Josef und Jakob Lener


von Rudolf Granichstaedten-Czerva

Auch die Stubaier hatten redlichen Anteil an den sieggekrönten Kämpfen der Tiroler anno Neun. Allen voran Michael Pfurtscheller, der hochverdiente Pionier der Fulpmer Eisen-Industrie. Neben ihm zeichnete sich auch Josef Lener, der Badwirt von Mieders, einem anmutigen Dorf am Fuße der Serlesspitze, durch Umsicht und Patriotismus aus.

I. Josef Cupertin Lener war in Mieders am 15. September 1775 als Sohn des Wirtes Franz Lener und der Gertraud Lener geb. Reinisch geboren. Sein Vater Franz (geb. 1742, gest. 23. Juni 1828) hatte, den Sohn als Oberjäger an der Seite, mit den Stubaiern schon 1796 und 1799 an den Kämpfen gegen die Franzosen teilgenommen und für seine Tapferkeit am 28. Mai 1801 die große silberne Tapferkeitsmedaille erhalten. Josef Lener hat uns eine interessante Schilderung des Gefechtes am 22. April 1799 am Fimbajoch überliefert (abgedruckt bei Moriggl's Franzosen-Einfall, Seite 85). Im Jahre 1806 übernahm Josef das Gasthaus „Zur Post" in Mieders (auch „Badwirtshaus") samt dem dazu gehörigen Heilbad und sah sich nun nach einer Lebensgefährtin um, die er in einer entfernt Verwandten, der Maria Therese Lener (geb. um 1778), Tochter des Posthalters am Brenner, Johann Lener (geb. 1750) und dessen Gattin, Maria Lener geb. Hofer (aus Freienfeld) fand, mit der er sich am 14. Juli verehelichte. Josef Lener stammte aus dem Miederer-Zweige der mehrere Jahrhunderte am Unteren Schönberg sesshaften Wirtsfamilie Lener. Im Jahre 1809 wählte man den in Mieders hochangesehenen Josef Lener zum Ortsvorsteher und Scharführer (Hauptmann) der Miederer Schützenkompagnie.

Voll Kriegsbegeisterung zog Lener ins Feld, sammelte als Schutz-Mann (Delegierter der Schutzdeputation) für das Gericht Stubai in Mieders eine Schützenkompagnie, zog mit seinen Getreuen auf den Schönberg und hielt dort am 14. April 1809 auf einem großen Weinfass stehend eine feierliche Rede an das kampflustige Volk. Diese merkwürdige Szene wurde später in einem in Innsbruck hergestellten Tarockspiel auf einer Spielkarte dargestellt. Lener warf mit seiner Truppe die gegen den Berg Isel vorrückenden Feinde gegen die Stadt Innsbruck zurück und trug so zur Befreiung Innsbrucks am 13. April viel bei.

Nach dem Einzug des Fürsten Wrede in Innsbruck am 19. Mai befahl dieser den Innsbruckern, eine Deputation zum König Max Josef nach München zu entsenden, an der auch unser Lener als Deputierler des Bauernstandes teilzunehmen hatte; am 21. Mai ging Lener über Kufstein nach München ab. Nach der Audienz beim König wurden die anderen Deputierten entlassen, nur den Lener behielt man zurück. Lener hatte Pech. An seine Münchener Adresse war tags vorher ein Schreiben des Deputierten Josef von Stolz-Latschburg aus Schönberg mit der Post eingelaufen, das die Polizei eröffnete und dem König überreichte. In dem Schreiben teilte der unvorsichtige Absender dem Lener mit, dass für Tirol wieder ein „günstiger Wind wehe" und Andreas Hofer mit seinen Scharen über den Brenner gegen Innsbruck vorrücke (24. Mai). Der König, der eben die Versicherung vollster Unterwerfung von der Tiroler Deputation entgegengenommen hatte, war höchlichst überrascht über diese Meldung und stellte den ahnungslosen Lener darob zur Rede. Nur mit Mühe konnte sich der verlegene Lener, den die Mitteilung zwar herzlich freute, aber im gegenwärtigen Augenblicke recht ungelegen kam, vom Verdacht einer Mitwisserschaft an dem neuen Aufstand reinigen.

Lener wollte nach dieser peinlichen Audienz so rasch als möglich wieder nach Innsbruck zurückkehren, zumal er bei der überhasteten Abreise aus Innsbruck für sein Hauswesen in Mieders nicht vorgesorgt hatte und sich sogar fremde Wäsche ausborgen musste. Man stellte ihn aber unter strenge Polizei-Aufsicht und wies ihn an den Minister Max Grafen Montgelas, der dem Lener mitteilte, dass die Tiroler (29. Mai) Innsbruck neuerlich befreit hätten. Montgelas gab ihm aber doch den gewünschten Pass, mit dem er von München über Weilheim (Oberbayern) durch die Hauptquartiere der Korps des Obersten Grafen Max Arco (geb. 15. Jänner 1772, gefallen 12. August 1809 in Heiligkreuz bei Schwaz) und des Generals Erasmus Grafen Deroy bis Mittenwald glücklich durchkam. In Mittenwald stieß er bereits auf Tiroler Vorposten, die zum größten Teile aus Stubaiern bestanden, daher ihren engeren Landsmann mit Jubel empfingen und nach Scharnitz weitergeleiteten. Aber der dortige österreichische Festungskommandant Hauptmann Friedrich Doubrawa von Doubrawaik hielt den Lener für einen Spion oder Überläufer und übergab ihn der Wache, die ihn an die Hauptwache nach Innsbruck zu eskortieren hatte. In Innsbruck fuhr Lener am 14. Juni 1809 mit „heiterer Miene und blasendem Postillon" — wie der Chronist Anton Knoflach meldet — ein, wurde von dem Intendanten Josef von Hormayr empfangen, aber nach einer Stunde durch einen österreichischen Offizier nach Brixen zum General Ignaz Josef von Buol-Bernberg abtransportiert. Lener, ein kreuzbraver einfacher Mann, war über diese merkwürdige ganz unverdiente Behandlung sehr betroffen und beschwerte sich bei der Durchfahrt durch Schönberg bitter bei seinem Freunde Elias Domanig, der schleunigste Abhilfe versprach. Unsern Lener zog es nach seinem von Schönberg nur eine halbe Stunde weit gelegenen Hause, aber die Estorte gab ihm keinen Urlaub und noch in der Nacht gings nach Brixen weiter. Domanig aber eilte mit einigen einflussreichen Männern des Gerichtes Stubai zu Hormayr nach Innsbruck und erklärte dort kategorisch, wenn Lener nicht binnen drei Tagen nach Hause entlassen würde, alle Stubaier Kompagnien von ihren Stellungen abberufen würden. Diese Streikdrohung nützte! Hormayr eilte selbst nach Brixen, wo Lener schon drei Tage ohne Verhör in einem engen Zimmerchen eingesperrt und von vier Mann scharf bewacht war. Am 4. Tage wurde Lener endlich vor den General Buol gerufen, in dessen Gesellschaft sich auch Hormayr befand, der den „Staatsgefangenen" gleich zum — Frühstück einlud. Der ehrliche Lener wies aber das Frühstück zurück und bestand auf die Ausstellung einer Erklärung, dass er unschuldig arretiert worden sei. Hormayr gab ihm das gewünschte Attest in Form einer offenen Ordre (Brixen, 17. Juni 1809) und entschuldigte sich, dass nach Kriegsgebrauch die durch feindliche Stellungen gegangenen Personen über ihre Wahrnehmungen dem militärischen Oberkommandanten Bericht zu erstatten hätten und Lener daher zwangsweise zu Buol geführt werden musste. Am 18. Juni war Lener wieder daheim in Mieders.

An der großen Berg-Isel-Schlacht (13. August) nahm Lener als Hauptmann der Miederer und Schönberger Sturmkompagnie (87 Mann) im Zentrum teil. Das Lener-Haus in Unter-Schönberg war kurze Zeit auch das Hauptquartier Andreas Hofers. Am 29. Oktober forderte Lener den Schützenhauptmann Michael Pfurtscheller im Namen der Stubaier Gemeinde-Vorstehungen auf, die streitbare Mannschaft wegen des Friedensschlusses nach Hause zu schicken, jedoch am 1. November 1809 rückte sie wieder aus und Lener nahm mit 115 Mann der Miederer Kompagnie an der letzten Berg-Isel-Schlacht teil.

Michael Pfurtscheller (geb. 29. September 1776 in Fulpmes, gest. daselbst 3. Februar 1854) war ein Schwager Leners, dessen Schwester Anna Lener seit September 1805 mit Pfurtscheller verheiratet war. Lener war auch mit Elias Domanig (1755 bis 1830), Josef v. Stolz und J. I. Straub (1773 bis 1850) verwandt, da eine Maria Lener von Unterberg (1740 bis 1803) die Schwiegermutter der drei Genannten war.

Nach Kriegsende widmete sich Lener wieder seinem Wirtsgeschäfte und brachte Mieders als Sommerfrische der Innsbrucker und als Wallfahrtsort (das Gnadenbild der Waldrast war vom 21. November 1785 bis 2. Juli 1846 in Mieders) zu hoher Blüte. Seine Frau schenkte ihm dreizehn Kinder, von denen Elisabeth (geb. 9. Oktober 1812) am 5. Juni 1837 den berühmten Glockengießer Johann Nepomuk Graßmayr (geb. 16. Mai 1801 in Habichen-Ötztal, gest. 4. April 1883 in Wilten) in Wilten ehelichte. Josef Lener hat als „Glockenbettler", wie er sich selbst nannte, in Mieders das Geld für ein komplettes neues Geläute bis 26. März 1839 gesammelt, das sein Schwiegersohn dann lieferte. Lener verbrachte die letzten Lebenstage bei seinem Schwiegersohn in Wilten, wo er im Hause Wilten Nr. 22 als „Witwer" und „Privater", 85 Jahre alt, am 6. Dezember 1859 das Zeitliche segnete. Der wappengeschmückte Grabstein am alten Wiltener Friedhof ist nicht mehr vorhanden. Sein Porträt hängt in der Heldengalerie (Speckbacher-Saal) des Berg-Isel-Museums (als Nr. 48).

II. Josefs jüngerer Bruder war Jakob Lener, geboren am 20. Juli 1785 in Mieders. Während der Bruder Josef Lener die väterlichen Güter bekam und der Brüder Anton Georg Lener durch Heirat das Wirtshaus „Zum weißen Kreuz" in Innsbruck übernahm, widmete sich Jakob dem Kaufmanns-Stand. Jakobs Vater Franz hatte eine Schwester, Elisabeth Lener, die den Vater des Kaufmannes Simon Josef Kapferer ehelichte. Jakob wurde nun Buchhalter bei seinem Vetter Simon Kapferer (Oberrauch-Haus in Wilten, damals Unterer Dorfplatz, jetzt Leopoldstraße 35). Lener rettete am 12. April 1809 durch seine Geistesgegenwart bei den Straßenkämpfen in Wilten viele zersprengte Tiroler vor dem sicheren Tode, indem er sie in dem Hause seines Chefs versteckte. Der am Morgen des 13. April 1809 in Innsbruck einleitende französische General Graf Peter Bisson stieg bei Kapferer ab, wo ihn der der französischen und italienischen Sprache mächtige Lener empfing. Der General bat Lener, ihm ein gutes Glas Wein zu verschaffen. Lener holte eine Flasche aus dem Keller seines Herrn, füllte zwei Gläser und trank selbst aus einem auf die Gesundheit des französischen Generals, welcher darob sein Wohlgefallen äußerte und das andere Glas leerte.

Jetzt erst meldete Lener dem zu Tode erschrockenen General die Niederlage der Truppen und die Gefangensetzung des Generals Georg Freiherrn von Kinkel. Bisson ersuchte nun den Lener, den Oberstleutnant Dominikus Wreden (geb. 1766, gefallen 19. August 1812 in Russland, nicht zu verwechseln mit dem Fürsten Karl Wrede) in die Stadt zu begleiten, was Lener auch tat. Als Bisson die Berichte Leners über Kinkels Los bestätigt fand, bat er den Buchhalter, die Kapitulationsverhandlungen einzuleiten. Der brave Lener nahm einen Trompeter und eine weiße Fahne und teilte seinen Landsleuten die schmähliche Waffenstreckung der Franzosen mit. Dann begleitete er den General als Gefangenen der Tiroler in die Stadt. Im Oktober 1809 reiste Lener als Vertrauter Andreas Hofers zum österreichischen Gesandten Franz Alban Schraut in die Schweiz (Bern), um Unterstützungsgelder für die Tiroler zu holen, kam aber mit leeren Händen am 10. November in das Sandwirtshaus in Passeier zu Hofer zurück.

Nach Friedensschluss übernahm Jakob Lener ein Geschäft in Brixen, das er aber infolge von Verlusten, die er durch den Konkurs eines Schuldners erlitt, nicht halten konnte. Daher übernahm er schließlich die Stelle eines Buchhalters in der Alois Mayer'schen Farbenfabrik in Wilten. Er war mit Notburga Maria Graßl, der Schwester des Großkaufmannes und Magistratsrates Franz Graßl vermählt. Jakob Lener schrieb eine „Gründliche und unverfälschte Darstellung der Kapitulation von Wilten am 13. April 1809", erhielt eine kaiserliche Gnadengabe von 300 fl., beteiligte sich als „Privater und Veteran" im Jahre 1840 noch an der Gründung des Veteranen-Vereines in Innsbruck und starb im Graßl'schen Hause, Innsbruck, Hofgasse, 55 Jahre alt, an Schlagfluss am 14. Jänner 1841. Sein schmiedeisernes Grabkreuz am alten Wiltener Friedhof ist heute noch erhalten.

Anton Georg Lener (geb. 8. April 1788 in Mieders), Jakob Leners jüngerer Bruder, war, wie erwähnt, Besitzer des Gasthofes „Zum weißen Kreuz" in Innsbruck (heute Herzog Friedrichstraße 31), in dem Andreas Hofer in der ersten Hälfte des Juni 1809, als er noch nicht in der Hofburg residierte, wohnte und in dem sich auch im Mai und Juni 1809 der Sitz der Bauern-Schutzdeputation befand. Anton Lener war auch Fuhrwerker und besorgte am 18. Dezember 1840 den schwierigen Transport der 112 Zentner schweren größten Innsbrucker Glocke aus der Graßmayrschen Glockengießerei zum nördlichen Turm der Stadtpfarrkirche. Unter riesigem Volkszulauf wurde das Ungetüm auf einem mächtigen, grün gestrichenen, festlich geschmückten, blumenbekränzten sechsspännigen Güterwagen durch die Stadt gezogen. Dasselbe Schauspiel vollzog sich beim Lener'schen Transport der großen Glocke für den nördlichen Pfarrturm am 4. September 1846.

Maria Katharina Lener (geb. 5. April 1777), Jakobs Schwester, war mit dem Gastwirt Tiefenthaler aus der bekannten Tiroler Wirtsfamilie vermählt und dadurch auch mit der Innsbrucker Wirtsfamilie Ortner („Roter Adler") verwandt.

So haben sich die Brüder Lener, Josef und Jakob, durch ihre Taten, der eine als Sturmhauptmann, bei andere bei der denkwürdigen April-Kapitulation im Jahre 1809 ein Lorbeerblatt im Ehrenbuche Tirols erworben.



Quelle: Granichstaedten-Czerva Rudolf, Andreas Hofers alte Garde, Innsbruck 1932, S. 309 - 313.

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.