Priester Joseph Danej, der verkannte Patriot von 1809


Von Josef Steiner

Joseph Danej, Feldkaplan und Vertrauter Andreas Hofers, war bald nach dessen Gefangennahme in den Verdacht gekommen, am Verrate Hofers beteiligt gewesen zu sein. Trotz der glaubwürdigsten Gegenbeweise blieb sein Name, vollständig zu Unrecht, bis in unsere Zeit geschmäht und verdächtigt. Sein 120. Todestag am 19. Mai 1946 gibt die erwünschte Veranlassung, die volle Schuldlosigkeit dieses verdienten, aber lange in den Kot gezerrten Priesters neuerlich aufzuzeigen und vollständig zu erweisen. Zuerst sei kurz sein Lebenslauf geschildert.

Josaph Danej (auch Daney, Donay u. a.) wurde am 9. Mai 1782 als Sohn des wohlhabenden Seilermeisters Jakob Danej in Schlanders (Vinschgau) geboren. Der Vater ließ den Jungen am Gymnasium der Benediktiner in Meran studieren. Schon im Jahre 1799 war er Leutnant bei der Landesverteidigung, trat hernach in den Kapuzinerorden, den er bereits nach 8 Monaten verließ. Er begab sich zum Studium der Theologie nach Rom, wurde am 26. Dezember 1805 dort zum Priester geweiht und als Katechet angestellt. Nach der Kapitulation von Ulm verhalf er vielen österreichischen Kriegsgefangenen in Rom zur Flucht und wurde deshalb von den Franzosen verfolgt. Der berühmte Maler Josef Anton Koch, der sich dabei selbst in Gefahr brachte, gab ihm einen ganzen Monat Unterschlupf. Mit einem päpstlichen Pass reiste Danej als Giuseppe Gaetano anfangs November 1806 nach Tirol. Hier erhielt er in seiner Heimat einen Kooperatorposten.

Durch die Empfehlung des bayrischen Bischofs und späteren Kardinals Häffelin erhielt er die vom bayrischen Hofe abhängige Kaplanei Loretto. Da er aber die Stelle nicht sogleich antrat, wurden ihm die Bezüge gesperrt. Deshalb begab er sich im Februar 1809 über Innsbruck nach München. Wegen des bevorstehenden Krieges mit Österreich schenkte man ihm aber kein Gehör und er musste unverrichteter Dinge zurückkehren. Bei seinem Taufpaten, Appellationsrat Josef Joh. v. Peer, fand er in Innsbruck gastliche Aufnahme. Seine persönliche Anteilnahme an den bald folgenden Ereignissen des Jahres Neun hat Danej in seinen Erinnerungen aufgezeichnet, die unter dem Titel „Der Tiroler Volksaufstand 1809" erschienen sind (Hamburg, Gutenberg-Verlag, 1909). Soweit es zum Verständnis notwendig war, sind sie in den folgenden Ausführungen kurz gestreift.

Seit 1810 wirkte Danej durch mehrere Jahre wieder weiter in der Seelsorge zu Schlanders. 1811 wurde er als Lehrer der italienischen Sprache am Gymnasium in Meran vom Subrektor P. B. Raas angestellt. Aber die bayrische Schulbehörde in Innsbruck war damit nicht einverstanden, weil sie Verdacht schöpfte, dass Joseph Danej „der nämliche sei, der an der Insurrektion im Jahre 1809 tätigen Anteil genommen hat und der innige Vertraute des Insurgentenchefs Andreas Hofer war" (Tiroler Anzeiger 1908, Nr. 135, S. 4). Bei dem Tumulte in Innsbruck, der im Dezember 1813 eine verfrühte, gewaltsame Loslösung Tirols von Bayern bezweckte, wies Danej die Empörer energisch zur Ruhe und half mit, aufständische Rotten zu zerstreuen. Ebenso trat er im Jänner 1814 als Friedensprediger in Meran auf, wurde sogar mit anderen Friedensstiftern verhaftet, aber bald wieder freigelassen. Zu seiner Sicherheit begab er sich nach Salzburg, später in die Schweiz und kehrte erst längere Zeit nach der Übergabe Tirols an Österreich in sein Vaterland zurück. Er diente wieder an verschiedenen Orten als Kooperator, hielt aber nie lange aus. Einige Jahre war er Hofmeister der Söhne des Stadt- und Landrechtspräsidenten v. Peer, verließ diese Stellung 1823 und errichtete in Wilten ein Studentenkonvikt. Dabei schwand der Rest seines väterlichen Erbteils. Vermögenslos und kränkelnd fand er beim Pfarrer von St. Pauls liebevolle Aufnahme. Nach langem Leiden starb er dort am 19. Mai 1826.

Wie nun einleitend erwähnt wurde, hat man Danej mit dem Verrate an Hofer in Verbindung gebracht und immer kehrt diese Behauptung wieder. Schon Danej selbst hat gegen diesen Vorwurf Stellung genommen und ließ das Zeugnis, das General Baraguay d'Hilliers ihm ausstellte, in der „Innshrucker Zeitung" Nr. 36 vom 2. Mai 1810 abdrucken. Es bezeugt, „dass Joseph Danej, Priester von Schlanders, an den Anzeigen, welche den Aufenthalt des Hofer und seiner Familie entdecket, nicht den geringsten Anteil habe." Trotzdem bezeichnet der Oberintendant Jos. Hormayr in seiner „Geschichte Andreas Hofers" Danej als den Verräter und einen gewissen Raffl nur als Werkzeug, dessen sich jener bedient habe. Ebenso hält Hormayr an dieser Behauptung fest in dem Briefe an Erzherzog Johann, d. d. Brünn, 17. Dez. 1816 (Krones, Aus Österreichs stillen und bewegten Jahren, Innsbruck 1892, S. 397 f.). Alle Geschichtswerke schrieben nun Hormayr, der ja zu den führenden Männern des Jahres Neun zählte, diese Angabe blindlings nach. Sie berücksichtigten nicht, dass Hormayr durch seine unverdiente Haft auf dem Spielberg die Verdienste vieler Männer des Tiroler Volksaufstandes herabzusetzen, ja ins gerade Gegenteil zu zerren suchte. So kam es, dass selbst Hofers Enkel, Karl v. Hofer, noch 1849 an Anton Peternader schrieb: „P. Donaj ist jedenfalls der Verräter, indem er dem Knecht Raffl den Versteck bekannt machte. Er ist der Judas meines Ahnen" (Wiener Zeitung vom 25. März 1902.).

Dagegen schrieb zuerst Jos. Rapp in seinem Werke „Tirol im Jahre 1809": „Wir haben über Hofers Entdeckung und Gefangennehmung im Tale Passaier selbst Erkundigungen eingezogen und von Hofers Vertrauten — Andreas Ilmer — die bestimmte Auskunft erhalten, dass Joseph Raffl (richtig Franz R.) Hofers Verräter war."

Egger weist in seiner „Geschichte Tirols" darauf hin, dass Danej auf die Kunde von Hofers Gefangennehmung sofort nach Bozen geeilt sei, um Hofers Rettung, für den er schon vorher bei Baraguay d'Hilliers eingetreten war, nochmals zu versuchen.

Verschiedene bedeutende Männer, wie Joh. J. Staffier, Franz Krones, vorzüglich aber Wladimir Kuk, setzten sich für Danejs Ehrenrettung ein. Kuk hat in mehreren Aufsätzen, besonders ausführlich in der „Wiener Zeitung" von 1902, Nr. 70, unter dem Titel „Andreas Hofer und Joseph Danej", für diesen warm Partei ergriffen. Er beantwortet die Frage: „Konnte Danej überhaupt an Hofer zum Verräter werden?" aus dem Charakter Danejs und aus seinem Anteil an den Kriegsereignissen im Jahre 1809. Die Beweisführung Kuks sei hier kurz wiedergegeben.

Joseph Danej war ein Mann von hervorragender geistiger Bildung und bedeutender wissenschaftlicher Begabung. Er beherrschte die italienische und französische Sprache vollkommen und zeichnete sich durch glänzende Beredsamkeit aus. Danej war sehr ehrgeizig, aber auch voll Mut und Entschlossenheit. Obzwar er sehr geneigt war, sich hervorzutun, war doch Rechtschaffenheit der Grundzug seines Charakters.

Danej machte die persönliche Bekanntschaft Hofers in der Hofburg, als er für den Appellationsrat v. Peer um einen Pass ansuchte. In Hofers Auftrag ritt Danej nach dem unglücklichen Gefecht von Melleck am 16. Oktober ins Unterinntal, um die Landesverteidiger bei Rattenberg zu sammeln. Wegen der Unentschlossenheit der Leute war dies nicht mehr möglich. Am 21. Oktober hatte Hofer die Stadt Innsbruck verlassen, während Wrede vom Unterinntal her vorrückte. Unter den zur Zügellosigkeit geneigten Landstürmern war schon der Wunsch laut geworden, die Stadt zu plündern, damit den Bayern nichts übrig bleibe. Danej gelang es, durch die Wucht seiner Rede und durch sein bestimmtes Auftreten, die Landesverteidiger auf den Berg Isel zu bringen.

Bei der letzten Schlacht am Berg Isel war Danej unter den Kämpfern und begab sich nach dem unglücklichen Ausgang mit Major Sieberer nach Matrei. Hofer dachte nun an Unterwerfung, doch Haspinger hinderte ihn daran. Der Abgesandte des Vizekönigs Eugen an Drouet wurde abgefangen. Danej wurde zu Hofer als Dolmetsch nach Steinach geholt. Er erkannte aus der aufgefangenen Depesche den Ernst der Lage. Es gelang ihm im Verein mit Sieberer, Hofer zur Unterhandlung zu bewegen. In einer Versammlung vieler Deputierter wurde die Unterwerfung an den Vizekönig von Italien beschlossen. Danej und Sieberer wurden mit zwei Briefen, von ersterem abgefasst, worin die Tiroler sich des Vizekönigs Gnade empfehlen, an diesen nach Villach geschickt und aufs beste aufgenommen. Danej brachte die Anliegen der Tiroler vor, beantwortete mehrere Fragen gewandt und freimütig und bat um einige Pässe, dass Abgeordnete des Volkes selbst ihre Wünsche und Beschwerden vorbringen könnten. Schon am nächsten frühen Morgen erhielten sie ein gnädiges Handschreiben an Hofer und 20 Reisepässe.

Hofer hatte sich inzwischen wieder unter dem Einflusse seiner fanatischen Umgebung für den Krieg erklärt und in manchen Tälern flammte neuerdings der Aufstand auf. Da kamen die Abgesandten zurück, sie trafen Hofer in Sterzing. Danej, der jetzt bei der vollen Aussichtslosigkeit des Kampfes durchaus für den Frieden gewonnen war, beredete Hofer bald, den Widerstand aufzugeben. Hofer bat ihn, in seinem Namen alle Verfügungen zu treffen, wodurch das Volk zur Ruhe bewogen werde. Danej diktierte darauf mehreren Schreibern den Aufruf des abtretenden Oberkommandanten, worin Hofer die Richtigkeit des Friedens zwischen Österreich und Frankreich bestätigte und zur Niederlegung der Waffen aufforderte.

Noch am gleichen Abend stieg Danej auf den Jaufen, um die Abdankung Hofers und die Einstellung der Feindseligkeiten in Meran und im Vinschgau bekanntzugeben. Er übergab Hofers Aufruf der Kommandantschaft in Meran, welche ihn im ganzen Bezirke verlautbarte. Doch entstand bei der Ablieferung der Waffen in Meran ein gewaltiger Auflauf, der noch erregter wurde, als ein Bote mit einem neuen Sturmaufgebot Hofers erschien. Danej, der aufklären und den Aufruf zurückweisen wollte, entging nur mit Mühe den Misshandlungen der erregten Menge.

Durch nächtliche Flucht gelangte er in die Heimat. Dort ging es ihm noch schlimmer. Eine offene Ordre des Sandwirts hatte auch hier zu neuer Erhebung aufgefordert, dabei hieß es noch, ein Geistlicher habe Hofer verraten. Die eigene Mutter nannte Danej einen Seelenverkäufer.

Unter Todesdrohungen hatten Fanatiker von Hofer in seinem Hause ein neues Aufgebot erzwungen; so wurde an vereinzelten Stellen ein neuer Brand entfacht. Die zwar nicht hervorragenden, aber doch nicht unbedeutenden Erfolge der nächsten Tage bestärkten Hofer in seinem Entschluss zur Fortsetzung des Kampfes. Sie weckten aber auch in ihm den Verdacht, dass Danej und Sieberer, die ihn zur Abdankung bewogen, die wahre Lage der Dinge verschwiegen hätten. Deshalb ließ er beide verhaften. Im Gemeindearrest von St. Martin trafen sich die beiden Todeskandidaten, Danej und Sieberer, wieder. Danej war voll Mut. Von Saltaus, wo er zuerst eingesperrt war, schrieb er an Hof er: „Es sind bereits mehrere Tage, dass ich auf Eure Verordnung und auf Eure Spesen sitze. Ich habe dessen bald genug... In Saltaus bleibe ich nicht mehr länger. Sie sollen mich totschießen . . . " Das Dazwischenkommen einer französischen Brigade rettete beide vom sicheren Verderben.

Danej ging unter vielen Gefahren nach Vinschgau. Er veranlasste in Schlanders eine große Ausschußversammlung, welche volle Unterwerfung und Entlassung der Gefangenen beschloss. An der Spitze einer Abordnung erreichte Danej bei General Baraguay d'Hilliers die Zusage, Vinschgau mit Belegung von Truppen zu verschonen. Als aus dem Vinschgau die Gefangenen eintrafen, entließ der General auch alle gefangenen Bauern und zog die Besatzung zurück.

Die Bemühungen Danejs zur Aufrechterhaltung der Ruhe haben ihn bei einem Teil seiner Landsleute in den Verdacht des Vaterlandsverrates gebracht und dieser wurde noch verstärkt durch den Verkehr mit Baraguay d'Hilliers. Der leutselige und edelgesinnte General war bestrebt, die Ruhe und Ordnung ohne Blutvergießen herzustellen. Zu diesem Zwecke setzte er sich mit friedlich gesinnten Menschen, darunter auch mit Danej, in Verbindung. Auf dessen Bitte sandte Baraguay d'Hilliers an Hofer eine schriftliche Versicherung, sich für ihn beim Vizekönig zu verwenden, wenn er sein Tal zur Ablieferung der Waffen und zur Ruhe bestimmen und sich selbst stellen würde. Doch der Sandwirt hoffte noch immer auf eine günstige Wendung der Dinge, auch traute er den Versicherungen des Generals nicht. Nach Hofers Gefangennahme sprach Danej nochmals bei Baraguay d'Hilliers für ihn vor, diesmal freilich vergebens. Danej setzte sich dann noch mit Andreas Ilmer, einem Vertrauten Hofers, in Verbindung, um von Wien aus bei Napoleon eine Rettung zu erwirken. Leider war der Sandwirt in Mantua bereits erschossen, als Metternichs Schriftstück an den österreichischen Botschafter v. Schwarzenberg in Paris einlangte. Nach dem ganzen Verhalten kann also Danej unmöglich Hofer verraten haben. Kuk schließt seine Ausführungen: „Möge die an Danejs Namen geknüpfte historische Lüge endlich aus unseren Geschichtsbüchern verschwinden!"

Dennoch schrieb 1909 im Maiheft des „Scherer" eine Johanna Vellhorn unter dem Titel „Der Pfaffe Donay" einen leidenschaftlichen Artikel, gespickt mit geschichtlichen Unrichtigkeiten, in denen sie Danej als den bösen Genius und Verräter Hofers brandmarkt. Als Quelle führt sie die „Geschichte der Deutschen" von Joh. Sporschil an, die 1852 zu Regensburg erschienen ist. Ausgerechnet Sporschil, der 1800 in Brunn geboren wurde, Rechtswissenschaft studierte, sich lange Zeit in Leipzig und Braunschweig aufhielt, muss als Gewährsmann dienen! Mit Danej sollte zugleich die gesamte Geistlichkeit getroffen werden, wenn sie zum Schlusse schreibt: „Geschickt hat die allmächtige Klerisei die Spur des Verräters Donay abgeschnitten, verlegt, auf den eingeschüchterten Raffel überwälzt. Anlässlich der Jahrhundertfeier aber soll die Überbürde der Schuld von jenem genommen und aller Fluch auf den geladen werden, auf den Pfaffen Donay, der ihn verdient."

Hätte aber noch der geringste Zweifel über den Verräter Hofers bestanden, so wäre er durch die ausgezeichnete Arbeit des Herrn Hofrates Dr. K. Klaar: „Franz Raffl, der Verräter Andreas Hofers", Innsbruck 1921, beseitigt worden.

Lassen wir Raffl selbst das Wort. In einem Majestätsgesuch an den König Max Josef von Bayern, unter dem 4. März 1812, führt er aus: „Mit Treue und Klugheit habe er ausschließlich ganz allein den Rebellen-Chef Sandwirth Hofer ausgehoben . . . "(a.a.O. S. 29) und in einem neuerlichen Majestätsgesuch vom 27. März 1823 schreibt er: „Nicht dieses Betrages wegen (der auf Hofers Kopf ausgesetzt war), sondern aus Liebe für Bayern habe ich den heimlichen Aufenthaltsort des Hofer entdeckt " (a.a.O. S. 31) - Somit hat Raffl nicht nur seinen alleinigen Verrat eingestanden, sondern sich geradezu damit gebrüstet. Wenn also nochmals jemand den zweifelhaften Mut aufbringen sollte, Danej als Verräter Hofers zu bezeichnen oder mit dem Verrate in Verbindung zu bringen, so hat er bewusst gelogen.

Danejs Verdienste überwiegen in reichem Maße die wohl angeborene Ruhmredigkeit und sein Geltungsbedürfnis, welche abträgliche Eigenschaften ihm vielfach zum Vorwurf gemacht wurden. Darum ist es Pflicht des Landes Tirol, endlich die Ehrenschuld an einem Manne abzutragen, der voll Eifer seine ganze Kraft zum Wohle seiner Heimat einsetzte und dafür mit gemeinster Verdächtigung belohnt wurde.



Quelle: Josef Steiner, Priester Joseph Danej, der verkannte Patriot von 1809, in: Der Schlern, Zeitschrift für Heimat- und Volkskunde, 21. Jahrtgang, 1947, S. 148 - 151.

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.