233 - Erste Bekanntschaft


Enkel, ausgezeichnet durch eine seltene Frühreife des Geistes, unermüdliche Wissbegierde und literarische Schaffenslust, trat mit zwanzig Jahren 1802 in die Wiener Staatskanzlei ein. Als Hofsekretär arbeitete er in der deutschen Sektion derselben und versah daneben, die beiden Archivare Gassler und Weinkopf supplierend, die Direktionsgeschäfte im kaiserlichen Staatsarchiv. Stadion, seit 1806 sein Vorgesetzter, war mit der Dienstleistung des jungen Beamten ausnehmend zufrieden. Er würdigte ebenso die bedeutenden Entdeckungen, die Hormayr im Archive machte, wie das von ihm für dasselbe entworfene Einrichtungssystem, wodurch das Staatsarchiv „auf dem Wege war, an Mannigfaltigkeit, Wichtigkeit und Ordnung das erste Institut dieser Art zu werden". 1) Ebenso wusste es der Minister zu würdigen, was der Freiherr „durch seine Schriften im archivalischen, kritischen und historischen Fach geleistet hat, in welch letzterem er besonders der Tendenz treu geblieben ist, mancherlei Verleumdungen und absichtliche Irrtümer zu bekämpfen, die über Österreichs Politik und Maxime von den religiösen und politischen Gegnern dieses Hauses planmäßig und fortwährend ausgestreut wurden". Solch intensive wissenschaftliche Beschäftigung behinderte nicht seinen unmittelbaren Dienst in der Staatskanzlei, in welchem er gleichfalls glänzende Beweise umfassender Sachkenntnis und rastlosen Berufseifers ablegte. Es ward ihm gelohnt mit der Ernennung zum Archivdirektor.

Die erste Bekanntschaft Hormayrs mit dem Erzherzog knüpfte sich im Jahre 1801. Damals stand Feldmarschalleutnant Chasteler mit seinem Korps an der Seite mehrerer Schützenkompagnien in der Scharnitz. Bei einer derselben diente als Leutnant der freiwillig ausgerückte Hormayr. Die Langeweile des Lagerlebens kürzte sich Chasteler mit einem Entwurf über die militärische Wichtigkeit Tirols und die Reorganisation seiner Verteidigungsanstalten, und der anwesende Literat Hormayr steuerte dazu bei aus dem reichen Schatz seiner geschichtlichen Kenntnisse. 2) Damit war dem jungen Landwehroffizier die Gunst des Feldmarschalleutnants erworben, und als in eben diesen Tagen — es war nach dem Unglück bei Hohenlinden — Johann zum Besuch seiner Tante Elisabeth über Scharnitz nach Innsbruck reiste, stellte ihm Chasteler seinen Liebling vor, und Hormayr wurde von beiden einem Gespräch zugezogen über die geographischen, historischen und Defensionsverhältnisse des Landes.

1) Stadion an den Kaiser, 20. Februar 1808. W. St.
2) (Hormayr) Biographie Dipaulis.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 233

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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