Kräften stählte, ebenso heftig erbitterte sie nachstehendes Handbillet Sr. Kais. Kgl. Hoheit des Generalissimus an den Marquis de Chasteler, welcher Tirol so schnell verloren und so sonderbar verlassen hatte. 2)  Wie und zu welchem Zwecke man dem Volke dieses höchste Handschreiben, da doch des General Chastelers Flucht bereits allen Tirolern bekannt und von allen gleichsam als ein Meineid an Land und Fürsten angesehen wurde, bekannt machen konnte, vermochte ich mir nie zu enträtseln.

2) Abgedruckt bei Hormayr, Band 1, Beilage XVI. Dem Feldmarschallleutnant Chasteler, der sich so feige aus Tirol zurückgezogen, wird darin die Kais. Anerkennung ausgesprochen für seine „standhafte Behauptung Tirols" und derselbe aufgefordert, den braven Tirolern „Mut zuzusprechen".

Obwohl wir schon fast täglich die glänzendsten Siegesnachrichten erhielten und eine künftige Gefahr auch nur von der Ferne zu ahnen verboten war, so konnten wir doch aus der Ausschreibung eines forcierten Darlehens schließen, dass die siegreichen Kais. Kgl. österreichischen Armeen von uns noch ziemlich entfernt und wir ganz abgeschnitten sein mussten. Wie verwirrt, wie anarchisch und elend es übrigens bereits im ganzen Lande aussah, können Sie am besten aus dem, was nun folgt, entnehmen. Manche Städte und Private sollen bedeutende Summen hergeliehen haben; was aber und wie viel in dieser Hinsicht die Gerichte und Dörfer geleistet, ist mir unbekannt; wenigstens hat, wie ich mir erzählen ließ, ganz Vinschgau nicht viel und das beispiellos getreue Schlanders keinen Kreuzer beigetragen. Indessen kamen die von der Intendantschaft in das Hoflager Sr. Majestät des Kaisers abgeschickten Deputierten wieder zurück und brachten Hochselber einige tausend Stück Dukaten mit der allerhöchsten Versicherung, dass Se. Majestät für Tirol gewiss alle mögliche väterliche Sorge tragen werden.

Während Freiherr v. Hormayr und die Schutzdeputation zu Innsbruck mit tausenderlei Hindernissen und allen möglichen Sorgen, wie sie die Mittel herbeischaffen, wodurch teils der Gang der öffentlichen Geschäfte nicht gehemmt, teils die Landesverteidigung zweckmäßig betrieben würde, zu kämpfen hatten, lebte das Volk sorgenlos und schuf sich Feste und kirchliche Freuden. Vorzüglich zeichnete sich die Stadt Hall in dieser Hinsicht aus und veranstaltete auf den 25. Juni die weit und breit vorher verkündete, nachstehend beschriebene Prozession. Den Zug eröffneten 3 ganz gepanzerte Ritter mit geschlossenem Visier und Standarten. Diesen folgten ein Engel zwischen zwei Schäfern, dann ein Kruzifix zwischen zwei Ministranten in Chorröcken mit brennenden Kerzen; eine Schar Schulknaben mit mehreren Fahnen, dann ebenso die Schulmädchen, 12 Zünfte mit ihren Fahnen, ein ganz gepanzerter Ritter mit einer ungeheuren schwarzgelben Fahne, welche wenigstens 3 Quadratklafter groß war, ein Trompeter zu Pferde in altspanischer Kleidung. Dieser war Joseph Thaler von Innsbruck. Diesem folgten 8 ganz gepanzerte Ritter mit Speer; dann kamen 5 alttirolisch gekleidete Bauern mit weißem großem Kreeß (Krause) um den Hals, in weißen Strümpfen und Schuhen und einen Schäferstab in der Hand (übrigens zu Pferde); 3 Ritter in römischer Kleidung, reich in Gold und Silber, die Pferde waren mit Defferegger Teppichen bedeckt; erste türkische Musik von Bauern zu Absam, 2 Bauern zu Pferde mit Standarten, diesen folgte eine Kompanie Schützen in Bauernkleidern, festlich in roten Hemden und grünen Hüten, alle ganz gleich und sehr schön. Sodann kamen wieder zwei Ritter und 5 Husaren zu Pferde, 10 weißgekleidete Schäfer zu Fuß, einer trug einen großen Kranz auf einem Polster; diesem folgte ein sog. Ferkele, von Schäfern getragen, gleich dahinter 4 Bauern mit Lanzen, dann kam die Gemeinde von Absam mit 3 Fahnen, darauf eine Kongregation mit Lichtern voraus. Zweite türkische Musik von Bauern von Wald, dann die Schützenkompanie von dort in langen grünen Röcken und grünen Hüten, mit Stutzen und 2 Fahnen. 2 römische, 3 spanische und 3 türkische Reiter, zwei mit Fahnen, zwei mit Schwertern, einer hatte eine Tigerhaut über den Rücken; mehrere dieser Pferde waren ebenfalls, vermutlich aus Mangel an Schabracken, mit Defferegger Teppichen bedeckt. Dann kam das Gnadenbild der Mutter Gottes aus der Baldaufschen Kapelle auf einem mit 6 schönen, braunen Pferden bespannten, mit künstlicher Verschneidung und Vergoldung prächtig gezierten Wagen, auf welchem ein Baldachin von Samt angebracht war. Die Kutscher waren altdeutsch gekleidet, dann folgte ein alter, ehrwürdiger Mann mit grauen Haaren und grauem langem Knebelbart, stattlich einhergehend; dieser stellte den Ritter Baldauf, Stifter des Gnadenbildes, vor; er war altdeutsch auf spanische Art gekleidet mit entblößtem Haupte; vor ihm trugen 2 Edelknaben seinen Hut und Schwert auf Polstern; hinter ihm wurde von seinen Knappen sein Reitpferd einhergeführt. Dann kamen 5 Spanier zu Pferde, sodann 4 schwarzgekleidete Männer zu Pferde in schwarzen Mänteln und altfränkisch mit dreieckigen Hüten, großen weißen Halsbinden und großen Schnurrbärten; diese stellten den dortmaligen Haller Magistrat vor, als das Gnadenbild gestiftet wurde; sie trugen ungeheure Schwerter; darauf folgten Trompeten und Pauken; dann die türkische Musik der Stadt Hall, endlich zwei große Stadtfahnen und die Haller Schützenkompanie, kommandiert vom Herrn Hauptmann Straub zu Pferde in hechtgrauer Uniform. Diesen folgten die Franziskaner sowie die gesamte Geistlichkeit in Chorröcken. Alsdann kam unter einem prächtigen Himmel das Venerabile, begleitet von den Füselieren des Bürgermilitärs mit Grenadiermützen, auf welchen gelbe und schwarze Egalisierung war. Nun folgte der Magistrat und der meiste Teil der Beamten in Gala. Diesen folgte wieder eine Abteilung Bauern in roten Hemden und grünen Hüten mit Hellebarden, darauf zwei Fahnen und Bauern mit Stutzen. Endlich folgte das zahlreiche mitgehende Publikum paarweise und dann die Frauen-Noblesse und das Frauenvolk eben in großer Anzahl und einige Exklosterfrauen. Den Zug beschlossen einige städtische und dann eine zahllose Menge Kranzeljungfern mit weißen Schürzen, und nun wirbelte unzähliges Volk hintennach.

So verging auch beinahe der ganze Monat Juli in Freuden und Jubel; das Volk träumte sich, österreichisch zu sein, und damit waren auch alle Wünsche und Absichten erfüllt. Doch eine Proklamation 3), welche aber ja nur ins Land geschwärzt wurde und keinem Bauern, wenn einer nicht Gefahr laufen wollte, totgeschlagen zu werden, gezeigt werden durfte, erzeugte in dem Gemüte des Vernünftigeren die bangsten Besorgnisse und höchst traurige Erwartungen. So gut es Herr v. Utzschneider mit den Tirolern zu meinen schien, so war doch in der Ferne nicht daran zu denken, dass nur ein einziger seiner Anträge dem Volke eröffnet oder von demselben angenommen werden dürfte, denn die Tiroler hatten insgesamt schon lange allen Glauben und alles Zutrauen auf die baierische Regierung verloren.

3) Proklamation des Geh. Referendars und General-Salinen-Administrators von Utzschneider aus Reichenhall, den 27. Juni 1809; abgedruckt bei Hormayr, Bd. 2, S. 268 ff. — Bei Hirn, S. 512, finden wir die einzelnen Punkte dieser Proklamation — bestimmt, einen Ausgleich zwischen Tirol und dem König von Baiern herbeizuführen — in kurzer, übersichtlicher Fassung wiedergegeben: „Allgemeiner Pardon, Unterstützung der durch den Krieg Verunglückten, keine Schädigung mehr durch das Militär, möglichste Abhilfe gegen alle Beschwerden, tunlichste Berücksichtigung der Forderungen über die Geistlichkeit, Belassung der bestehenden Klöster, Verminderung der Lasten, Besorgung der Militärstellung durch jede einzelne Gemeinde nach dem Maß ihrer Volkszahl, endlich ohne weiteren Aufschub Wahl von landschaftlichen Deputierten gemäß der baierischen Konstitution."

In der zweiten Hälfte des Monats Juli wurde wieder von der Scharnitz mit einigen österreichischen Kompanien, die meistens aus Ranzionierten aller Regimenter zusammengesetzt waren und vom Lande gekleidet und bewaffnet werden mussten, und mit Tirolern ein Ausfall nach Baiern gemacht, der aber ebenfalls nicht bestens angeschlagen hat. 4) Auch der Festung Kufstein wurde schon früher von den Baiern Luft gemacht, wobei die wenigen dort befindlichen Österreicher und die Tiroler etwas zurückgedrückt wurden.

4) Major Teimer, der Leiter dieser Ausfälle, behauptete sich aber, trotz des Einspruches mancher Hauptleute der dort stehenden organisierten Schützenkompagnien und der Innsbrucker Schutzdeputation gegen diese Räubereien auf baierischem Boden, bis Ende Juli. Vgl. hierüber Hirn, S. 526f.

So tröstend und erfreulich die Berichte lauteten, welche die Kais. Kgl. Intendantschaft uns über die vom Erzherzog Karl erfochtenen großen Siege und vom raschen Vorrücken der Kais. Kgl. österreichischen Armee fortwährend mitteilte, ebenso traurige und niederschlagende Nachrichten verbreiteten sich über die Gebirge von Baiern her. Man fing schon so ziemlich laut von einem zwischen den kriegführenden Mächten abgeschlossenen Waffenstillstand zu sprechen an, demzufolge Tirol von den österreichischen Truppen geräumt und vom französischen und baierischen Militär besetzt werden sollte. Von dem glänzenden bei Aspern vom Erzherzog Karl erfochtenen Sieg wollten sich für Tirol noch immer keine erleichternden, beruhigenden Folgen zeigen. Sie können sich vorstellen, dass Bestürzung und Missmut bereits allgemein zu werden anfingen. Nach solchen Anstrengungen, nach so großen Opfern sollte nun das Volk auf einmal und so unerwartet alle seine schimmernden Aussichten, alle seine glänzenden Hoffnungen wie Seifenblasen vor seinen Augen verschwinden und sich neuerlich der freien Willkür seiner früheren Zwingherren preisgegeben sehen! Auf den Gesichtern der Bauern konnte man auch schon wirklich die verzweifelndsten Gemütsstimmungen lesen, als auf einmal nachstehende Bekanntmachung erschien:

„Heute nach Mitternacht ist dem Unterzeichneten durch einen vom Feldmarschallleutnant und Banus Grafen Giulay aus Graz zurückgekommenen Kourier folgendes allerhöchste Handschreiben Sr. Kais. Hoheit des durchlauchtigsten Erzherzogs Johann zugekommen:

,Da es sein kann, dass ein feindlicher Parlamentär Ihnen den Befehl bringe, Tirol infolge eines Waffenstillstandes zu räumen, so haben Sie diesem Befehl nicht nachzukommen, ausgenommen, er wäre von mir unterfertigt.'
Hauptquartier Teth (zwischen Raab und Papa) am 16. Juli um 11 Uhr nachts.
Erzherzog Johann.

Welches hiermit zur Berichtigung der umlaufenden falschen Gerüchte und zur Beruhigung der treuen und tapfern Tiroler allgemein bekannt gemacht wird.
Brixen, am 23. Juli 1809.
Freiherr von Buol.
General und Korpskommandant."

Diese Nachricht beruhigte das Volk nun wieder ganz, und um so mehr, da auch die Kais. Kgl. Schutzdeputation eine Eröffnung anschloss, derzufolge Kompanien aufgeboten und aller Orten desto größere Verteidigungsanstalten getroffen wurden. Indessen erfuhr man ganz zuverlässig, dass der Herzog von Danzig Marschall Lefebre mit einer großen Armee über Salzburg gegen Tirol anrücke und General Rusca schnell über Radstadt, Mautendorf und Gmünd vordringe. Freund! Von der Verwirrung und dem Jammer dieser Tage will ich Ihnen keine Schilderung machen. Denken Sie sich in unsere Lage, blicken Sie ins Vergangene zurück, in die Zukunft hinaus und lesen Sie mit doppelter Aufmerksamkeit, was teils das Kais. Kgl. Militärkommando, teils die Schutzdeputation dem Volke zu eröffnen sich gezwungen sah. So deutlich zwar diese Bekanntmachungen jedem die traurige Lage Tirols darstellten, so wenig wollte sie das Volk verstehen, und anstatt es zu beruhigen, erregten sie unter demselben neue Verwirrungen und Unruhen, weil Erzherzog Johann nicht unterfertigt war. Über das Abziehen der österreichischen Truppen konnte man die Bauern doch in etwas belehren, aber über die Besitzergreifung und über das Vorrücken der Baiern und Franzosen waren sie durchaus nicht zu beruhigen.

Im Waffenstillstand heißt es nur, dass Tirol geräumt, aber nicht besetzt werden sollte. Der Oberstleutnant Freiherr v. Taxis hatte schon am 28. Juli vom Generalmajor v. Buol den Auftrag erhalten, sich mit seiner Mannschaft eiligst über den Brenner zurückzuziehen. Nun stellen Sie sich vor, was unvermeidlich aus der Stadt Innsbruck hätte werden müssen, welcher Taumelplatz und Spielraum zu neuen Plünderungen und vielleicht noch schrecklicheren Taten dem Gesindel wäre geöffnet worden, wenn nicht der Oberstleutnant auf das Bitten und auf die dringendsten Vorstellungen des Freiherrn v. Schneeburg und des Herrn v. Peer sich hätte bewegen lassen, mit seinen Truppen bis zur Ankunft der Franzosen und Baiern in Innsbruck zu verbleiben.

Die Zeit rückte immer näher; der Tag, an welchem der Herzog von Danzig in Innsbruck einzurücken beschlossen hatte, war herangekommen. Die Schutzdeputation erließ noch eine Bekanntmachung.

Am 30. Juli, beiläufig um 4 Uhr nachmittags, verließen die letzten österreichischen Truppen die Stadt Innsbruck, Major Teimer hatte sich schon um 1 Uhr aus dem Staube gemacht, Um 6 Uhr abends zogen die französischen und verbündeten Truppen, aus weimarischen Jägern, Sachsen und vorzüglich Baiern bestehend, und nach Angabe des Herzogs von Danzig 40 000 Mann stark, in Innsbruck ein. Freund! Es war ein fürchterlicher Anblick, so eine große Armee bloß von einer Seite ins Land und in die Hauptstadt einrücken zu sehen. Notwendig musste man schließen, dass auch durchs Pustertal und von Trient herauf nicht unbedeutende Kolonnen Franzosen vorrücken werden, welches auch wirklich der Fall war. Nun denken Sie sich in die Lage unseres Ländchens. Da wir von den österreichischen Truppen gänzlich verlassen, von allen Seiten zugleich von Heeren der mächtigsten, tapfersten Krieger im eigentlichen Sinne des Wortes überschwemmt und vom Kais. Kgl. General v. Buol im Namen des Erzherzogs Johann zur Ruhe und Ergebung aufgefordert waren, hätte sich doch vernünftig kein Mensch mehr das, was wir einige Tage später in Innsbruck wieder erlebt und gesehen haben, auch nur träumen können. Gewiss sonderbare, unglaubliche Dinge haben sich in der ersten Hälfte des Monats August in meinem Vaterlande ereignet; wie sie sich aber zugetragen, werde ich Ihnen im nächsten Briefe erzählen.



Quelle: Der Tiroler Volksaufstand des Jahres 1809, Erinnerungen des Priesters Josef Daney, Bearbeitet von Josef Steiner Innsbruck, Hamburg 1909

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.