Schäden durch die bayerischen Truppen 1809 im Dorf Ebbs


von Herbert Sandner

In den Tiroler Heimatblättern 3/1988 ist eine Abhandlung und Zusammenstellung über Schäden durch bayrische Truppen 1809 im Dorf Ebbs veröffentlicht, Schäden, die vom 12. Mai bis 15. Juli 1809 angerichtet wurden und zweifellos ein trauriges Kapitel in der Landesgeschichte darstellen.

Bekanntlich sind jedoch selten Wirkungen ohne entsprechende Ursachen zu verzeichnen.

Ich möchte daher ergänzend und in knappen Zügen auf vorausgehende, nicht minder beschämende Vorfälle hinweisen, die im Jahr 1809 leider sehr viel zu den Übergriffen des Militärs im Raum Großachen- und Leukental sowie im Bereich von Kufstein beitrugen. Denn dort hatte man die Folgen schweren Fehlverhaltens von Tirolern im südlichen Bayern auszubaden.

Die im Frühjahr 1809 gelungene Erhebung - mit bei solchen Umstürzen fast immer und überall einhergehenden Übergriffen - weckte ohne Zweifel bei unseren Nachbarn Revanchegelüste. Vollends im Willen bestärkt, es den Tirolern heimzuzahlen, wurden die Bayern jedoch durch folgende traurige Ereignisse: Der einen knappen Monat später im Treffen bei Wörgl schwer geschlagene Feldmarschalleutnant Chasteler (sein taktisches Unvermögen und seine Ignoranz bescherte den österreichischen Bataillonen und Batterien, vor allem aber den ebenfalls eingesetzten Schützen furchtbare Verluste) erließ am 15. April 1809, also bereits am Tag seines feierlichen Einzuges in die Landeshauptstadt Innsbruck, den verhängnisvollen Aufruf an die Schützen und Stürmer der Gerichte Petersberg und Hörtenberg, sich einigen 100 österreichischen Soldaten unter dem Kommando des Freiherrn von Taxis anzuschließen, von Scharnitz bis Reutte weit über die Grenze nach Bayern hinaus zu operieren und dort Kontributionen einzutreiben. Dieser Aufruf wurde von vielen als Aufforderung zur Plünderung und zum Freibeuten verstanden. Das damit verbundene Risiko war gering, denn die bayrischen Truppen standen in den napoleonischen Armeen an den Hauptfronten und die paar in diesen Gebieten vorhandenen Bürgerwehren ließen sich ohne weiteres entwaffnen.

Nüchterne Männer bewogen den keineswegs unumstrittenen „kaiserlichen" Major Teimer, der sich besonders an diesem Vorhaben begeisterte, die Ausfälle wenigstens nur von organisierten Schützenkompanien unternehmen zu lassen.

Die bayrische Bevölkerung der heimgesuchten Landschaften nahm die vorerst noch halbwegs geordnete Einhebung der Kontributionen willig und ohne Widerstand zu leisten hin. Dort und da war sogar offene Sympathie mit den tirolischen Streitern wider Napoleon zu fühlen. Kamen doch auch die Bayern und ihre Truppen bei dessen Kriegszügen gezwungenermaßen zum Handkuss.

Als aber auch alles mögliche Gesindel, das sich bei solchen Gelegenheiten immer einfindet, hinter den Schützen und Soldaten herzog, Raub, Erpressung und wüste Exzesse beging, schlug die Stimmung der Bevölkerung in Empörung um. Diese Räuberbanden trieben es so arg, dass die tirolische Schutzdeputation an die zuständigen Richter den schriftlichen Befehl erteilte, die Raub- und Missetaten über der Grenze streng zu untersuchen, das Raubgut zurückzustellen und allenfalls sogar Entschädigung zu leisten. Das war allerdings ein Auftrag, den man kaum mehr zu erfüllen vermochte. Vereinzelt an Plünderungen beteiligte Schützen (z. B. bei Garmisch) sollten mit Arrest bestraft werden. Im genannten Schreiben der Schutzdeputation hieß es: „Echte Tiroler dürfen keine Räuber in Schutz nehmen, denn nicht die Völker führen Krieg, sondern feindliche Armeen, und die Tiroler wollen mit ihren lieben Nachbarn in Frieden leben." Auch die Schützenhauptleute hielten mit ihrer Entrüstung nicht hinter dem Berg. Einer meinte z. B. treffend: „Der Nachklang in Bayern über die Taten der Tiroler ist für unsere Kompanie, welche unschuldig ist, sehr nachteilig und schadet der sonst guten Stimmung der bayrischen Untertanen." Auch der rechtschaffene Landeskommandant Hofer konnte räuberischen Ausfällen absolut nichts abgewinnen. Sein Auftrag lautete: „Tiets den Feind wöhrn aber nit reizen." Leider ließ sich aber vor allem Teimer keineswegs von Beutezügen abhalten. Überall wurde in seinem Befehlsbereich den Leuten Geld, Vieh und Getreide abgenommen. Die „zivile" Beute, also ohne Waffen, Pulver und Blei, betrug allein in Kempten 2000 Gulden in Geld, 6000 Metzen Getreide, 40 Ochsen und 1200 Ellen Tuch, sonstige „Kleinerwerbungen" nicht gezählt. Eine weitere Expedition führte Teimer nach Mindelheim hinaus, wo die großen Salzvorräte der Reichs- und Handelsstadt seine Begierden weckten. Ein blinder Alarm (Franzosen kommen) und aufflammender Bürgerzorn bewog jedoch die sich recht wohl fühlenden Besatzer, nach zwei Tagen fluchtartig und von Steinwürfen verfolgt, die Stadt zu verlassen. Teimer floh in einer Kutsche, vermochte aber doch noch einige tausend Gulden mitzunehmen, die ihm die Beschlagnahme und Verhöckerung von Salzbeständen eintrug.

Das redliche Bemühen der Schutzdeputation und der Schützenanführer, die steigenden Emotionen gegen die Tiroler abzubauen, kam für das Unterland jedoch zu spät, denn es rückten bereits unter dem Kommando des französischen Marschalls Lefebre zwei bayrische Divisionen gegen die nordöstlichen Landesgrenzen heran. Und diese bayrischen Truppen erfuhren noch vor Angriffsbeginn die Gewalttaten von Tirolern im südlichen Teil ihrer Heimat. Dass die Gräuelmeldungen von Mund zu Mund nicht geringer wurden, versteht sich wohl von selbst. Ebenso ihre Wirkung auf die Soldaten. Ein übler Verlauf der kommenden Dinge war also geradezu vorgezeichnet.

Das Datum 12. Mai (in der Abhandlung 3/1988 der Tiroler Heimatblätter sind Schäden vom 12. Mai bis 15. Juli angeführt) war an zwei Fronten von Bedeutung. Am 11. Mai erfolgte nach stundenlangem hartem Kampf der Durchbruch der bayrischen Division Wrede am Pass Strub und der Vormarsch nach Waidring. Der zähe Widerstand und die erlittenen schweren Verluste ließen die Wut der Soldaten überkochen, so dass es bekanntlich von der Sperre an und auf dem ganzen Weitermarsch bis St. Johann (12. Mai) und im Leukental (13. Mai) unter verbissener Gegenwehr der Aufgebote zu wiederholten schweren Exzessen und Brandstiftungen kam, weil aufgebrachte Soldaten von ihren Offizieren einfach nicht mehr im Zaum gehalten werden konnten. Selbst hohe Truppenführer zeigten sich darüber fassungslos.

Der zweite Verband des Korps Lefebre, die bayrische Division Deroy, hatte die Aufgabe, beiderseits des Inn und über den Pass Ursprung vorzustoßen, die von den Tirolern belagerte Festung Kufstein zu entsetzen und dann weiter nach Westen zu rücken. Speckbacher stoppte mit seinen Schützen und einer Kompanie Soldaten den Vorstoß bei Ebbs, die Schützenhauptleute Sieberer und Egger vermochten dasselbe beim Pass Ursprung. Die Schützenkompanien Margreiters hingegen wurden von den durch den alten General Deroy persönlich geführten Sturmtruppen am Thierberg, in der Klause und am Zellberg geworfen. Am 12. Mai erfolgte der Entsatz der Festung Kufstein, und dann ging nach kurzer Pause der Vormarsch hinter der Division Wrede weiter, die am 13. Mai die Österreicher und Tiroler bei Wörgl vernichtend schlug.

Auch die Soldaten Deroys waren aufgebracht, und daher kam es ab dem 12. Mai im Raum Ebbs und um Kufstein herum zu Übergriffen und Beschädigungen. Bei all dem spielte mit, dass die zur Abwehr aufgerufenen, in ihrer Alltagstracht kämpfenden Schützen und Stürmer vor allem in den Augen der französischen Offiziere und Kommissare als „Insurgenten", also als Aufrührer, und deren Kommandanten als Aufwiegler galten, denen man nicht den Status von Soldaten zubilligen wollte. Dies verschärfte natürlich in einem Kampfgebiet die Lage der gesamten Bevölkerung.

Völlig verschont blieb der Ort Thiersee, dessen Bewohner sich unterwarfen und um Vergebung baten. General Deroy meldete dies befriedigt dem Oberkommandanten Marschall Lefebre.

In der Zeit zwischen der zweiten Befreiung und dem nächsten Einmarsch wurden ungeachtet der eindringlichen Verbote der Schutzdeputation die Beutezüge ins Bayernland hinaus fortgesetzt, und wieder war Teimer das treibende Element.

Speckbacher hatte nach dem Rückzug der Bayern aus Tirol mit seinen Schützen und spärlichem Militär Anfang Juni wieder mit der Einschließung von Kufstein begonnen. Dabei litten die Belagerer zunehmend unter einer völlig ungenügenden Versorgung. Es fehlte gröblich an Verpflegung und Bekleidung, von mangelhafter Bewaffnung gar nicht zu reden. Mit den gewiss sehr treffsicheren Stutzen, den Hackenbüchsen und ein paar leichten Kanonen war den mächtigen Mauern der Burg nicht beizukommen.

Um nicht buchstäblich Not zu leiden, suchte man sich nun auch in diesem Gebiet mit sporadischen Beutezügen bis fast nach Rosenheim hinaus zu helfen. Die Belagerten hingegen erhielten Nachschub aus Proviantschiffen und im Wege von zwei kraftvollen Vorstößen bayrischer Truppen, die einmals links (18. Juni) und ein anderes Mal rechts (5. Juli) des Inn vorrückten, den Belagerungsring aufsprengten und die Festungsbesatzung mit Verpflegung, Munition und frischer Mannschaft reichlich versahen. Wenn dabei am 18. Juni sogar 88 Versorgungswagen die Verteidiger erreichten, dann mussten die Schützen wohl auf breiter Front weit zurückgedrängt worden sein. Nach dem Rückmarsch der bayrischen Nachschubeinheiten und ihrer Geleittruppen vermochten die Tiroler aber die Lücken wieder einigermaßen zu schließen und die aussichtslose Belagerung fortzusetzen.

In all diesen wirren Wochen bis Mitte Juli 1809 litt zeitweise nicht allein die Bevölkerung der Schranne Ebbs und Umgebung unter Plünderung und Schikanen. Auf der anderen Seite des Inn wurde den bayrischen Bauern von tirolischen Beutekommandos das Vieh aus den Ställen gezogen, wechselten Lebensmittelvorräte die Besitzer und wurde sonstiges „organisiert", wie es in der Soldatensprache heißt. Unnötig zu sagen, dass es dabei auch nicht gerade feinfühlig herging.

Nach der Schlacht bei Wagram und dem am 12. Juli 1809 zwischen Napoleon und Erzherzog Karl abgeschlossenen Waffenstillstand von Znaim, dessen Punkt 4 die Räumung Tirols und Vorarlbergs durch österreichische Truppen verfügte, herrschte in Österreich tagelang offene Ratlosigkeit. Der Kaiser wusste angeblich von dieser Waffenruhe nichts und gab sich darob indigniert. Wien unterließ es, den Tirolern darüber reinen Wein einzuschenken, dass sie vorderhand sich selbst überlassen seien, und prompten bayrischen Nachrichten, die man den Grenzwachen zuspielte, wurde nicht geglaubt. So geschah es, dass bis in die letzte Juliwoche hinein in Tirol ein totales Informationschaos herrschte. Widersprechende Meldungen jagten einander geradezu und verunsicherten natürlich auch die in den Grenzräumen stehenden Schützenkompanien.

Mittlerweile sammelten sich in Salzburg durch den Waffenstillstand freigewordene Truppenverbände und traten am 27. Juli den Vormarsch über Reichenhall und Lofer an. Es handelte sich wiederum um ein Korps Lefebre, das mit der bayrischen Division „Kronprinz" und der sächsisch-rheinbündischen Division „Rouyer" durch den Pass Strub zog. Diesmal kampflos und ohne irgendwelche Exzesse. Der bayrische Kronprinz wies seine Truppen eindringlich an, möglichst Milde statt Strenge zu üben. Die Vertreter der Gerichtsviertel baten um Gnade und boten die Auslieferung der Waffen an. Marschall Lefebre gab seinerseits das Wort, dass unter diesen Voraussetzungen dem ganzen Gericht kein Leid geschehe. Dies im offenen Gegensatz zu den Absichten Napoleons, in Tirol schwere Repressalien zu ergreifen. Die Truppen zogen also ruhig durch, die Bevölkerung vermied bewusst jede Berührung mit Soldaten.

Die Division Deroy sollte durch den Pass Lueg und über Mittersill und Gerlos in Tirol einrücken. In einer von Salzburgern tapfer verteidigten Enge bei Taxenbach gab es kein Durchkommen. Erst eine Umgehung konnte den Widerstand beenden. Scharmützel gab es noch bei Mittersill und vor dem Gerlospass, dann erlosch jede Gegenwehr.

Der dritte Sieg der Tiroler bahnte sich bekanntlich in der Folge erst im Eisacktal an.



Quelle: Herbert Sandner, Schäden durch die bayerischen Truppen 1809 im Dorf Ebbs, in: Tiroler Heimatblätter, 65. Jahrgang, 1990, Heft 3, S. 153 - 156.

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.