Maria Anna Jäger


von Rudolf Granichstaedten-Czerva

Das Tiroler Volk nennt in seiner Geschichte mit Stolz eine Reihe berühmter Frauen, die den Männern an Tapferkeit nicht nachstanden und Proben großen Heldenmutes zeigten. Die Verzweiflung der Bevölkerung über die Unterdrückung durch fremde Eroberer teilte sich auch den Frauen mit und drückte ihnen den sonst ungewohnten Stutzen in die Hand.

Anna Jäger 1809
Anna Jäger 1809

Wir bringen die Reproduktion eines alten Ölbildes, das eine Gruppe von vier Personen darstellt. Von links nach rechts: ein Schütze, den Stutzen kolbenhoch auf der Schulter tragend (Josef Hell, Bildhauer, geb. 23. August 1789 in Vomp, gest. 22. Mai 1832 in Schloss Tirol), eine Frau mit zylindrischem Hute, links aufgekrämpt, rechts mit einem Federbusch versehen, die rechte Hand auf die Mündung eines Gewehres gestützt; dann Andreas Hofer mit einer Papierrolle in der Hand und als letzter Josef Speckbacher in Majorsuniform mit gezogenem Säbel. Diese seltsame Gruppe dürfte vielleicht von der Hand der Malerin Anna Moser (geb. 1758, gest. 1838 in Schwaz) stammen. Am interessantesten ist die Frauengestalt, deren Name uns die Inschrift „Anna Jäger 1809" verrät.

Maria Anna Jäger, genannt Lebzelter-Mariandl, geboren in Schwaz um 1780, war ein kampfeslustiges Mannweib, mischte sich in die Reihen der Landesverteidiger, nicht bloß um Verwundete zu pflegen, sondern um auch beim Gefechte tapfer mitzuhalten. Ihre Kampfbegierde ging so weit, dass sie bei der Haller Brücke einen feindlichen Soldaten von rückwärts um den Leib packte und in den reißenden Strom schleuderte. Nicht genug, dass sie mit sicherer Hand bald darauf einen feindlichen Offizier vom Pferd herunterschoss, drückte sie das Gewehr nicht früher ab, als bis sie den Feind auf hundert bis hundertfünfzig Schritte vor sich hatte. Wann aber saß jeder Schuss.

So kämpfte sie immer unter Speckbacher während des ganzen Feldzuges 1809 und ließ sich schließlich von Anton Dominik Aschbacher am 4. November 1809, dedato Schönberg, ein Zeugnis ausstellen, dass „sie mit unglaublicher Tapferkeit jederzeit kämpfte, mehrere Feinde selbst erlegte und sich dabei immer nüchtern, gehorsam und tätig bewies".

Die Legende erzählt, dass Anna Jäger indirekt die Schuld an dem schrecklichen Brand von Schwaz (15. Mai 1809) gehabt habe. Am Eingang der Stadt Schwaz, in der Nähe des Hirschenwirtshauses, in St. Martin bei Schwaz, erschien am 14. Mai 1809 ein französischer Parlamentär, den die Mariandl, hinter einer Mauer versteckt, kurzerhand über den Haufen schoss. Dieser Völkerrechtsbruch war das Signal für die Einäscherung des Ortes durch die darüber aufgebrachten Bavarofranzosen. Der General Fürst Wrede wollte ursprünglich den Ort verschonen, aber, durch den Übereifer der Mariandl in Wut versetzt, ließen sich die Soldaten nicht mehr zügeln.

Neben dieser Kriegslust fand Anna Jäger auch großen Gefallen am Kartenspiel, Tanzen und — Ranggeln; doch wurde sie auch wegen ihres Gerechtigkeitssinnes oft zur Schlichtung von Streitigkeiten unter Männern herangezogen. Hierbei flößte ihre Körperkraft und ihre Energie, mit der sie die Unfolgsamen gleich an die Luft setzte, auch den Männern den größten Respekt ein.

Anna Jäger war ebenso tüchtig im Schießen wie im — Tabakrauchen. Sie wohnte in Schwaz in der Tannenberg- (heute Schul-) Gasse. Das früher genannte Bild war um 1900 noch im Besitz einer Frau Vogel in Schwaz, ging dann durch Kauf in das Eigentum des Prof. Josef Weber in Schwaz und von diesem an die Stadtgemeinde Schwaz über. Wo und wann die Lebzelter Mariandl, die vielleicht mit dem Schwazer Lebzelter Nikolaus Lergetporer in irgendeiner Verbindung stand, starb, konnte bisher nicht erforscht werden, vielleicht war sie eine Verwandte des berühmten Historikers Albert Jäger (gest. 1891), der ebenfalls ein Schwazer (geb. 8. Dezember 1801) war.



Quelle: Granichstaedten-Czerva Rudolf, Andreas Hofers alte Garde, Innsbruck 1932, S. 417 - 419.

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.