Josef Speckbachers Versteck in Gnadenwald


von Josef Metzler

Es ist bekannt, dass nach dem Zusammenbruche des Tiroler Aufstandes zu Allerheiligen 1809 die ehemaligen Anführer in alle Windrichtungen fliehen mussten. Andreas Hof er versteckte sich auf der Pfandlalm (Brantacheralm) im Passeier, von Josef Speckbacher sagen seine Biographen, dass er sich im Gebiete des Voldertales zuerst auf der Alpe Stallsins versteckt habe, dann auf der Alpe Largotz, in der „Speckbachergufl" im hinteren Voldertal, und, als er dort von einer Lawine im Frühling verschüttet worden war, mit ausgerenkter Hüfte in seinem Wohnhause in Judenstein, in einem Loch unter dem Fußboden des Kuhstalles.

Aber in seinem Geburtsort Gnadenwald lebt noch eine andere Erinnerung an Josef Speckbacher. In jenen unglücklichen Novembertagen des Jahres 1809 suchten die Feinde Josef Speckbacher zuerst in Judenstein, aber dort war er nicht. Er war in Gnadenwald. Zwischen der Pfarrkirche St. Michael und dem Gasthaus „Gunggl" quert der Klammbach das Mittelgebirge. Er entspringt in mehreren Quellen in einer Gegend, die man „Unterberg" heißt, unterhalb der Walderalm, und fließt zwischen Schrofen und Zuntern in drei steilen Felsschluchten zutal, um sich in jener Klamm zu vereinigen, welche dem Bach den Namen gibt. Von unten hemmen kirchturmhohe Felswände den Zugang in dieses Gebiet. Nur von oben kann man, auf halsbrecherischen Rasenhängen kletternd, in das Gewirr dieser Schrofen gelangen, und dort ist die Gnadenwalder „Speckbachergufl".

In dieser Felshöhle versteckte sich im November 1809 der Verfemte. Ein Vetter, der damalige Müller von Gnadenwald — auch ein Speckbacher — brachte ihm das Essen. Der unauffällige Schrei des Hühnergeiers war ihr Losungswort. Wenn dieser Schrei von oben ertönte, wusste der unten Harrende, dass der treue Vetter kommt, dem er entgegeneilte. Als aber der Winter kam und diese Gegend selbst für einen Speck-Sepp ungangbar wurde, verließ der Sepp sein Versteck im Walder-Unterberg und wechselte auf die andere Seite des Inntales hinüber.

Dies hat vor 100 Jahren der Sohn jenes Walder-Müllers Michael Speckbacher dem damaligen Gunggl-Wirt Josef Heiß — gestorben 1902 — erzählt. Dieser Sohn war damals auch schon alt, aber als er in seiner Jugend beim Schafsuchen die Gufel fand, lag noch Stroh darin von des Speck-Sepp Liegestatt. Mittlerweile ist auch der Sohn des damaligen Gunggl-Wirtes — ebenfalls Josef Heiß — bereits 87 Jahre alt geworden, aber er kann sich noch gut daran erinnern; nur wo die Gufel genau liegt, kann niemand mehr sagen, weil von der heutigen Generation keiner mehr dort gewesen ist.



Quelle: Josef Metzler, Josef Speckbachers Versteck in Gnadenwald, in: Tiroler Heimatblätter, 43. Jahrgang, 1968, Heft 4 - 6, S. 57 - 58.

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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