261 - Verfassung der Aufrufe


erhoffte er von seinen eigenen vaterländischen Dramen „Friedrich von Tirol“ und „Leopold der Schöne“.

Dem geschriebenen, in die Massen geworfenen Worte legte Hormayr die größte Bedeutung bei. 1) Passende, kräftige Anrufe sollten die Agitation noch im letzten Augenblick besonders fördern. In denselben Tagen, da Gentz, von Stadion aus Prag herbeigerufen, in dem ihm zugewiesenen Zimmer der Staatskanzlei das klassische Kriegsmanifest ausarbeitete, 2) komponierte Hormayr an Schriften gleicher Gattung für Tirol. Wir sahen, wie er Tiroler Bauern ein Proklam vorlas. Glücklich über den beobachteten Eindruck, ließ er sogleich in Wien 3000 deutsche und 2000 italienische, in Graz 6000 deutsche Abzüge besorgen. Mit Johann war verabredet, dass Hormayr dreierlei Aufrufe verfasste, einen größeren und einen kleineren ohne Unterschrift, und einen unter erzherzoglichem Namen. Sie sollten „nach Inhalt und Fasslichkeit berechnet sein für das ganze Tiroler Volk“. Doch wollte man darin „wieder einige Gradationen“ machen. Das größere, anonyme Stück mit der Aufschrift „Proklam“ war, „obgleich keinem unverständlich“, für den gebildeteren Teil bestimmt, das kürzere, der „Aufruf“, für jedermann; dessen Schluss hatte dem Landmann die Rolle anzudeuten, die er beim Vorrücken der Österreicher spielen soll, und ihn von Voreiligkeiten abzuhalten. Dieses kleinere „für die unterste Klasse, aber doch den höheren Klassen genießbar“, war nur ein Auszug aus dem größeren. Es fordert die Militärpflichtigen auf zur Flucht in die Berge, wo sie ihrer Befreier, die in wenig Tagen erscheinen werden, harren sollen. Mit hochgradiger Heftigkeit gedenkt der größere anonyme Aufruf der Sünden der bayrischen Regierung, des Verfassungsbruches und alles dessen, was den vier Ständen angetan wurde: „Bleibt da noch ein anderer Gedanke, ein anderes Wort als Erlösung?“ Hormayr hatte für diese beiden Entwürfe Anonymität vorausgesetzt, da sie nach Ton und Leidenschaft, in welchen zum Volk gesprochen werden müsse, nicht geeignet schienen, von der Regierung autorisiert zu werden. Sein Rat war: sie brauchen nur nicht unterzeichnet zu werden „und werden dann von den Parteihäuptern als deren Privatunternehmen verbreitet“. Aber verzichten wollte er nicht darauf, „denn die kalte Mäßigung wirkt nicht auf die gereizte Menge, sie würde nur nachdenkend und zweifelhaft machen“. 3) An beiden Stücken hat der Erzherzog einzelne Korrekturen vorgenommen. Gar nichts auszusetzen fand er am Aufrufe, der seine Unterschrift tragen sollte. Derselbe begann mit der Erinnerung an den Abschied, den Johann 1805 vom Lande genommen, wo er von einer bessern

1) Deshalb wollte Hormayr eine eigene Felddruckerei nach Tirol mitnehmen.
2) Tagebücher von Gentz I p. 60.
3) Bemerkungen Hormayrs zum Villacher Patent. A. J.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 261

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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