295 - Kapitulation bei Sterzing


Stadtteiles machte die Bauern noch mutiger. Sie drängten den Zurückziehenden nach und fanden in den Häusern zur Beschießung der zu einem Knäuel zusammengeschlossenen Bayern leichte Deckung. Nach einer Viertelstunde peinlichen Ausharrens überzeugte sich der Major von der verzweifelten Stellung und führte seine Truppe der Hauptstraße entlang auf das am Südende der Stadt sich weitende Moos. Seitwärts der Chaussee bildeten die Soldaten ein Karree, auf ihr selbst wurde die Kanone aufgepflanzt, um stadtwärts zu spielen. Die Bauern folgten und setzten sich in den äußersten Häusern, dem Deutschhaus und den Fischerhütten, fest. Ununterbrochenes Sturmläuten führte ihnen fortwährend neue Haufen zu. Aber das Attackieren des Feindes im freien Feld war ihnen jetzt viel schwieriger. Aus der schützenden Stellung in den Häusern konnten sie mit ihren Kugeln die Bayern nicht erreichen, und ein keckes Vorwärtsstürmen machte das dräuende Geschütz nicht rätlich. Sie versuchten es mit Einschüchterung. Zweimal, zuerst den Richter, dann einen Priester, sandten sie zum Befehlshaber und forderten seine Kapitulation. Sie ward jedesmal abgeschlagen. So verstrich die Zeit bis zur mittägigen Stunde. Wie wäre diesem Dutzend Artilleristen, welche die Kanone bedienten und jede Annäherung unmöglich zu machen schienen, beizukommen? Da standen unweit vor den letzten Häusern drei hochbeladene Heuwagen, bestimmt, in das Brixener Depot geführt zu werden. Wie, wenn man mittels derselben den Gegner beschleichen könnte! Auf ihnen liegend und hinter denselben postiert, konnten treffsichere Schützen, wenn sie nahe genug kamen, fast gefahrlos die Geschützmannschaft erfolgreich aufs Korn nehmen. Aber wer wagt es, die Deichseln dieser vorzuschiebenden Barrikaden zu lenken? Da stellen sich todesmutige Mägde zur Verfügung. Furchtlos, wie gefeit gegen die feindlichen Geschosse, treten sie vor die Wagenfront. 1) Damit rückt man der feindlichen Kanone so nahe, dass sie, ihrer Bedienung beraubt, zum Schweigen gebracht wird. Nun wagen sich immer mehr plänkelnde Bauern an Speichers Karree heran, hinter jedem Busch, aus jedem Graben blitzt es verderbenbringend hervor. Der Major ist bereits verwundet, rings um ihn fallen seine Leute. Ohne Ahnung, dass Bissons Franzosen so nahe sind, sieht er keine Rettung mehr und überliefert sich und seine Truppe in die Gefangenschaft der Bauern, welche

1) Rapp nennt zwei: Anna Zorn und Maria Pichler. Hochrainer kennt nur eine: Anna Zoder, genannt Schneider Annele (sie ist offenbar identisch mit A. Zorn) und dieselbe ist von Giovanelli gemeint, der von der „Gamperschneider Tochter" spricht. Johann Hofer zählt nur männliche Personen auf, die sich gegen Speicher hervorgetan: Peter Hofer, Georg Laner, Andreas Pichler, Steinhauser, Andreas Hauser und namentlich Georg Holzeisen, welcher „an die Heuwagen eingefahlen". Steiner meint, mit den Heuwagen sei nichts ausgerichtet worden, aber er selbst sei auf des Sandwirts Befehl zu einer Brechlhütte gelaufen, von wo aus dann die Kanoniere erschossen worden seien. Die Benützung der Heuwagen erwähnt auch Prantls Chronik von Pfitsch in Tir. Stimmen 1884 Nr. 40.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 295

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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