304 - Aufhebung bayrischer Posten


die beiden priesterlichen Freunde, die einander unbewusst, so plötzlich zu Sturmhauptleuten geworden waren, die Hand reichen. 1)

Ennemoser hatte bei seinem nächtlichen Ausmarsch eine Anzahl handfester Männer in Zirl zurückgelassen; er tat es infolge eines Gerüchtes, wonach bayrische Soldaten von Scharnitz her kommen sollten. Wirklich war schon am Morgen Oberleutnant Hagen mit 140 Dragonern aus dem bayrischen Mittenwald in Seefeld eingetroffen, abgesandt zur Verstärkung der Innsbrucker Besatzung. Auch in Hagens Adern floss Hasenblut. Kaum erreichte er eine Stelle der Strasse, von welcher der Ausblick über die Zirler Fluren gestattet ist, so vernahm er das Geplänkel zwischen Kuen und Zollers Avantgarde, und das genügte ihm, um mit seinen Reitern Kehrt zu machen. Noch eiliger bekamen sie es, als nordwärts von Seefeld am Schlossberg Schüsse fielen, unaufhaltsam sprengten sie der altbayrischen Grenze zu. 2) Kaum der Erwähnung bedarf es, dass die Oberinntalerstrasse an diesem Tage auch einzelnen bayrischen oder französischen Passanten keine Sicherheit mehr bot. Münchener Kuriere wurden aufgefangen oder versprengt, einem französischen Kürassiermajor St. Sauveur nahmen Leutascher Bauern bei Dürschenbach ober Zirl seine Pferde und sein Gepäck weg.

Man weiß, dass der Sandwirt auch im Unterinntal seine Mitwisser und Getreuen hatte. Ihnen war wie den andern rechtzeitig Kundschaft gegeben. Wintersteller, Johann Schlechter und Reischer nahmen die bayrischen Militärposten in St. Johann und Kitzbühel am Abend des 11. April gefangen. Gleiches Schicksal hatten die Schützenhauptleute Jakob Margreiter, genannt Loy, von Wildschönau und Josef Lengauer von Voldepp den bayrischen Abteilungen an der Zillerbrücke in Rotholz, in Rattenberg und Schwaz vermeint. Aber nur jener von Rattenberg bemächtigten sie sich, die übrigen, welche beizeiten die ungemütliche Bewegung in der Bevölkerung witterten, bewerkstelligten noch unter ihrem Major Theobald den Abzug durch das Achental. Im Distrikt von Hall war Speckbacher

1) Nach Andr. Ennemosers „Tirols erste Insurrektionsereignisse". J. M. Seine Angaben bestätigen die Aufzeichnungen Kuens, ebend.
2) Alois Moriggl „Das Gefecht in und um Zirl am 11. April 1809" (Schützenzeitung 1853 p. 137 ff.) meint, eine Rechtfertigung für die Haltung des Majors Zoller liege in der Annahme, dass er auf diesen Sukkurs von Seefeld her gewartet habe. Aber eine Rechtfertigung dürfte weder für Zoller noch für Hagen möglich sein. Auch Florian Grün, der Seefelder Chronist, (A. St.) lernte Hagen als „furchtsamen Mann" kennen. In Seefeld war an diesem Tage Bauernhochzeit. Die tanzende Gesellschaft zerstreute sich, als sie der Pfarrer angesichts der ernsten Ereignisse in Zirl auf das Unschickliche verwies. Über diesen Tag siehe auch Miegs Bericht und eine Eingabe des Anton Harting in Seefeld vom 11. Febr. 1811. J. St. Der Postwagen, welcher nach Augsburg ging, verließ am 11. April Innsbruck um 8 Uhr früh. Um 5 Uhr wurde er von den Bauern in Nassereit angehalten und samt dem Schaffner Christoph Hohenester nach Imst geliefert. Bericht Hohenesters vom 25. Mai. M. K. — Völderndorffs Darstellung der Vorgänge bei Zirl (II, 36) ist durchwegs schief.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 304

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.