227 - Nessings Korrespondenz


Arco und der Landschaft gewechselten Schriften. 1) Mit wiederholten Berichten bediente den Erzherzog der Kaffeewirt Nessing in Bozen. 2) In seiner oft ungeschlachten und überschwenglichen Manier plaudert Nessing über die verschiedensten Dinge. Es ist offenbar Verabredung und sollte, wenn ein Uneingeweihter die Briefe läse, vor Entdeckung schützen, dass der Schreiber den Erzherzog als Bruder anredete und duzte, sich als Caspar Larifari oder „Maskenfreund" unterzeichnete und seine Schreiben aus „Überall" datierte. 3) Die Erzählung über die Priesterverfolgung kleidet er in die Worte: „Vom Bischofsstab bis zum mindesten Priester formiert die jetzige politische Macht ein Chaos von satanischen Gewalttätigkeiten, welche unter dem Kleid einer reinen Religion maskiert werden. Diese oberflächliche Schilderung ist das wahre Original der modernen Possenreißer, die mit Religion und Priestertum und mit allen kirchlichen Rechten wie mit einem Ball spielen. Die verfolgte Klerisei beugt sich, sie hält sich still und duldet, um sich aller Vorwürfe zu entlasten, die man ihr zentnerschwer hinschleudert." Alle von den Bayern dekretierten Auflagen, das gänzliche Darniederliegen des Handels stellt dieser Berichterstatter dem Erzherzog vor Augen: „Die besten Leute werden zu Bettlern, der höchste Gebirgsbauer muss nicht nur Pferd und Kuh, sondern auch Schaf und Geiß versteuern; es werden uns schließlich nur mehr die Augen übrig bleiben, um unsere Not zu beweinen". Auch mit Listen von „Schurken", bedenklichen und gefährlichen Menschen, stattet Nessing seine Briefe aus. Graff und Khuen „sind wahrhaft die gefährlichsten und niederträchtigsten, die es geben kann, sie sind die Ursache vieler Neuerungen, und dass die Geistlichkeit auf so infame Art behandelt wird; Jung und Alt wünscht, dass doch einmal der Zeitpunkt kommt, um diesen Kanaillen den verdienten Lohn zu geben". Überall nichts als Unzufriedenheit: „Bei dieser Lage, mein lieber Bruder, würde es nicht schwer sein, die edlen Gebirgsbewohner, welche deine Mitbrüder sind und mit offenen Armen nach Erlösung schmachten, von den Fesseln der Sklaverei zu befreien." Und in einem andern Schreiben wieder: „Wie sehr seufzen

1) Reinhartsche Sendungen gingen durch Pausinger an Haager und von diesem an Johann. Haager an E. Johann, 1. Juli 1807. J. W.
2) Quittung Nessings (J. M.): „Postporto 1000 Gulden für die seit zwei Jahren vor dem Aufstand mit E. Johann gepflogene Korrespondenz durch zweite und dritte Hand, was der Herr Kugstatscher bezeugen kann." Die hier erwähnten Hände waren die des Anton Steger in Wien und des Josef Krieseisen in Graz. Über Nessings Guthaben s. Rapp p. 79. Kaffeesieder Nessing war persönlich unbedeutend. Er war aber auch Kanzlist des Merkantilmagistrats und stand als solcher mit dem Kanzler Dr. Plattner, einem der eifrigsten Anhänger Österreichs, in vertrauter Beziehung. Dies und seine Freundschaft zu Eisenstecken mag ihm ein gewisses Relief verliehen haben. Bericht Mich. Stautners a. a. O.
3) Aus der Besprechung einzelner Bozener Lokalsachen ist Nessings Feder gleichwohl zu erkennen.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 227

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.