302 - Ennemosers Tätigkeit


Wenden wir uns zu jenen zwei Kompagnien, welche Major Zoller am Morgen dieses Tages zum bekannten Zweck nach Zirl führte. Die Kunde seines Herannahens verbreitete im Dorf großen Schrecken. Alles bereitete sich zur Flucht. Nur ein Geistlicher, der Frühmesser Heinrich Kuen, in seiner Jugend einst österreichischer Feldjäger, entdeckte sein Soldatenherz und forderte die Jungmannschaft auf, sich ihm anzuschließen. Nicht ein volles Dutzend ließ sich bereit finden. Gleichwohl wollte er es auf einen Versuch ankommen lassen. Er postierte seine paar Leute an den Hängen der Martinswand, damit sie die Anrückenden mit ihren Kugeln begrüßten. Die Bayern erwiderten mit Gleichem, und das verwegene Häuflein musste alsbald in den Ruinen der nahen Veste Fragenstein Schutz suchen. Während sich dies eine halbe Stunde vor dem Dorfe abspielte, traf in diesem selbst ein Priester aus dem Pitztal ein, der Kooperator Andreas Ennemoser, welcher, ohne alle Kenntnis dessen, was sich vorbereitete, an diesem Tage vom nahen Inzing aus seinen Freund Kuen besuchen wollte. 1) Gerade wie er die Brücke erreicht, kommen die Zirler Weiber daher gestürmt mit lautem Geheul: die Bayern hätten im Sinn, alle Dörfer niederzubrennen, die keine Rekruten stellten. Flehentlich baten sie den Hochwürdigen, er möge Rettung schaffen. Ennemoser, ein feuriger junger Mann, übersieht gleich die Lage. Nachdem Weiber und Kinder auf das jenseitige Ufer geflüchtet sind, sammelte er 40 Männer, welche sich mit Waffenstücken versahen, und hieß sie flugs die Brücke abbrechen. Danach postierte er sie in einer schussfreien Stellung am reißenden Ranggen, damit sie von dort aus, etwa noch unterstützt von den Nachbardörfern, die Bayern am Brückenbau hinderten. Es war ihm ja in diesem Augenblick unbekannt, dass die Mannschaft dieser Gegend bereits an der Gallwiese ins Gefecht verwickelt war. Aber auch diese 40 Zirler genügten, um die Bayern abzuhalten. Von einem ernstlichen Versuch derselben, ans andere Ufer zu gelangen, kann man nicht reden. Diese zwei Kompagnien erwiesen sich da als eine Soldatentruppe niedrigster Qualität. Alles, womit sie den ganzen kostbaren Tag ausfüllten, bestand darin, das mitgeführte Geschütz am Ufer aufzustellen und es von Zeit zu Zeit hinüberspielen zu lassen zum Gaudium der jenseits geborgenen Bauern. Die meisten Soldaten zerstreuten sich in die Zirler Gasthäuser und ließen sich’s dort schmecken. Der folgende Tag hätte sich vielleicht in Innsbruck anders gestaltet, wenn der Major und seine Leute ihre Pflicht getan hätten. Im hellsten Gegensatz zu dieser faulen Truppe entfaltete Ennemoser ebenso großen Eifer wie richtigen Blick. Als hätte er gewusst, dass die Bayern in Zirl untätig stehen bleiben, reifte schnell in ihm der Plan, sie von Oberinntal her zu

1) Geboren war Ennemoser in Flaurling, in Inzing hatte er seinen ersten Dienstposten als Hilfspriester.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 302

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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