308 - Dipaulis letzter Versuch


Tadelbrief an Wreden zu richten, von dem er gehört, dass er die Brücke bei Lorenzen niedergelegt habe. 1) Der ganz erfolglose Kampf des Tages hatte sicherlich den Geist der Truppen nicht gehoben. Mit der Resignation der Verzweiflung standen die Behörden vor einer schrecklichen Tatsache. Dieses stumme Hinbrüten während der Nacht wurde unterbrochen durch einen Vorschlag Dipaulis. Die auffällige Unzulänglichkeit der Truppen hatte in mehr als einem den Gedanken auftauchen lassen, es sei der gütliche Weg mit den Bauern zu versuchen. Lodron und Kinkel wiesen dergleichen weit von sich. Des Generals Gemahlin jedoch hatte keine Ruhe, sie ließ Dipauli bitten, er möge die Verhandlungen in die Hand nehmen und, wenn auch nicht den Generalkommissär, doch den bei demselben mächtigen Mieg zu gewinnen suchen. Dipauli stieß auf denselben Widerstand. Während den tief beklommenen Mann der Schlummer floh, konnte er sich den Plan nicht aus dem Kopfe schlagen. Er gestand sich, dass die Regierung sich nicht so weit zu demütigen vermöge, aber sollte er als Privatmann nicht etwas wagen dürfen? So entwarf er denn beim Schein seiner Studierlampe ein Schreiben an die Bauern, worin er um sicheres Geleit bat, um zu ihnen zu gehen und über ihre Beschwerden mit ihnen zu beraten. Mit dem Aufsatz begab er sich sogleich zu Mieg, der mit ihm im gleichen Hause wohnte, damit dieser Lodron verständige. Der Graf fand zwar den Weg, welchen Dipauli betreten wollte, sehr bedenklich, doch gab er seine Zustimmung. Unterdem war die Nacht vergangen. Als Dipauli den Boten mit seinem Briefe abschicken wollte, war das Feuergefecht schon auf allen Linien eröffnet: es war zu spät. 2)

1) 11. April 10 ¼ Uhr abds. Kinkel gibt darin eine Menge Detailbefehle über den Aufsichtsdienst in Pustertal und verlangt von Aretin einen Aufruf, dass jeder Bauer, den man mit der Waffe in der Hand findet, sogleich erschossen und die aufständischen Gemeinden angezündet werden sollen. Der Brief wurde von den Bauern abgefangen. (Abgedr. bei Hormayr I, 181.)
2) Dipauli: „Meine Lage" a. a. O. Der Brief Dipaulis lautete: „Ich bin zwar meinen Landsleuten in Südtirol besser bekannt als euch. Aber ihr kennt mich doch auch von meinem langjährigen Wirken her, wo ich immer nur ehrlich gewirkt habe. Ich liebe mein Vaterland wie nur irgend einer. Die jetzige Lage geht mir tief zu Herzen, sie raubt mir noch bei Nacht den Schlaf und so schreibe ich euch jetzt um 1 Uhr nachts. Ich möchte euch meinen Rat erteilen, damit wir nicht einer schrecklichen Zukunft entgegengehen. Ich bitte euch nur um eines, mich zu hören. Wollt ihr mir auch nicht folgen, so kann mein Rat euch doch nicht schaden. Ich schreibe dies ganz aus eigenem Antrieb, ich habe mir nur die Bewilligung erbeten, dies an euch zu schreiben. Ich bitte euch also, mich in einem Ausschuss anzuhören. Bestimmt mir dazu eine Stunde. Finde ich bei euch keinen Anklang mit meinem Rat, so verspreche ich euch doch, dass ich von dieser Unterredung keinen nachteiligen Gebrauch machen werde. Gebt mir eine Antwort, schriftlich oder mündlich, durch den Überbringer dieses Schreibens. Ich werde sogleich nach eurer Antwort in der Mitte eures Ausschusses erscheinen. Euer aufrichtig ergebener, aber tief bekümmerter Landsmann, Appellationsrat Dipauli." J. M.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 308

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.