228 - Graf Enzenberg


wir nach Erlösung und zwar bald. Ich sage bald, teils wegen der spanischen Affairen, 1) welche den wahren schicklichen Zeitpunkt öffnen, teils wegen der Folgen, wenn dieser Zeitpunkt versäumt wird. Bei längerem Zögern fährt jetzt die Machthaberei fort, in den Eingeweiden der Menschheit und in den Stätten des Heiligtums herumzuwühlen." Wie sehr Nessing die Befreiung herbeisehnt, eines macht ihm Sorge: die aufs höchste erbitterten Bauern und der „fanatisierte Pöbel" könnten Szenen aufführen, die selbst „manchem edlen Mann, welcher dem Staat viele Dienste leisten würde, das Leben kosten möchten". Da werde Österreich besänftigend eingreifen müssen. 2)

Was Martin Teimer, Tabakverleger in Klagenfurt, von seinen Tiroler Bekannten empfing, ließ er Johann durch den Grafen Enzenberg zustellen, es waren Schmerzensrufe über „die Bedrängnis des Vaterlandes". Der Graf selbst steuerte ähnliche Nachrichten bei: die Unzufriedenheit in Tirol sei allgemein und auf den höchsten Grad gestiegen, es fehle nur an einem klugen und findigen Kopf im Innern, und von außen an Unterstützung. Indessen untergrabe Bayern mit seinen Verfassungsänderungen und seinen Kirchenvorschriften den Nationalgeist, und mit dessen Verlust sei jede Hoffnung dahin. Enzenberg glaubt, für die „Universalität der Waffenerhebung" in Italien, in Bünden und Schwaben bürgen zu können, wenn sie nur zweckmäßige Anstalten sähen. „Mir kommt die aufgetürmte, noch nicht in feuerfeste Gewölbe gebrachte französisch deutsche, italienische, bayrische und Reichsmacht vor, wie eine Menge von auf einen Haufen gebrachten Pulverfässern: ein einziger Funke und alles fliegt mit einer schrecklichen Explosion in die Luft." Der Schaden, den dabei der einzelne leide, komme gegen den Gewinn für das allgemeine nicht in Betracht. Phantasievoll malt sich der Graf eine solche Erhebung aus. Österreichische Truppen müssten für einen solchen Fall in entsprechender Zahl Tirol nahe sein. Um das ohne Aufsehen zu erreichen, sollte in Oberkärnten, im Salzburgischen und im Innviertel ein scheinbarer Volksauflauf organisiert werden. Das wäre ein Vorwand, um in diesen Gebieten militärische Kräfte, angeblich zur Dämpfung, zusammenzuziehen. Diese würden sich mit „der sodann besänftigten Masse" vereinigen und einen Einfall ins Tirolische machen, „wo sie der Mithelfer so viele finden würden, als lebendige Geschöpfe darin sind, welche Arme und Beine nur etwas regen können". 3) Der Erzherzog vertröstete den Grafen mit der Versicherung, man wolle über seine Darlegungen nachdenken. Den hitzigen

1) In einem andern Briefe heißt es: „Das Land wartet hart, und jetzt ist ja der favorable Zeitpunkt der edlen spanischen Nation."
2) Nessings Briefe in A. J.
3) Enzenberg an E. Johann, 11. Sept. 1807. Teimer erhielt Berichte von Baron Reinhart, der mit ihm unter dem Namen Josef Hart korrespondierte. A. J.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 228

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.