Ereignisse im Außerfern 1809


"Ereignisse im Ausserfern"
nach den Aufschreibungen von
Dr. Franz Xaver Zobel
,
weil. Pfarrer und Dechant von Breitenwang (Reutte).
(1801 — 1834.)

Einleitung.

Am ersten Tage unseres Jubiläumsjahres hat mir günstiges Geschick eine getreue Abschrift von chronikalischen Aufzeichnungen eines Chronisten in die Hand gelegt, welche — in weiteren Kreisen bisher nicht bekannt — sich auf einen Landesteil Tirols beziehen, von dem vorläufig nicht viel besonderes gesagt worden über seine Betätigung im Befreiungskampfe von 1809. Es dürfte also wohl nicht uninteressant sein, hierüber den Bericht eines Augenzeugen zu hören, welcher bald nach Abschluss dieses Kapitels aus der heimischen Geschichte — also noch unter dem frischen Eindruck des Erlebten — seine Erinnerungen an jene Zeit niedergeschrieben hat. Diese Aufschreibungen, welche zur Wahrung ihres urkundlichen Charakters ungeändert wiedergegeben werden, sind sicher auch deswegen bemerkenswert, da ihr Autor, der nicht „mit ganzer Seele" — aus gewissen Gründen — für die tirolische Schilderhebung sich zu begeistern vermochte, trotzdem durch das damalige bayerische „Polizeispitzelsystem" nach Möglichkeit bei der betreffenden Hofstelle in München denunziert worden.

Unser Chronist ist Franz Xaver Zobel, Pfarrer und Dechant zu (Reutte) Breitenwang 1801—1834. *) Ein gebürtiger Tannheimer erhielt er diese Pfarre vom Patron — dem löblichen St. Mangen-Stift in Füssen — 1801 per concursum, nachdem er zuvor in der Seelsorge sowie 6 ½ Jahre als Philosophieprofessor an der bischöflichen Akademie zu Dillingen gewirkt hatte. Als er, bald nach Beginn der bayerischen Herrschaft, am 2. April 1806 zum Dechant des Landkapitels Reutte gewählt worden, berichtete der famose Mautmagazineur Josef Hueber, eine Kreatur Montgelas', also nach München: „Gegen die Erwartung der Aufklärungsfreunde erhielt Franz Zobel die Würde. Wenn die verrufensten der proselitenmachenden Obskuranten noch auf die Leuchte und zur Direktion des Volkes hingestellt werden, was lässt sich für die den Tirolern so notwendige Bildung zu einer staatszweckdienlichen Moral erwarten ? Wird dieser Erzobskurant noch von der Regierung in seiner neuen Würde bestätigt, so fällt in einem weiten Bezirk umher der aufgelebte Kredit einer nahen Aufklärung, und jede dahin wirkende Tatkraft wird unschlüssig zurückgehalten." **)

*) Tinkhauser: Rapp „Beschreibung der Diözese Brixen" V. 251.
**) Dr. J. Hirn „Tirols Erhebung im Jahre 1809", S. 92.

Dementgegen rühmte der bayerische Hofkommissär Graf Arco den Dekan gar sehr, insbesonders als tüchtigen Religionslehrer. Er starb am 12. April 1834 als Konsiliarius und k. k. Schuldistrikts-Inspektor im 70. Lebensjahre an Altersschwäche. Ein ungemein eifriger und tätiger Seelsorger, besaß er eine ungewöhnlich hohe Bildung, schuf die Pfarrbibliothek zu Breitenwang, sorgte für die künstlerische Verschönerung der dortigen Pfarrkirche und die Hebung des Schulwesens und beschäftigte sich neben peinlich-fleißiger Führung seiner Amtsobliegenheiten aus Vorliebe mit dem Sammeln und Kopieren alter Urkunden, so dass durch ihn gar Manches aus den Archiven von Ernberg, St. Magnus u. s. w. für spätere Zeiten gerettet wurde. Sein klarer, reger Geist ist leicht erkennbar aus Geist und Lebendigkeit seiner chronistischen Aufzeichnungen, denen der Stempel der Wahrheitsliebe und Aufrichtigkeit aufgedrückt erscheint.

Reutte und der ganze Außerfern hatte nach den zwei ersten Koalitionskriegen verhältnismäßig weniger mehr von Kriegsnot zu leiden gehabt als andere Teile des Landes, da 1805 und 1809 sämtliche feindliche Einbrüche durch die Scharnitz und die Pässe des tirolischen Unterlandes erfolgten. Dies hat gewiss auch — neben der abgeschiedenen Lage des Lechtales — mitgewirkt, dass eben der Bevölkerung weniger Gelegenheit gegeben war, sich am Kampfe zu beteiligen; dass sie sich immerhin einig fühlte mit dem Gesamtvolke, dürften die nachfolgenden Aufzeichnungen zur Genüge dartun Wenn dieselbe vielleicht manchmal weniger Begeisterung gezeigt, als dies an anderen Orten der Fall gewesen, so ist solches wohl auf den Umstand zurückzuführen, dass dieser Landstrich in den früheren Kriegsepochen mehr gelitten hatte als andere Täler.

Es mag darum nicht unpassend sein, Zobel's „Erinnerungen" kurz orientierend einige Ziffern vorauszuschicken, welche uns Beda Weber über die damalige Lage in Reutte gibt, indem er schreibt: *)

*) „Das Land Tirol" I. Bd., S. 703.

,Wie bitter aber der Ort als Grenze gegen Bayern im französischen Revolutionskriege heimgesucht wurde, zeigen nachstehende Ziffern. Vom Jahre 1791 — 1801 wurden im Pfarrgebiete von Breitenwang, wovon Reutte den Hauptbestandteil ausmacht, 431.434 Mann Österreicher und 41.434 Pferde, vom 19. Juli 1800 bis 20. April 1801 39.754 Mann Franzosen und 2974 Pferde, im Oktober, November und Dezember des Jahres 1799 in Reutte allein 16.670 Mann Russen und 14.285 Pferde einquartiert und unterhalten. Die armen Einwohner mussten sogar ihre Hauseinrichtung veräußern, um eine solche Unzahl von Menschen zu ernähren. Dazu kamen 1803 und 1806 andere 45.886 Mann in Quartier und Verpflegung.

Vermöge des Preßburger Friedens 1805 kam Reutte, wie das übrige Tirol, unter Bayern; unter der neueintretenden Regierung blühte der Kornmarkt und der Gipsverschleiß segenbringend auf, die Ruhe mehrte bis zum Jahre 1809 Wohlstand und Wechselverkehr.

Im letztgenannten Jahre erhielten wechselseitige Grenzbalgereien die Bewohner bis zum 11. November in Angst, ebenso sehr zum Nachteile der Sieger als der Besiegten. Hierauf rückten 3000 Franzosen ein, und die Stille der Unterjochung, nur von Truppenmärschen unterbrochen, währte bis zum 1. Juli 1814, wo das alte Herrscherhaus von Österreich wieder in seine tirolischen Rechte eintrat." *)

*) Zur steten Erinnerung hieran errichteten die dankesfrohen Bürger für Kaiser Franz ein Denkmal auf dem Hauptplatze des Ortes.

Es sei dabei vorausgeschickt, dass dasjenige, was der Dechant über den Tiroler Aufstand im Allgemeinen schreibt, als durchwegs bekannt und mit anderen ähnlichen Darstellungen sich völlig deckend von vornherein weggelassen worden ist. Zobel's Schreibeweise, seine Kapiteleinteilung wurde, wie schon oben erwähnt, genau beibehalten und keinerlei Korrektur oder Änderung vorgenommen. Nur vereinzelt wurden da und dort ergänzende Fußnoten, vornehmlich auf Grund neueren Materiales beigegeben.

Damit sei nun dem Breitenwanger Dechant das Wort zur Erzählung seiner Erlebnisse gegeben.

Ereignisse in Ausserfern.

I.

Nun folget die Beschreibung, was im Jahre 1809 zur Zeit der Tiroler Insurrektion, oder Selbstbewaffnung, oder sogenannten Landesverteidigung im Landgerichte Reutte vor sich gegangen ist.

Tirol und also auch Ehrenberg stund. schon drey volle Jahre unter der königlich bayerischen Regierung, man fügte sich in alle geistlichen und weltlichen Verordnungen, man hatte zwar durch die Herabsetzung der Bankozettel und endlich durch den gänzlichen Verfall derselben großen Schaden; *) doch lachte die klingende Münze den Tiroler sehr an, weil er sie lange vermißt und itzt ein Geld in Händen hatte, das überall gangbar war. Ungeacht dessen waren die Blicke des Tirolers noch stets auf den Preßburger Frieden gerichtet, gemäß welchem dies Land so bleiben sollte, wie es unter Österreich war.

*) Schon 1807 berichtete Graf Arco auch an den König von Bayern über den Rückgang der Musselin- und Kattunfabriken in Reutte und Lermoos. Hirn a. a. O. 46.

Den 15. Februar 1809 kam eine königlich bayerische Verordnung, daß alle Jünglinge vom 18. bis 40. Jahre, wenn sie zum Soldatenstande tauglich sind, sollen beschrieben und unter das Maas gestellt werden. Am allerersten unterwarf sich diesem Befehle der Markt Reutte und das ganze Landgericht weigerte sich nicht, ausgenommen die zwei Kurazien Lermoos und Ehrwald u. Berwang, wahrcheinlicherweise, weil diese von den Einwohnern des inneren Tirols heimlich aufgehetzt waren. *)

Ohngeachtet die Einwohner des Markts Reutte ein so schönes Beyspiel des Gehorsames gegeben hatten, kam doch mit Ende Februar ein königlich bayerisches Korps, das den Markt mit Essen und Trinken sehr hart mitnahm und über einige Familien Militärexekution verhängte, ohne daß die Leute das Warum wußten. Zu Lermoos wurden die Rädelsführer mit Stockstreichen hergenommen und überall gut geschmauset. **)

*) **) Das Landgericht Reutte hatte damals bei 16.345 Einwohnern 40 Rekruten zu stellen. Hirn a. a. O. 173. — Derselbe Autor berichtet (S. 178) darüber ergänzend: „Jenseits des Fernpasses in Lermoos, Biberwier und Berwang erklärten die Gemeinden unter Berufung auf die alttirolische Verfassung, welche sie von der Stellung befreie, dem konskribierenden Beamten, daß sich ihre Bursche zur Beschreibung nicht stellen würden. Augenblicklich war der Landrichter (Froschauer) ratlos. Nach wenigen Tagen traf eines der aus München angekündigten Bataillone ein (Bataillon Wrede) und unterbrach auf Anrufen der Gerichtsobrigkeit seinen Marsch. Die Soldaten wurden den weigernden Gemeinden ins Quartier gelegt, die Rädelsführer herausgesucht und mit Stockstreichen bestraft. Am folgenden Tage kamen die Musterrollen zustande." — Aktuar Ott meldete darüber nach München: „Wo ich zur Stellung erschien, gehorchten die Gemeinden; aber Lermoos, Berwang und Biberwier, wo Richter Froschauer, der keine Energie hat, amtierte, waren die Leute widersetzlich." — Der „schwächliche" Richter erhielt hiefür eine „amtliche Nase", zumal er seiner angeblich österreichfreundlichen Gesinnung wegen ohnehin schon „gut angeschrieben" war. — Es ging also auch da nur durch Gewalt.

Major Berenclau rückte mit einem Korps nach, hielt aber die schönste Mannszucht und heilte also auf einige Art die Gefühle der Bewohner dieser Gegend.

Unterdessen glimmte das Feuer unter der der Asche, ohne daß Leute, die zum geistlichen oder weltlichen Herrnstande gehörten, etwas ahndeten; — so vergingen einige Wochen, wo stets an der Konskription gearbeitet, und sowohl Oberkeiten als Untertanen die Hoffnung und den Wunsch hegten, man werde in Tirol die flüchtigen und ungeratenen Bursche zum Militär nehmen.

Allein mitten darin brach das Feuer in helle Flammen aus; in der Nacht auf den 12. April 1809 kamen 3 Deputierte mit guter und starker Bedeckung aus dem innren Tirol nach Aschau versammelten dort einige Vorsteher und erklärten ihnen, daß der österreichische Erzherzog Johann für Tirol eine schmeichelhafte Proklamation erlassen habe, die Tiroler sollen die Waffen für Österreich ergreifen, das Land von verdächtigen und feindlichen Leuten reinigen und er werde sie in kurzer Zeit mit einer starken Armee, die schon im Anzüge sey, unterstützen, nun seye also nur die Frage, ob sie mithalten wollen oder nicht? Würden sie sich weigern, so werde Aschau und Ehrenberg sowohl von den Tirolern als dem österreichischen Militär feindlich behandelt werden.

In dieser beklemmten Lage athmeten die Vorsteher sehr hart. Weil sie aber im Weigerungsfalle die Wut des Volkes fürchteten, (denn diese Dinge mußten notwendigerweise offenbar werden) so getrauten sie sich nicht zu widerstehen; worauf sich diese Deputation mit noch mehr Bewaffneten um 1 Uhr nachts nach Reutte begab, wo sie mit ihren mitgebrachten Waffengefährten den Herrn Landrichter, H. Actuar, H. Obersalzfaktor und einen Gerichtsdiener arretierten, die Kassen des königlich bayerischen Landgerichts, der Salzoberfaktorie und des Rentamts unter Sigill nahmen.

Nachdem die Oberkeiten außer ihrem Wirkungskreise gesetzet waren, so ertönte um ½ 4 Uhr morgens die Lärmtrommel, welche alle fähigen Männer zu den Waffen rufte; man erwachte vom Schlafe, staunte über die unvermutete Begebenheiten, und weil die Jünglinge diese schöne Gelegenheit sahen, sich vom Militärstande zu befreyen, griff man zu den Waffen. In aller Frühe wurde der Magistrat in Reutte versammelt und ihm die nämlichen Propositionen wie in Aschau vorgelegt; worauf dieser beschloß, noch 100 Maun zur Aufrechthaltung der innern Ruhe und Sicherheit aufzustellen.

Ehevor diese bewaffnete Deputation nach Hause zurückkehrte, begehrte sie, H. Landrichter soll mit ihr ins innere Tirol abreisen, das Volk werde das Gegenteil nicht zugeben, er aber verlangte auf seinem Posten zu verbleiben; es wurden Boten nach Lechtal und Tannheim abgeschicket, welche diese Ereignisse melden und die Einwohner auffordern sollten: es wurden Spione abgeordnet, welche sehen sollten, ob in Kempten und Kaufbeuren Franzosen angekommen seien — endlich wurden in allen Seelsorgskirchen Betstunden gefrimmt, und da mancher Priester um den Befehl des Landesfürsten oder des Bischofs fragte, so zeigten die Bauern das Pulverhorn mit dem Ausdrucke: „hier ist der Befehl und wenn dieser nicht erklecket, so will ich noch das holen, was dazu gehört."

Endlich reiste diese obbenannte Deputation mit ihren Waffenträgern von Reutte ab und man erwartete Ruhe. Allein Nachmittag kamen von Lermoos her schon wieder bewaffnete Leute, welche mit Ungestüme und Lärm forderten, daß ihnen der H. Landrichter zur Deportierung ausgeliefert werde; alle Vorstellungen, Versprechen, Gutstehen vermochten nichts, sondern er mußte das Amthaus und seine Familie verlassen, sich ins innere Tirol begeben und noch selben Abend bis Biechelbach abreisen. Dieser Auftritt lockte vielen empfindsamen Seelen wehmütige Tränen ab.

Nach ein paar Tagen brachten die ausgeschickten Spione die Nachricht, daß etliche Franzosen in der Stadt Füssen angekommen und Quartiere begehret haben; dessetwegen wurden die Vorposten Tirols gegen Füssen mit mehreren 100 bewaffneten Bauern verstärkt, *) und weil der Pulver- und Gewehrmangel nicht klein war, so kamen die Bauern mit allerley Instrumenten, Gabeln, Helleparten etc. an die Grenze zur Verteidigung; zugleich sendete man aber Deputierte nach Füssen ab, welche den Bürgern allda melden sollten, daß die Tiroler keineswegs ihre Feinde seien, sondern die Fortdauer der nachbarlichen Freundschaft wünschen; denn der Ehrenberger sah den notwendigen Verkehr mit dem benachbarten Schwaben zu gut ein, weil er ihn zu oft schon gefühlt hatte.

*) Früher schon einmal hatten sich beim Einrücken einer französchen Truppe in Füssen die Leute von Aschau und Reutte an der Grenze zusammengerottet, um die „Landverderber" vom Betreten Tirols zurückzuweisen; mit Mühe wurden die Bauern von den Behörden an Tätlichkeiten gehindert. Hirn a. a. O. 249.

Am 15. April wurden alle Einwohner durch die Sturmglocke morgens um 5 Uhr aufgeschreckt und die waffenfähigen Männer zum Ausrücken gegen die Grenze aufgefordert, weil sich der Ruf verbreitete, es seien abermals Franzosen in Füssen angekommen; es waren aber nur 6 Kavalleristen, welche mit den Tirolern blänkelten und dann flohen. Am nämlichen Tage wurde auch Herr Aktuar und der Gerichtsdiener-Knecht *) nach Innsbruck ordentlich, abgeführt; nachdem sie 4 Tage und Nächte angstvoll gelebet und die wilde Abnahme einiger königlicher Wappen (denn andere wurden ordentlich abgenommen) gesehen hatten; es kam auch ein Faß Pulver, wie auch die Nachricht, daß der bayerische General Kinkel samt seinem Korps in Innsbruck von den Bauern gefangen worden, nebst einem sehr schmeichelhaften österreichischen Patent und Gratulation an die Tiroler vom k k. General Chastallier, welches alles auf strengen Befehl von den Kanzeln mußete publiziert und dabei ein Danksagungsfest für diese Siege gehalten werden.

*) Unter der Aufschrift: „Merkwürdige und besondere Vorfälle" meldet ein Originalakt im Ferdinandeum (Bibl. Tir. Ferd. 2731 f. 61) zu diesen Vorkommnissen noch folgendes: „1809 den 12. Aprill Abends um halb 6 Uhr wurde Titl. H. Landrichter von Reutti Aloys von Froschauer als Arrestant nach Biechlbach gebracht, wo er beym Sonnenwirth übernachtete und am 13. weiter in Begleitung des hiesigen Johann Zoller nach Innsbruck abgeführt wurde. Am 15. Aprill geschah das nämliche mit dem Aktuar Ott und Gerichtsdiener von Reutti. — Am 13. April um Mitternacht mußte der Landsturm nach Reutti aufbrechen, in Biechlbach aber erhielt man die Nachricht wieder umzukehren. — Am 15. April wurde der Landsturm neuerdings aufgeboten nach Reutti zu gehen, so auch geschah, — von dort konnte jedoch die mit Picken, Gabeln etc. und mit schlechten Flinten versehene Mannschaft wieder nach Hause gehen. Die übrige in 70 Köpfe bestehende Mannschaft wurde in eine Kompagnie formiert, wovon der hiesige Jos. Glätzle Anwalts-Sohn von Berwang Hanptmann war." — Bei Hirn (a. a. O.) findet sich der etwas abweichende Bericht; „Ott blieb zu Innsbruck in Haft bis zum Erscheinen Deroys (im Mai), das verschaffte ihm die Freiheit. Die Patrimonialuntertanen von Aschau und Berwang wollten auch den Landrichter Froschauer verhaften, aber die Bürger von Reutte widersetzten sich."

Unterdessen waren mehrere Tiroler Schützen-Kompagnien aus dem Oberinntale hier angekommen, ja man sah auch einige hundert österreichische Infanteristen; es kam auch der Befehl vom k. k. Oberstleutnant von Taxis, daß man nach Füssen vorrücken, die 3 Wege nach Sagmeister, Stetten und Großnesselwang besetzen (hiezu verlangten die Tiroler ihren Sold, weil sie ihren lieben Nachbarn nicht schaden wollten) und er selbst werde nach Füssen kommen, wo die Tiroler mit den österreichischen Truppen sich zu vereinigen hätten. Allein es kamen Ordinanzen auf Ordinanzen, suchten den kommandierenden Taxis und fanden ihn nirgends. Gemäß obigem Kommando rückten also die Tiroler in der Stadt Füssen ein, und es ging auch da wie in Reutte, daß von einigen stürmischen Köpfen die königlich bayerischen Wappen tumultuös abgerissen wurden, der vernünftigere Teil der Tiroler und Schwaben hatten allzeit Abscheu daran; allein man durfte keinen Mund öffnen, wenn man nicht wollte mißhandelt sein oder das Feuer noch mehr anfachen.

Gegen das Ende Aprils wurden Gerichtsausgeschossene zusammenberufen, theils damit sie eine ordentliche Deputation in Reutte formieren, theils damit aus ihnen Männer zu dem auf den 1. Mai ausgeschriebenen Landtag nach Innsbruck könnten gewählt werden; das erste kam zu Stande und diese Männer hatten einen harten Stand weil sie bei all ihrem Fleiße dem Volke nicht nach ihrem Wunsche und Wut dienen konnten. Man fing auch an, die Pässe Roßschläg und Kniepaß, Ehrwald und Gacht auf österreichische Verordnung durch Verschanzen zu befestigen, Verhaue zu machen, die Brücken zur schnellen Abhebung zuzubereiten, wo gute Bezahlung verheißen aber fast keine geleistet wurde. *)

*) Nach Hirn (a. a. O. 350) standen in den letzten Apriltagen 2 Kompagnien in Kleinnesselwängle, 8 in Roßschläg, 4 zu Lermoos in der Ernbergerschanz. — Von der Geldnot meldet der Defenssionskommissär Felix von Riccabona an die Schutzdeputation unterm 25. April (Hirn a. a. O. 372): „ Als einmal den bei Reutte stehenden Kompagnien ein paar Tausend Gulden zukamen, da hättet ihr sehen sollen, wie alles plötzlich umgestimmt war. Jüngere Leute und Knechte wollten gerne dienen, aber die Löhnung sollte nicht lang ausbleiben."

Schon gegen das Ende des Aprils kamen einige Nachrichten hierher von den für Österreich so unglücklich ausgefallenen Schlachten bei Landshut und Regensburg; man sah auch im Mai hier und in anderen Örtern Tirols so viele österreichische Gefangene, die sich selbst rancioniert und ins Tirol geflüchtet hatten, daß man schließen mußte, halbe und ganze Bataillone haben die Waffen freiwillig und gerne weggeworfen; allein weil diese Wahrheit unangenehm war, durfte man sie nicht sagen, kaum denken. Doch wurde auch das Volk sehr aufmerksam ja sogar niedergeschlagen, da die wenigen österreichischen Truppen, so in Füssen stunden, den 2. Mai in der Nacht den Befehl erhielten, eilends nach Innsbruck zurückzukehren. Doch der k. k. Maior Theimer, der damals noch Auktorität genug besaß, richtete die verzagten Gemüter mit seinen Beteuerungen wieder auf, daß man sich nichts Böses träumen ließ.

In den ersten Tagen des Monats Mai versammelte der Major Theimer mehrere Schützen-Kompagnien *), rückte mit diesen, ohne daß die wenigsten wußten wohin und warum, nach Schongau, Kaufbeuren, Kempten und Memmingen, ja er hatte wohl sogar Gedanken nach Ulm, wenn die Tiroler Schützen mitgegangen wären; in diesen Städten wurden Waffen, Getreide, Ochsen requiriert, auch quittiert und alles nach Reutte geführt und die Gewehre im Landgerichtshause allda aufbewahrt; ja er nahm in Kempten sogar das Stadtarchiv mit, weil eine Suspicion **) vorhanden war, daß das tirolisch-landschäftliche Archiv seye abgeführt und nach Kempten geliefert worden. ***)

*) Nach Hirn (a. a. O. 390) 800 Mann Freiwillige.
**) Verdacht.
***) Nach A. Falger (Hirn 390) betrug die in Kempten gemachte Beute 1500 Gewehre, 2000 G. an Geld, 6000 Metzen Getreide, 40 Ochsen, 10 Ztr. Pulver, 50 Ztr. Blei und 1200 Ellen Tuch!

Bei diesen Requisitionen hat sich freilich mancher Tiroler wenig Ehre gemacht und dem Lande einen üblen Nachklang verursacht; denn man tastete das Privatvermögen der Bürger an, nahm aus den Säcken der Kaufleute, ohne zu bezahlen, oder war in Forderung der Verpflegung so gebieterisch und kostspielig, daß er ein Kavalier zu sein schien, da er doch ein beim Türkenkorn und Erdäpfel erzogener Maurer war. Allein der größere Haufen war nicht so geartet, sondern er war mit leeren Händen ausgegangen und ebenso leer in sein Land zurückgekehrt. Diese Raubsucht einiger Ausgearteter erweckte auch alsobald im Lande unter den Schützen und anderen Bewohnern den größten Abscheu, daß sie ihre geraubten Sachen bis auf den heutigen Tag verbergen und sich sogar von jedem Wortstreite, wenn sie nicht derbe Vorwürfe hören wollen, enthalten müßen. Ja, das gutdenkende Volk sprach laut, dadurch habe man sich den Fluch Gottes zugezogen, itzt habe man jene Menschen kennen gelernt, welche auch in Tirol selbst heimlich zu stehlen fähig seien, und auf die bei vorfallenden Diebstählen der erste Verdacht und Bedacht werde genommen werden. Es fehlte auch den Tirolern nicht an Spott, denn die benachbarten Schwaben reimten auf sie:

„Die Tiroler streiten für den christlichen Glauben,
Sie gehen aus zum Stehlen und Rauben.“

In des May's Hälfte kamen wiederholte sichere Nachrichten, daß in der Stadt Kempten bei 1800 teils Franzosen, teils Württemberger angekommen seien, und man habe eine Patroulle von 100 Mann bei Oy gesehen; die Tiroler stunden in der Nähe von Großnesselwang, und da geschah es, daß auf einem Vorposten bei der Wertacher Brücke 7 Tiroler, die theils aus Aschau, theils aus Lechtal waren, von Kavalleristen zusammengehauen wurden. Dies Unglück wird Verschiedenem zugeschrieben. — Unterdessen lehrte es die Tiroler an ihre Grenzen zurückzukehren; weil man aber fürchtete, der Feind möchte sich noch mehr verstärken, so wurden schnell noch mehrere Kompagnien *) vom inneren Tirol aufgerufen, die auch pünktlich erschienen, theils aber keine, oder nur sehr schlechte Schüßgewehre hatten. Da diese Kompagnien in Reutte ankamen, hörten sie, daß im Landgerichtshause viele vom H. Major Theimer hinterlegte Stutzen sich befänden; sie forderten also selbe, man versprach sie, nur soll jeder Hauptmann für seine Kompagnie die nötigen abholen und quittieren, damit dem Mangel abgeholfen und die Landesverteidigung befördert werde; allein da brach ein wütender Haufen ein, dem die Aufseher keinen Einhalt mehr tun konnten, schleppten also Stutzen, Musketen, Säbel, Patrontaschen, Pistolen etc. mit sich fort, bis alles leer war; wo sich das bekannte Sprichwort wieder erwahrte: „Wie gewonnen, so zerronnen".

*) Nach Hirn (a. a. O. 396) wurden 24 neue Kompagnien und zwar der Hauptsache nach aus dem Gerichte Ernberg organisiert. Es stellten demzufolge Reutte 3 Kompagnien mit den Hauptleuten Jos. Ant. Nigg, Ant. Leitenstorfer und Andr. Stockmayr, Aschau 4 unter Zyrill Sprenger, Andr. Nauß, Martin Scheiber und Fr. Jos. Kerle, Tannheim 3, Lechtal 7 unter Jos. Scharf, Ignaz Scheidle, Jos. Lumper, Karl Kropf und Peter Bader, 9 aus den Gemeinden Ehrwald, Biechlbach, Heiterwang, Biberwier und Lermoos unter den Hauptleuten Pfenning, Jäger, Wille, Hosp, Kerber und Dietrich — in Summa 3220 Mann. — Zur Anteilnahme des Lechtals berichtet Anton Falger (Ferd. Zeitschr. 1877, III, f. 21): „Lechtal stellte (1809) unter dem Major Georg Schneller von Elbigenalp sieben Kampagnien; dieselben standen vom April bis November bald an bald über der Grenze bis Kempten. Die Hauptleute waren: Georg Uelses und Karl Mark von Elbigenalp, Ignaz Scheidle und Karl Kropf von Häselgehr, Josef Lumper und Josef Weißenbach von Holzgau und Georg Schädler von Bach. Der Krieg kostete den Lechtalern zwar nur zwei Mann, desto mehr aber an Geld, da die Insurrektions- und Militärwustungen bis 16. März 1810 gerechnet sich auf 7800 Gulden beliefen.“

Die Bauern-Majors im hiesigen Landgerichte (obwohl stets gewechselt und promoviert und amoviert wurde) waren in Ehrwald G. von Dietrich, k. b. Salzfaktor und sein Adjutant hieß H. Kaspar Strelle, k. b. Ober-Salzfaktor in Reutte, in den Roßschlägen und Füssen H. Schuler, Anwalt im Lechtal, später H. med. Doktor Jeger, in Tannheim H. Lorenz Peintner k. b. Salzfaktor; endlich kam dazu ein Kommandant H. Augustin v. Plawen *) aus Vinsgau und sein Kollega Fischer und später Marberger.

*) Baron Hormayr ernannte Plawen für Reutte, Dietrich für Lermoos als Defensionskommissäre.

Um die Kommunikation mit dem innern Tirol zu erhalten, wurden Stationen errichtet, wo reitende und gehende Ordinanzen, wie sie ankamen, auf der Stelle mußten expediert werden; dazu nahm man gewöhnlich Leute, die zum Waffentragen gegen den Feind nicht tauglich waren; — ebenso um den Feldbau nicht zu schaden, mußten bestimmte Kompagnien eine bestimmte Zeit stehen, die dann von anderen abgelöst wurden. Auch durften haussäßige Leute, Leute von Vermögen oder mit Gewerbe um ihre Bezahlung andere vertraute Leute auf die Posten stellen — und um Roßschläg, Kniepaß etc. zu verschanzen, arbeiteten Greise, Weiber und Kinder und brachten ein Schanzgebäu zusammen, das später der Feind selbst bewunderte.

Die Zeitungen meldeten zwar schon früher, daß der österreichische Generalissimus und Erzherzog Karl in Bayern unglücklich gekämpft habe, aber am 19. Mai kamen diese Hiobsposten auf allen Seiten auch zu den Ohren der Bauern; die k. b. Truppen brachen bei Strub im untern Inntale ins Tirol herein, brannten Schwaz und mehrere Örter ab, rückten bis Innsbruck vor, wo also die Landes-Deputation von Innsbruck sich nach Imst begeben mußte; es kamen von dem französisch-bayerischen Armee-Kommando an die Bewohner Tirols Aufrufe; sie sollen die Waffen niederlegen, dann werde ihnen allgemeine Verzeihung und Sicherheit des Eigentums und der Personen versprochen; die siegreiche französische Armee sei in Wien eingerückt, der österreichische Kaiser habe Waffenstillstand machen müssen und Prinz Johann habe sich bis Ungarn zurückgezogen. Bei diesen traurigen Aussichten wurden also den 21. May die Tiroler von Füssen und anderen Grenzorten zurückgerufen, sie legten die Waffen höchst bestürzt ab und viele gingen unter Tränen nach Hause; was noch übrig blieb, war das Einzige, daß man Bittgänge zu halten fortfuhr, wobei sich recht viele Andacht und häufiges Volk zeigte; denn Not macht Beten.

In dieser Zwischenzeit verbreiteten sich allerlei Nachrichten — das Wahre zu erfragen, war äußerst schwer, theils wegen dem gehemmten Postenlauf, theils weil die Herzen in Parteien geteilt waren und keiner dem andern traute; endlich erwahrte es sich doch, daß der französische General Herzog von Danzig von Innsbruck, Wiltau und Ambras zurück nach Vomp gezogen, daß der Bauern-Kommandant Andreas Hofer, Sandwirt aus Passeyr, mit mehreren Tausend Bauern auf dem Brenner und in Steinach angekommen, die Bayern angegriffen und ihnen ziemlich geschadet habe.

Unter der Zeit war aber hier noch alles ruhig. Den 27. May aber Abends kam von Füssen ein Bote an den königlichen Landgericht-Provisor von Traubenberg mit dem Vermelden, ob es wahr seye, daß hier alles die Waffen niedergelegt und alles in Ruhe seye; es seyen in Füssen Franzosen angekommen, die Reutte besetzen wollten. — Gleich darauf rotteten sich einige Einwohner in Reutte zusammen, und der Landgerichts-Provisor mußte das Anfragensschreiben nolens volens eomunicieren, worauf sich schon ganze Haufen Leuthe im Markt zusammenrotteten, und pro und contra resonierten. H. von Traubenberg begab sich in diese Haufen, um sie zu belehren, stillte auch die Lermtrommel, und noch war alles ruhig. Zufälligerweise kam auch ich durch diese Gasse und hätte mich nicht eingemischt, allein plötzlich sah ich, daß einer in die Klosterkirche laufe, um Sturm zu läuten; ich lief ihm nach und schrie ihm nach, stellte es ab, und war ich mitten unter einem Haufen Bürger und Bauern; ich stellte ihnen alles, gar alles vor und ich hätte sie überzeugt, wenn nicht ein Schreckensmann mit schäumenden Munde unter diesen Haufen getreten — und abermalige Bewaffnung geprediget hätte: noch schlimmer und vernunftloser waren die Weiberzungen, da sie mich Ruhe predigen hörten. Und so blieb es bis Nachts 1 Uhr ruhig, wo sich die rechtlichen Männer nach Haus begeben hatten.

Um Nachts 1 Uhr, nachdem schon früher ein Patroulle in Kniepaß und Roßschläg war aufgestellt worden, kam der Schluß von den Schreyern bewirkt, die Waffen abermals zu ergreifen, zu Stand, der dadurch seine Wirklichkeit erreichte, weil vom Innern Tirol Ordinanzen ankamen: Franzosen und Bayern ziehen von Innsbruck ab, man soll also in Ehrenberg alle Grenzorte aufs neue und thätigste besetzen: darauf rückte man hier bis Stegen bey Vils und dem weissen Hause vor, am Kratzer etc. etc. wurden Verhaue, Gräben und Löcher zum Schützenverbergen gemacht, und diese Dinge waren ärger als die ersten: welches Viele einsahen und daher mit ihren Familien den 30. May ins Lechthal flohen. Auch hier wurden die Kirchen-Geräthschaften und von den Bürgern und Bauern die bessern Habseligkeiten in Gewölben und Kellern eingemaurt, vergraben, weggeführt, verborgen, und weil die H. Anwälde bey der Schutzdeputation in Reutte zur Zeit der zweyten Waffenergreifung nicht mehr dienen wollten, wurden sie von den Insurgenten dazu gezwungen.

II.

Auf den Befehl, die Grenzorte zu besetzen, auf die Nachricht, daß die Baiern abgezogen, daß die Spitäler zu Innsbruck voll Verwundeten seyen, daß der k. k. Major Theimer einem bairischen Corps von 4000 Mann nach Kufstein nachsetze, der Sandwirth (sein Wirthshaus ist in Passeyr auf Sand gebaut) aber die Übrigen verfolge, kamen also wieder aus Berwang, Imst, Landegg, Zirl und Lechthal Compagnien an: — an Sonn- und Feyertagen war in Roßschläg von einem Kloster-Pater eine heilige Messe — in Binswang aber 2 heilige Messen nämlich von der Pfarr Breitenwang und dem Ortskuraten, auch manchmal eine kurze Predigt; auch eine Messe unterm See, abwechslungsweise von den Pfarrern zu Heiterwang und Biechelbach.

Weil es bei den H. Bauren-Majores an Subordination gebrechen wollte, so kamen endlich wieder Kommandanten nach Reutte und zwar H. Augustin v. Plawen, H. Ferdinand Fischer als Vice-Commandant, welche ihre Adjutanten hatten: da nun die Sache aufs neue ernsthaft wurde, so zogen die Baiern, Wirtenberger und Augsburger-Förstner von Füssen ab und mit ihnen manche Füsser-Familie, deren Häuser aber bey Besetzung der Stadt von den Tirolern mit Essen und Trinken nicht gut behandelt wurden.

Da Voradelberg ebenfalls im Aufstande war, so kamen itzt auch von dorther Deputierte, begehrten Bley (denn H. von Strelle hat ein Bleibergwerk in Bieberwier) und erhielten es, versprachen Pulver und lieferten keines: dessetwegen war der Pulvermangel manchmal so groß, daß man die Portionon in Löffeln zertheilte, der Bleiverbrauch aber so verschwenderisch, daß man immer faßte und unter der Hand spottwohlfeil Bley hätte kaufen können.

Bey aller dieser Thätigkeit sah aber der Tiroler nicht nur nicht, sondern man suchte ihn von Seite Östereichs mit allem Fleisse zu verblenden, damit er nur nicht aufs Waffenniederlegen denken möchte: daher die gedruckten und offiziel geschriebenen Nachrichten, Bonaparte, der französische Kayser, seye vom österreichischen Erzherzog Karl bis Brugg mit einer ungeheuren Niederlage zurückgeschlagen, — die Franzosen und Baiern seien in einem Halbmonde eingeschlossen — der König in Preussen trette mit 80.000 Mann auf die Seite des österreichischen Kaisers — Bonaparte habe vom österreichischen Kayser Friede begehrt — ja sogar gedruckte Dekrete mußten im Namen des Kaysers Franz II. und des Erzherzogs Karl, seines Bruders, von den Kirchenkanzeln promulgiert werden; Österreich werde allen in Tirol angerichteten Schaden gut machen, Tirol werde nie mehr vom Hause Österreich getrennet werden, Tirol seye der kostbarste Edelstein in der Krone des österreichischen Kayserthums etc., zugleich wurden auf verschiedenen Wegen Nachrichten verbreitet, auch in Wirtenberg, Born und Neapel seye das Volk in Massa aufgestanden. Bei allen diesen Nachrichten kam aber von Österreich weder an Geld noch Munition, noch an Mannschaft einige Unterstützung ins Tirol, ja man konnte nicht einmal die selbstrancionierten Österreicher bewaffnen; dessetwegen wurden alle Schüßgewehre, Sättel etc. von den Unterthanen Tirols gesammelt, um diese Leuthe nicht umsonst in dem nahrlosen Tirol ernähren zu müssen, und die reicheren Unterthanen wurden auch hier mit gezwungenen Geldanlehen belastet.

Um diese Zeit wurde Michael Hohenegg, ein Bauer von Ehenbihel, der auch Waffen trug, in der Gegend von Füssen gefangen, nach Kempten und dann nach Augsburg transportiert, wo er in einem Thurn bis zum Ende des Krieges gefangen sitzen mußte.

Sosehr Österreich arbeitete, den Tirolern die wahre Lage der Sache zu verhüllen, so suchte die baierische Regierung durch den Salinenminister von Utzschneider sie mit Verheissung verschiedener alter Rechte und Privilegien zum Waffenablegen zu bewegen: allein der österreichische Landes-Intendant Baron von Hormayr verfaßte und verbreitete eine Gegenschrift, wodurch die Tiroler auf die Verheissungen Baierns misstrauisch gemacht wurden.

Am 17. Juni kam Major Theimer wieder nach Reutte und Nachts 2 Uhr mußten auf seinen und seiner Kommandanten Befehl alle streitbaren Männer nach Füssen; dort kamen 17 Compagnien Tiroler Bauern zusammen. Die Stadtthore waren bis 8 Uhr vormittag geschlossen, endlich rückten sie mit Jubel nach Schongau vor, zugleich sollte aus Ehrwald und Scharnitz ein Ausfall statthaben. Diese Sache war so elend veranstaltet, daß Offiziere ohne Commando, ja ohne Kenntnisse waren, was man vorhabe, wie weit jeder vorrücken, wo bleiben, was thun soll.

Allein der Ausgang entsprach ganz der Anstalt; den 19. Juni sah man um Mittag von Ettal durch den Ammerwald Truppen Leuthe ohne Ordnung voll Hunger und Durst, mit wunden Füssen, ganz durchgeregnet zurückkommen, nämlich sie hatten den Kürzeren gezogen, mehrere Kompagnien der Bauern haben nicht einmal gewußt, wohin sie sollten und das Ganze war auf eine Geldschneiderei angesehen, von dem aber die Bauern sowenig als von jenem Geld in Kempten gesehen hätten: dabey fiel durch einen Kugelschuß der Johann Singer, Bürger in Reutte, so in Murnau begraben liegt.

Es war bey allem Elende doch zum Lachen; am nämlichen Tage kam die Nachricht von Seite Österreichs, daß der Erzherzog Karl 60.000 Mann theils gefangen, theils verwundet, theils getödtet habe, und unter diesen 31 Generale — von Seite Baierns kam gedruckt officielle Anzeige, daß zwischen Frankreich und Österreich ein Waffenstillstand abgeschlossen worden sey, dessen Inhalt für Österreich wohl gar nicht günstig war, unter andern wurde von Tirol und Voradelberg nur dies gemeldet, daß die österreichischen Truppen aus diesen zwei Provinzen abzuziehen und sich an den Erzherzog Karl anzuschließen erlaubt sey, welches wohl nichts anderes hieß als: Tirol und Voradlberg, du bist von uns verlassen. Dieser Waffenstillstand wurde im benachbarten Baiern und Schwaben aller Orten kundgemacht und öffentlich angeschlagen; über die Anfrage erklärte der österreichische Oberstleutnant Taxis den 23. July der Waffenstillstand sey nur erdichtet. Endlich kam vom General Buol die weitere Erklärung: der am 12. Juli 1809 abgeschlossene Waffenstillstand sey wahr und Österreich könne Tirol nicht mehr unterstützen.

Auf dieses hin, nachdem Viele den Waffenstillstand geglaubt, Viele bezweifelt und alles gegeneinander disputiert hatte, legte man am 31. July oder 1. August abermals die Waffen nieder und entschloß sich, sich dem König von Baiern in Demuth zu unterwerfen. *)

*) In dem Manifeste Marschall Lefebvres wurden auch die Hauptleute Plawen und Dietrich zur persönlichen Stellung nach Innsbruck vorgefordert.

Am 2. August fiel wie gewöhnlich der Portiunkula-Ablaß ein, und fand sich in Reutte von den benachbarten Orten eine ungewöhnlich große Menge Menschen ein: Vormittag war alles in Ordnung, außer daß eine Weibsperson, die sich besessen stellte, allerley Prophezeyungen von künftigen Unruhen aussagte.

Nachmittag um 2 Uhr versammelte sich vor dem Hause des Herrn Hirschwirths in Reute das Volk in großer Zahl, einige traten hinein, und ihr  ganzes Betragen zeigte von Händelsucht, wozu es auch bald kam; man hatte nämlich ausgesprengt, im Keller des Herrn Hirschwirths seyen von verschiedenen Herrn 48.000 fl. Kaysergeld, welche den Landesvertheidigern als Sold vom Kayser Franz II. wären geschicket worden, vergraben. Der Tummult war so groß daß man nur vom Tödten, Morden und Todtschlagen der Herren (unter Herr ward jeder verstanden, der ein Vermögen besaß, wenn er gleich im Bauernkittel daherging) sprach; einige wurden auf Leben und Tod aufgesucht, der damalige Landgerichts-Provisor von Traubenberg fiel Weibern in die Hände, die ihn blutig schlugen und ihm in dem Kopfe eine bedenkliche Wunde beybrachten, wessetwegen er einige Tage liegen mußte und zu Nachts im Kloster schlief.

Bey diesen Schreckensscenen kam jemand ins Kloster, und bat um mich (ich war eben in der Vesper allda), P. Quardian und Vicarium: wir sollten doch suchen; das Volk zu besänftigen. — Wohl mit Kummer und Forcht, auch wir möchten vom rebellischen Volke blutige Köpfe und derbe Schläge davon tragen, traten wir unter den Haufen, und sprachen, was uns Vernunft, Religion und Nächstenliebe eingab, wir baten, betheuerten, beschworen sie doch zu ruhen, und endlich nach einer Stunde verminderten sich die Aufrührer und das zuschauende Volk ging auseinander. O wie sehnlich habe ich da gewunschen, ein plötzlicher Schlagguß möchte alles auseinanderjagen, aber es blieb das schönste Wetter! Mehrere Gutgesinnte kamen in meinen Rücken, zogen mich an den Kleidern, mit der Bitte, nach Hause zu gehen, sonst werde ich mißhandelt; ich blieb bis dieser politische Sturm vorüber war. Was mir bey allem Elende noch einigen Trost brachte, war, daß ich von meinen Pfarrkindern nur 2 Rebellen sah: einer resoniert auch sonst, ohne zu wissen, warum? den andern stillte ich bloß mit den Blicken meines Auges, von dem ich später erfahren mußte, daß gerade sein Vater sel. in seiner Krankheit aus dem Hause des H. Hirschwirths die meiste Unterstützung genossen habe. Die meisten dieser Schreckensmänner waren aus der Pfarre Haiterwang, Biechelbach und Aschau, auch etwas aus Lechtal. Darauf gingen wir ins Kloster zurück; es wurde zwar noch  die Lermtrommel gerührt, sie hatte aber keine Folgen.

Als ich nach Hause kam, traf ich den H. K. B. Waldmeister Peter Schilcher an, der sich zu mir geflüchtet hatte; er blieb bis in die späte Nacht hier, wo er erst nach eingezogener Kundschaft, daß nun alles ruhig seye, spat in der Nacht in seine Wohnung zurückkehrte.

Nach dieser Zeit kamen mehrere Männer aus den benachbarten Gebirgsgegenden und sahen und fragten, ob hier alles ruhig seye: es war auch noch alles ruhig bis auf den 9. August.

III.

Den 9. August Nachmittag um 5 Uhr rückte der königl. Würtenbergische Obrist H. von Obernitz mit 120 Fußgängern in Reutte ein und besetzte es; er nahm seine Logie in dem Hause des H. von Strelle und die Hauptleute wurden in die Wirthshäuser, die Gemeinen aber in Bürgerhäusern einquatiert. *)

*) Über diese „Affäre in Reutte" war bisher nur aus  „Joseph Kögl's Geschichtlichen Notizen über den Pfarrbezirk Breitenwang" (Füssen 1830) Weniges bekannt; aus ihm schöpften Weber und Staffler. Auf ihn stützt sich auch, ergänzt durch einige Angaben des † Buchbindermeisters Franz Ihrenberger in Reutte, die von Kurt Eichhorn in seinem Büchlein „Im Ausserfern" (Imst 1901) gegebene Darstellung, welche zum Vergleiche hier angefügt sei: „Als am 9. August 1809 eine Abteilung feindlicher Soldaten unter dem württembergischen Major von Obernitz in Reutte selbst einrückte, da war hier alles auf, um nur den Augenblick zum Eingreifen zu erspähen. Die fremden Soldaten sangen in ihrem Übermuth Spottlieder und verhöhnten die sich um sie sammelnden Bürger und Bauern. Als sie aber ihren Worten wilde Drohungen hinzusetzten und sagten: „Das Dorf Aschau führe gerade den rechten Namen — sie würden dasselbe in Asche verwandeln", so schlug dies dem Fasse den Boden aus. Für die Nacht wurde die Überrumpelung und Gefangennahme der Lästerer beschlossen. Der feindliche Major schien das Drohende der Lage zu ahnen. Er ließ seine Mannschaften auf dem Platze neben dem Kornhaus sammeln und sendete am Abend Patrouillen zur Beobachtung der Umgebung aus. Kurz vor Mitternacht stieß denn auch eine solche nach Aschau kommandierte Abteilung auf bewaffnete Landleute, die gegen Reutte vorrückten — und im Nu entspann sich der Kampf. Auf das Gewehrfeuer hin ertönten plötzlich die Sturmglocken, so daß die Patrouille schleunigst kehrt machte, gefolgt von den erbitterten Bauern, die von allen Seiten Zuzug erhielten. Am Kornplatz (Marktplatz) kam es zum Hauptzusammenstoß. Dort kommandierte Major von Obernitz von den Fenstern des Strellischen Hauses (heutiges Federspielhaus) herab und suchte seine hartbedrängten Leute zum Kampf aufzumuntern. Die wohlgezielte Kugel eines Scharfschützen streckte ihn aber nieder und auf das hin ergab sich sein führerlos gewordenes Detachement. Dasselbe wurde gefangen genommen und ins Innere des Landes transportiert." — Die Erzählung deckt sich soweit mit Zobel, da dieser aber nicht einmal einer Verwundung des Majors erwähnt, gehört dessen Fall wohl in das Reich der Legende.

Nach meiner geringen Einsicht war es ein militärischer Fehler, daß dieser Kriegsmann mit einer solch geringen Mannschaft in ein empörtes Land einrückte: auch haben sich seine Leute wenigstens beym Eintritte ins Land Tirol unklug betragen, indem sie gleich Wein, sehr gute Kost forderten und verschiedene Lieder zum Spott der Tiroler sangen; sie stoßten auch Drohungen aus, und sagten z. B.: Aschau habe den rechten Namen, es werde wohl noch zu Asche werden müßen. Diese Dinge giengen plötzlich von Mund zu Mund, die Einwohner zwischen den Thoren (Haiterwang, Biechelbach, Lermoos und Ehrwald) haben ihre Ankunft auch gleich erfragt, und sich mit Schüssgewehren aufgemacht, schon beym Anbruch der Nacht lagerten sich Viele hinter dem Sinn wag, in Aschau rotteten sich die Leuthe auch zusammen, und nach Reutte und die Dörfer Breitenwang, Pflach, Ehenbichel etc. kamen Bothen auf Bothen man soll sich rüsten: man wolle die Wirtenberger gefangen nehmen.

Nachts um ½ 12 Uhr stoßten die Wirtenberger- und Tiroler Patroulle auf der Lechbrücke schon zusammen. Der Kampf begann — in den Kirchen und Kapellen wurden Sturmzeichen gegeben, Knall auf Knall, von allen Seiten ertönte ein entsetzliches Geschrey, Heulen und Rufen. Der Platz des Hauptkampfes war beym Kornhause und Hirschwirthe, wo unaufhörlich Bloutonfeuer auf die Tiroler gegeben aber nur 2 davon verwundet wurden: 2 Wirtenberger blieben todt, einer wurd tödlich verwundet, der später im bürgerlichen Krankenhause zu Keutte starb. Leicht verwundet wurden auch einige Offiziere, denen auf der Post zu Reutte nicht nur alle Hilfe geleistet wurde, sondern sie vertrauten dem H. Postmeister und seiner Frau ihre Kostbarkeiten ingeheim an, die sie auch alle rückerhalten und wofür sie die schönsten Dankbriefe schrieben. Sie hatten sich als Gefangene ergeben.

Sobald die Gefangennehmung bekannt war, wurden sie von den Bürgern und Bauern rein ausgeplündert, ja schamlos ihrer Kleider beraubt. Viele, so nicht einmal mitgekämpft, sondern nur auf Beute gelauert hatten, stiegen über die Gartenmauern, nahmen aus den Ställen Pferde, Sättel, Pistolen, Reitküsseter, Mäntel, Geld etc. Die Gefangenen wurden in aller Frühe nach Vinsgau transportiert, die zwey Todten unter zahlreicher Begleitung des Volks im Pfarr-Gottesacker zu Breitenwang begraben, ja sogar Geld geopfert, daß die gewöhnlichen drei Todten-Gottesdienste für sie konnten gehalten werden.

Diese Aktion war also die dritte Waffenergreifung. Die Bauren besetzten aufs Neue Roßschläg, Kniepaß und Kratzer; auf alle Seiten giengen Ordinanzen ab, und käme auch die Nachricht, die sich später erwahrte, daß der französche General Herzog von Danzig, der über die königl. bairischen Truppen das Kommando führte und ins Tirol eingebrochen war, eine entsetzliche Schlappe empfangen habe; nämlich er dehnte sein Corps bis Steinach und Oberinnthal aus, und bey engen Gebirgswegen ließen die Tiroler Steine herab, daß Kanonen, Pulverwägen, Kelter und Fußgänger in den Innfluß geschleudert, oder sonst elend zugrund gerichtet wurden, kurz dieser General mußte abziehen, und zog durchs untere Innthal ab, verlor aber auch durch diesen Fall die Achtung des französischen Kaisers Bonaparte.

Nun war der Andreas Hofer, Sandwirth aus Passeyr, die erste Person im Lande, und bezog auch die Burg in Innsbruck: er gab Befehle, und man respectierte sie ziemlich, aber Geld konnte er keines schicken. Auf seinen Befehl rückten wieder von allen Seiten Compagnien an die Grenzen Ehrenbergs, so zwar, daß in Roßschläg so viele neue Hütten erbaut waren, daß dieser Platz einem neu aufgebauten Dorfe ähnlich war; auch wurden Bittgänge und Bethstunden fortgesetzt.

Bey dieser Gelegenheit übernahm H. Wille, Wirth zu Haiterwang, das Kommando über hiesige Posten, bis H. Augustin v Plawen *) wieder ankam; es wurden wiederum Männer zu einer Deputation gewählt; die sich aber alle Mühe gaben, davon loszuwerden. Es mangelte bereits an allen, **) dessetwegen schickte man zwei Abgesandte nach Innsbruck zum Sandwirth mit der Bitte, man soll dem Gerichte Ehrenberg doch wenigstens mit Salz aushelfen; man that es auch, und es wurden ihm 700 Faß zugetheilt, die mit Schwaben gegen Getraid, so sie über Pfronten und Vils und dann über den Schwangauer-See bey der Nacht hereinschwärzten, vertauschet wurden. Man legte auch auf Partikulär in jeder Pfarr ein gezwungenes Anlehen zum Getraide Ankauf, weil man später übereins gekommen war, jede Pfarr soll ihre Waffenträger selbst ernähren; so und noch dadurch nährte man sich und die Compagnien, daß man endlich auch hier selbst die Feldfrüchte einschneiden und Erdäpfel ausgraben konnte.

*) Er wurde in der Folge durch Hormayr zur Erhebung in den Freiherrnstand vorgeschlagen, doch blieb es beim Vorschlag. Hirn a. a. O. 714.
**) Nicht nur an Sold, ja „selbst an Wäsche", erwähnt Hirn (a. a. O. 673).

Hier muß ich eine Meldung machen von einem Knabenkriege, der manchen Verdruß und auch manches Gelächter verursachte. Aus Innsbruck kam die Nachricht, daß der Sandwirth mit seinen Passeyrern in Innsbruck sich gelagert habe, und daß diese den Mädchen ihre über die Stirne herabhängenden zottichten Haare mit einer Scheere auf der Gasse abschneiden; es kam auch ein vom Sandwirth gefertigter Befehl hieher, die Frauenzimmer sollen sich ehrbarer bedecken, durch ihre Blösse seine Leuthe nicht zu ärgern und sich selbst zuschreiben, wenn sie dessetwegen mit Koth geworfen würden. Das erstere Beyspiel ahmten die Knaben hier nach und paßten mit Scheeren den Mädchen auf, wenn sie mit solchen Haaren aus der Kirche kamen oder jagten sie aus selber heraus, welches manchen Kampf und manche Klage verursachte.

Unterdessen ging die Insurrectionssache an den Grenzen mit allem Ernste fort; man plenkelte bereits alle Tage. Es kamen auch 3 Kanonen und 2 Doppelhacken an, eine Kanone mußte besser ausgebohrt werden, und dies verstund der Schmiedmeister Johann Henggi zu Reutte. — So verstrich der Monat September und fast auch der Oktober, wo allerley falsche Gerüchte von Verheissungen des Kaisers Franz II. und seiner Brüder, vom Krieg, von Siegen, von Frieden etc. etc. verbreitet und das Volk im Irrwahn erhalten wurde. Am 4. Oktober wurde Johann Paul Nigg, Bürger von Reutte, da er in einer Mühle bey Schwangau Getraid kaufen wollte, von den Franzosen gefangen und nach Kempten abgeführt, wo er bis zum Ende des Krieges gefangen sitzen mußte.

Endlich am 22. Oktober feyerten die Franzosen in Füssen das Fest wegen dem zwischen Österreich und Frankreich abgeschlossenen Frieden; viele allhier glaubten aber an keinen Frieden. — Am 24. Oktober zündeten die Franzosen das K. Zollhaus „Weißehaus" genannt, selbst an, *) denn die Tiroler hatten sich öfters darin verborgen, und ihnen Schaden zugefügt.

*) Hirn (a. a. O. 739) bemerkt hiezu nach Aufzeichnungen Falger‘s Die Feier des Friedensschlusses in Füssen beantworteten die Tiroler mit einem Ausfall, wurden aber zurückgetrieben, und das Zollgebäude in Weissenhaus wurde eingeäschert."

Am 4. November schickte der französische Commandant in Füssen ein freundschaftliches Schreiben an das hiesige Tiroler Commando, welches meldete: der Friede seye wirklich abgeschlossen und darin dies für Tirol, daß diesem Lande eine allgemeine Amnestie oder Verzeihung, Schutz der Personen und des Eigenthums zugesichert worden seye, wenn sie sich unterwerfen und die Waffen schnell niederlegen.

Nun wurden alle Deputierte, Anwälde, Commandanten und Hauptleuthe etc. auch ich und P. Quardian zur Deputation gerufen und, da auch aus Zirl und Oberinnthal die traurigsten Nachrichten eingegangen waren, beschloß man, obwohl einige Aschauer und Biechelbacher heftig entgegen resonierten, die angebothene Gnade anzunehmen, die Waffen niederzulegen und das Land zu öffnen. — Mittags bath mich die Pfarrsvorstehung, ich möchte doch mit mehrern angesehenen Männern (die sich aber später fast alle davon machten) auf Roßschläg, Binswang und Kratzer hinausreisen, um die Leuthe zur Waffenniederlegung zu bereden, damit wir nicht etwa noch wegen fernerer Wiedersetzlichkeit durch Brand die Häuser und durchs Schwert oder Bley das Leben verlieren. Ich gieng auf der Stelle und fuhr auf einem Leiterwagen dahin, both alle meine Beredtsamkeit auf, stellte vor und bath, und alles gieng in seine Wohnung zurück; aber von etlichen besoffenen und rebellischen Burschen wurde mir das Todtschießen gedroht, derowegen vermied ich im Heymgehen mit einem guten Freund, der wegen meiner Person war gewarnet worden, alle Strassen, gieng durch Büchel Wiesen und Felder und kam glücklich (eine äußerst dunkle Nacht half dazu) in meinen Pfarrhof.

So nahm diese Geschichte ihr End. — Darauf mußten die Leuthe, die Pfarren Breitenwang und Wängle die Schanzwerke, Hütten, Gräben, Pallisaden etc. etc. kurz allen Kriegsbau selbst abtragen, das Holz wurde aber nach Füssen geführt oder von den Franzosen verkauft.

Den 11. November kam ein französischer Offizier mit 200 Mann nach Reutte, lagerte sich auf der Gasse vor dem Landesgerichtshause und forderte die Schüssgewehre; man lieferte auch viele aus, mit denen er noch bey Tage nach Füssen zurückkehrte.

Den 12. November rückte der königl. bairische Major Waibl mit 400 Mann in Reutte ein und es wäre vielleicht bey dieser geringen Mannschaft geblieben, aber etliche Dummköpfe oder Bösewichte (sie sollen aus der Aschau gewesen seyn) sahen einen königl. bairischen Adjutanten reiten und sagten: in zwei oder drei Tagen

[Seite 26 - 27 fehlt, wird nachgereicht, xxxxx]

Zusammenstellung:

sammentlicher Forderungen, Unkösten der Lands-Vertheidigungs-Mannschaft, dann Schanzenbau-Verdienste im ganzen k. k. Landgerichte Ehrenberg vom Jahre 1809.

Gegenstand Betrag R.-W.
Gerichts-Insurrections-Unkosten:
fl.
kr.
Für Passiv Capitalien an forcierten und freywilligen Anlehen
16.548
34 ½
Frucht und Brod Regien
11.731
33 ½
Fleisch Regie
3.751
17 ½
Natural Lieferungen
482
10
Salz Spedition
2.221
09
Verpflegung Blessierter, Kranken und Todfallskösten
1.208
45 ½
Diäten
3.715
36
Kundschaft- und Bothengänge
107
30
Verschiedene Auslagen
1.810
39 ½
Compagnie Löhnungen
299.488
52
Verpflegung, Vorspann und Fourage etc. der außergerichtlichen Compagnien
25.616
48 ½
do. der innergerichtlichen
16.477
50 ½
Feindliche Executionen
11.473
17
Requirierte Gewehre
27.771
13
Und für ausserordentliche Erlittenheiten
15.020
32
Summa
437.422
68 ½

 

Gegenstand Betrag R.-W.
Gerichts Forderungen an das k. k. Oe. Militär:
   
Für Verpflegung, Vorspann und Fourage des k. k. Militär
3.717
41 ½
do. Rancionierte und Gefangene
1.319
-
do. Munition und Kanoniers Bedürfnisse
1.710
08
Requisiten zum Schanzenbau und derley Beschädigungen
936
19
H. Jakob Aloys von Strelle für baare Auslagen, Bley etc. etc.
26.952
03
Und auf Schanzen und Fortifikationsbau für Verdienste und Materialien
90.454
44 ¾
Summa
124.089
16 ¼

Werden nun die Gerichts-Unkosten zu den Gerichtsforderungen ans k. k. Militär zusammen addiert per 437.422 fl. 68 ½ kr. so ergiebt sich, daß das Gericht Ehrenberg im Jahre 1809 wegen der Insurrection Unkosten gehabt habe in Summa 561.511 fl. 84 ¾ kr.

Obiges hat der Unterzeichnete; aus der Gerichts-Rechnung ddo. 13. Jänner 1817, so der Gerichts-Kassier H. Leopold Daniel legte, herausgenommen.

Breitenwang, den 9. September 1819.

Franz Xaver Zobel, Dechant und Pfarrer.


Mit dieser nicht uninteressanten „Unkosten-Zusammenstellung" schließen Dechant Zobel's eigenhändige „Aufzeichnungen über die Ereignisse in Außerfern i. J. 1809". Sie dürften vielleicht einen nicht unwillkommenen Beitrag zur Quellengeschichte des tirolischen Ruhmesjahres bilden.

Nachwort.

Nach der allgemeinen Waffenstreckung mag es wohl auch in diesem Landstriche noch da und dort fortgegährt haben; indessen ist nichts bekannt, dass es zu weiteren Vorfällen gekommen wäre. Immerhin ist es aber bezeichnend, dass Fürstbischof Clemens Wenzeslaus von Augsburg, ein gebürtiger Pole, zu dessen Diözesansprengel auch das Dekanalamt Reutte damals gehörte, sich veranlasst gesehen — vielleicht unter dem Drucke der Regierung — den ihm unterstehenden Diözesanklerus eindringlichst durch nachfolgende, in Druck erschienene Kurrende *) zu belehren und auf seine staatsbürgerlichen Pflichten Aufmerksam zu machen.

*) Abschrift in Bibl. Tir. Ferd. 8706. f. 66.

„Geliebte Curatgeistlichkeit des Landkapitels Reutti in Tirol!

Gleich nach dem Ausbruche des letzten Krieges habe ich die Kuratgeistlichkeit meines ganzen Bisthums väterlich ermahnet und angelegendst aufgefordert, ihre Seelsorgs Angehörigen zur Geduld, zum eifrigen Gebethe und festen Vertrauen auf Gottes Fürsicht zu ermuntern, anbei zu einem treuen, folgsamen und ruhigen Verhalten nach dem sanften und friedsamen Geiste unserer heiligen Religion unablässig nachdrucksamst zu ermahnen.

Da ich nun vermuthen kann, daß die eingetretenen Kriegsverhältnisse und Unruhen meine väterliche Stimme zu meinen Bisthums-Angehörigen im Landkapitel Reutti nicht haben vordringen lassen, so finde ich mich bei nunmehriger ruhigem Lage veranlaßt, meinen bischöflichen Zuruf an gesammte Kuratgeistlichkeit des gedachten Landkapitels zu erneuern und auf dessen ohnehin schon in ihrem Standesberufe liegende, genaueste Befolgung um so mehr zuversichtlicher zu dringen, als die im Tirol bestehende Generalität sich durch Umstände bemüßiget gefunden hat, die Drohung zu wiederholen, daß jeder Ort, wo den kaiserlich-französischen oder den damit alliirten Truppen nur der mindeste Widerstand geleistet würde, mit Mord und Brand verheeret werden sollte.

So getrost ich zwar erwarte, daß keiner meiner Bisthums-Angehörigen im Dekanate Reutti zur Vollziehung dieser Drohungen die entfernteste Veranlassung geben werde, so fühle ich mich doch durch meine bischöfliche Sorgfalt aufgefordert, sämmtlicher gedachten Kuratgeistlichkeit andurch gemessenst anzubefehlen, ihren Gemeinden von der Kanzel, in dem Beichtstuhle und bei jeder Gelegenheit ihre Gewissenspflicht lebhaft vorzutragen, dieselben zur Ruhe, Ordnung und Gehorsam ernstlich zu ermahnen, von allen, nicht zu erwartenden Widerstande abzuhalten und ihrem Gewissen vorzustellen, daß Gehorsam und Unterwürfigkeit gegen den Landesherrn eine von Gott anbefohlene Pflicht sei, und sie für alle die auf Widerstand erfolgenden Gräuel die strengste Verantwortung vor Gott und der Welt sich zuziehen würden.

Gegeben in meiner Residenz zu Augsburg, den 19. Dezember 1809.

Clemens Wenzeslaus, Fürstbischof."

Dass jedoch der Distrikt, wenn ihm schon eine längere und intensivere feindliche Invasion erspart geblieben, noch durch lange Zeit an den Folgen dieser Kriegsepoche zu laborieren hatte, zeigen die mehrfach zu Tage getretenen Nachtragsforderungen durch den Krieg betroffener Parteien an die österreichische Regierung, wie dies z. B. eine erst dreißig Jahre später erledigte Verrechnung dartut: *)

*) Bibl. Tir. Ferd. 2731. F. 68, V.


Auszug.

„Aus dem von der k. k. Kammeral Hauptbuchhaltung in Wien am 24. November 1837 verfaßten Ausweiß über die im Jahre 1809 durch die in den Gerichten Ehrenberg, Aschau und Vils errichteten Verschanzungen entstandenen Forderungen, hierauf geleisteten Zahlungen und noch aushaftenden Guthabungsreste der betr. Partheyen.

Der angemeldete Forderungsbetrag besteht in 72.031 fl. ¼ kr. Reichs-Währung, das sind in
 
Wiener Währung Konvenzions-Münze
60.025 fl. 50 5/24 kr.
Hievon wurden als illiquid ausgeschieden
13.804 fl. 11 21/21 kr.
 
__________________
und liquid befunden
46.221 fl. 38 8/24 kr.
Hierauf sind bereits angewiesen und bezahlt worden:
a) von dem Oberschanzbauführer Joseph Ant. Nauß
4.176 fl. 21 6/24 kr.
b) aus der hiesigen k. k. Kammeral Ausgabskassa
1.175 fl. 27 kr.
 
__________________
Zusammen
15.251 fl. 48 6/24 kr.
Nach Abschlag des Empfanges von der liquiden Forderung verblieb ein Guthabungsrest von
30.969 fl. 56 2/24 kr.
Hingegen hatten einige Partheyen von den obengenannten Oberschanzbauführer um
744 fl. 16 12/24 kr.
zu viel erhalten, nach deren Hinzurechnung sich die ganze Schanzbauforderungssumme auf:
 
__________________
31.714 fl. 6 14/24 kr.

Die vorstehende Überzahlung wurde dem Nauß von seiner Guthabung abgerechnet und die Verlassenschaftsmassa desselben hiewegen an die betreffenden Partheyen verwiesen."

Soviel über die geschichtlichen Ereignisse im Außerfern, welche, wenn selbe auch nicht bestimmend in den Lauf der damaligen Landesgeschichte eingriffen, immerhin verdienen aufbewahrt, zu werden.


Quelle: Franz Xaver Zobel, Ereignisse im Ausserfern, in: "Aus vergilbten Blättern", Zeitgenössische Beiträge zur Geschichte von anno Neun. Akten zu Tirols Jahrhundertfeier. Nach Originalaufschreibungen herausgegeben von Heinrich von Wörndle. Innsbruck 1909. S. 1 - 32.

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.