292 - An der Ladritscherbrücke


enteilte. 1) Bis Mühlbach wurden die Fliehenden fortwährend beschossen; dafür begingen sie, während sie Untervintl passierten, dort an Häusern und Einwohnern arge Exzesse. 2)

Wellers Kompagnie war ein Teil jenes Truppenkörpers, welcher die Garnison von Brixen bildete. Deren Kommandanten Oberstleutnant Wreden konnten die Vorgänge im nahen Pustertal nicht lange verborgen bleiben. Auf die Nachricht vom Vorrücken der Österreicher sah er nur einen Ausweg: es war die Vereinigung mit Kinkel in Innsbruck anzustreben. Mit der ganzen Mannschaft brach er daher am 10. April auf und zog auf der Reichsstraße nordwärts. Im Vorbeiziehen sollte die Ladritscherbrücke (in der Nähe der heutigen Franzensfeste) abgetragen werden, um den über Pustertal nahenden Gegner aufzuhalten. Wie in Lorenzen, so erfassten auch da wieder die Bauern augenblicklich die ihnen zugewiesene Aufgabe, Flussübergänge offen zu halten. Die Leute von Rodenegg, Vintl und Mühlbach vereitelten alle Versuche gegen die Brücke. Gegen dieselbe keinen Bayer heranzulassen, das war die gemeinsame Direktive der Bauern; einen andern Befehl, ja überhaupt einen Kommandanten kannten sie nicht. Als der herbeieilende Weitentaler Kurat nach dem Befehlshaber fragte, wusste ihn niemand zu nennen, und auf seine Frage, was dann am nächsten Tag geschehen soll, gab ihm jeder zur Antwort, um 5 Uhr morgens werde es losgehen, man müsse eine Linie bilden „bei der Brücke auf und abwärts," den Feind attackieren und vertreiben. Dass sich dabei auch die Kaiserlichen einfinden würden, war die allgemeine Hoffnung. So erneuerte sich in den Frühstunden des folgenden Tages der Kampf um die Brücke. Hartnäckig, aber schwer genug hielten sich die Bauern auf der Pustertaler Seite, Wreden ließ auch seine drei Geschütze spielen. Besonders das Dörfchen Aicha wurde dabei hart mitgenommen. Endlich wurde den kämpfenden Tirolern eine Erleichterung. Am jenseitigen Ufer des Eisack eröffneten die vom Tale Schalders ein wirksames Feuer gegen die Flanke der Bayern, die bisher an der Straßenmauer noch immer eine gute Deckung gegen die Kugeln der Rodenegger gefunden hatten. In diesem kritischen Augenblick scheint Wreden mächtige Unterstützung zu erhalten, von der Klause herauf naht eine tausendköpfige französische Heeressäule. Jedenfalls erwarteten die königlichen Soldaten von ihr kräftigere Hilfe als von einem Aufruf, den Aretin in eben diesen Stunden verbreiten ließ, wo er den „unglücklich Verirrten" ihr aufrührerisches Beginnen vorwarf und ihnen mit „zahlreichen Kolonnen vom unüberwindlichen Heere" Napoleons drohte.

1) Nach Rapp p. 85 hat sich hier besonders Peter Kemenater von Schabs hervorgetan.
2) Lantschners Bericht a. a. O.; Brief des Franz v. Mörl an Verwandte, Olang 16. April 1809. J. M.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 292

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.