255 - Der Vorwurf des Verfassungsbruches


daran erinnert werden, dass Tirol von Österreich abgetreten wurde nur mit jenen Rechten, die es unter Österreich genossen, und nicht anders. 1) In getreuer aber greller Darstellung ist alles aufzuzählen, wodurch Bayern seine Versprechungen gebrochen, was das Land gelitten hat. Nichts darf vergessen werden. Dies dient zum Beweis, dass Bayern selbst das wechselseitige Übereinkommen vernichtet, dass damit sein Anrecht auf Tirol aufgehört hat. Huldigung und Schwur ist dem König nie geleistet worden. Solches zu betonen ist bei einem gewissenhaften Volke nicht gleichgültig. Nicht überflüssig wird es sein, an die Zeiten eines Herzogs Friedl, Kaisers Max und Maria Theresias zu erinnern. Wer sich ohne Besinnen Österreich anschließt, soll schnell belohnt werden; das wird Aneiferung für andere sein.

Die von den Bauern angeregte Reinigung des Landes von „Übelgesinnten“ hielt Johann reifer Prüfung wert, damit nicht voreilige Schritte geschähen. Gewiss, meint er, müssen wir uns hüten, gegen einzelne, wenn sie nicht besonderen Anlass geben, Verfolgungen anzustellen oder Privatrache zu erlauben, aber zu viel Güte wäre auch von Schaden. „Privatleidenschaft und Parteigeist ganz aus dem Spiel zu bringen, ist bei Bewegungen einer Nation unmöglich, sie für Österreichs Vorteil zu lenken, das sei unsere Sorge. Nicht alle haben den gleichen Willen für die Wiederherstellung der alten Herrschaft. Wie niederschlagend müsste es für einen Wohldenkenden sein, wenn Menschen von zweideutigen Gesinnungen, welche die Einheimischen als Verräter und als Werkzeuge ihres Elendes ansehen, auf ihrem Platze blieben oder straflos ausgingen. Ausweisung oder Haft im Innern der Erblande schien da kaum zu umgehen.“ 2)

1) Dieses „und nicht anders“, d. h. die Verfassungsfrage, spielt in der Geschichte der Insurgierung Tirols eine greifbare Rolle. Die Urheberschaft Hormayrs hierfür ist ziemlich durchsichtig. Hormayr gab 1807 und 1808 je einen Band „Historischstatistisches Archiv für Süddeutschland“ heraus. Dieses Archiv war ganz vornehmlich der Darstellung der Verfassungs- und Wirtschaftsverhältnisse Tirols gewidmet. Von 456 Seiten des ersten Bandes handeln 342 über Tirol, von den 345 des zweiten 146. Die Tendenz geht unverkennbar dahin, die Landesverfassung als ein altehrwürdiges, kostbares Produkt der Vergangenheit zu feiern. „Mit Vorbehalt seiner Freiheiten kam Tirol 1363 durch Vermächtnis der Maultasch und freiwillige Übergabe an Österreich, so und nicht anders wie es Österreich besaß, ging es an Bayern über.“ In der Abhandlung über die rheinische Bundesakte ist der 8. Artikel des Preßburger Friedens aufgenommen, wo gleichfalls wieder die Stelle „und nicht anders“ mit durchschossener Druckschrift erscheint. Erzh. Johann bestätigt diese Absicht, da er schreibt (3. Sept. 1809, J. M.): „Hormayr hat schon früher, besonders in seinem Archiv für Süddeutschland, die Tiroler für die Behauptung ihrer verfassungsmäßigen und dem Friedensschluss entsprechenden Freiheit gestimmt.“ Das Archiv wird zwar im Tiroler Volk keine große Verbreitung gefunden haben, aber bei den Wiener Konferenzen dürften die Bauern von Hormayr eindringlich über den Verfassungsbruch belehrt worden sein. Sie sprachen davon auch dem Erzherzog, und nach ihrer Heimkehr erscheint dieser Punkt regelmäßig in den Beschwerden gegen Bayern. Vgl. ob. p. 70.
2) Vortrag d. E. Johann an den Kaiser, März 1809. J. M.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 255

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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