256 - Bedenken des Kaisers


Damit war das ganze Insurrektionsprogramm in seinen bei den Wiener Verhandlungen besprochenen und beschlossenen Einzelheiten vor dem Kaiser selbst ausgebreitet. Es diente, wie der ganze Wortlaut zeigt, mehr zur Kenntnisnahme als zur Bestätigung. Liegt eine solche von der Hand des Kaisers auch nicht vor, so ist doch anzunehmen, dass Franz prinzipielle Einwendungen nicht erhoben hat. 1) Vor dem ganzen Wiener Hof galt Johann als das „Zentrum aller nach Tirol konvergierenden Operationen“. Stadion wies alles, was sich auf Tirol bezog, an den Erzherzog. Nur die vielen Flüchtlinge kümmerten ihn noch. Ihretwegen verlangte er vom Kriegsminister ein Normativ, damit sie nicht gezwungen wären, wegen Mangel an Unterstützung vor der Zeit ihre Heimat wieder aufzusuchen. 2) Ein einziger Punkt von dem, was Johann vorgetragen hatte, scheint den Kaiser nachdenklich gemacht zu haben. Derselbe fragte seinen Minister, ob man Bayern Verletzung des Preßburger Friedens wegen Verfassungsbruches in Tirol vorwerfen könne. Stadion antwortete: „Der 8. Artikel dieses Friedens sagt ausdrücklich, dass die deutschen Fürsten die ihnen von Österreich abgetretenen Länder mit den Titeln und Prärogativen, so Österreich gehabt, und nicht anders, besitzen sollen.“ Franz war noch nicht beruhigt und gab zurück: „Dient zur Wissenschaft; ich erwarte aber noch eine Äußerung, ob aus diesem Artikel gefolgert werden kann, dass Bayern die Verfassung Tirols zu ändern und eine neue Verfassung einzuführen berechtigt war.“ 3) Wurde der Kaiser darüber noch getröstet oder nicht, im Aktionsprogramm des Erzherzogs blieb dem Verfassungsbruch seine Rolle angewiesen. 4)

Frühzeitig sah Hormayr im Geiste sich hervorragend beteiligt, wenn es im kommenden Kriege nach Tirol ging. Es waren Bilder, die seinem brennenden Ehrgeiz schmeichelten. Schon war ihm Staatskanzlei und Staatsarchiv zu eng geworden. Wie oft insinuiert er sich brieflich dem Erzherzog, wie oft wird er im mündlichen Verkehr sich angetragen und empfohlen haben. Von den Bauern ließ er, als sie mit Johann von der obersten Leitung der Landesregierung sprachen, seinen Namen nennen.

1) Für die „Bearbeitung Dalmatiens“ wurde dem Erzherzog vom Kaiser (2. März) die ausdrückliche Erlaubnis erteilt, gewisse Männer zu gewinnen.
2) Hormayr an E. Johann, 14. und 23. März 1809. A. J. Stadion fand sich veranlasst zu dieser Anregung durch die vielen Tiroler, die sich in Wien meldeten zum Eintritt in die Linie, darunter namentlich des Joh. Georg Frick von Frastanz, der als Urheber der Unruhen wegen der Stellung aus Vorarlberg geflohen war.
3) Stadion an den Kaiser, April (ohne Tagesdatum) 1809. W. St.
4) Mieg sagt in seinem Bericht: „Beim leichtgläubigen Volk sollte die Meinung begründet werden, dass die gewöhnliche, in allen Zessionsurkunden gleichlautende Formel (et non autrement) eine Frucht der Sorgfalt des Kaisers gewesen sei und absichtlich gebraucht wurde, um die tirolische Landesverfassung zu erhalten. Die Proklamationen Johanns und Hormayrs beweisen, welch verderblichen Gebrauch Österreich von diesem Zunder gemacht hat.“



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 256

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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