315 - Die Bauern im Gerichtsgebäude


in seinem hintersten Wohnraum außer Mieg auch den Kreisrat Eder versteckt hielt, hatte die ersten Einbrüche dadurch abgewehrt, dass er Silbermünzen unter die Menge warf und seine Uhr opferte. Gegen Mittag schien die Ruhe gewonnen zu sein, da er von dem eben angekommenen Teimer eine starke Bauernwache zum Haus bekam. Allein nachmittags erschien der städtische Janhagel des Juden wegen, übermannte die Wache und drang ins Haus. Dipauli stellte sich, während Mieg seine Flucht antrat, auf der Stiege entgegen und wehrte sich von Staffel zu Staffel. Endlich musste er dem Anprall weichen und seine Zimmer preisgeben. Plötzlich setzt ihm einer die Waffe an die Brust und ruft: Jude Geld her! Schlagfertig rezitiert Dipauli das Glaubensbekenntnis und rettet sich damit vor der gefährlichen Insinuation. Während sich die Wildlinge noch an seinen Schränken zu schaffen machen, enteilt er auf die Straße, trifft Atzwanger, einen Kapuziner und mehrere rechtschaffene Bauern und diese räumen mit Erfolg das Haus. Als hierauf Dipaulis Sohn die weinende Frau des Kanzleidirektors auf die Straße geleitete, brachen die Bauern in laute Verwünschungen aus über die Untaten des Pöbels, der mit diesen Exzessen ihren glänzenden Sieg beschmutze. Dipauli, welcher sich erst am Tage vorher von einem mehrwöchentlichen Krankenlager erhoben hatte und seine letzten Kräfte weichen fühlte, fand es am Ort nicht mehr geheuer und suchte Unterkunft bei seinem Kollegen Peer, den er wegen seiner österreichischen Gesinnung vor Anfällen sicher wähnte. Am nächsten Tage gab es auch dort bösartigen Einbruch, vor welchem der Hausherr selbst ins Servitenkloster entwich. Eben dieses bot noch manch anderem aus der bayrischen Beamtenschaft eine bergende Zufluchtsstätte. 1)

Unter solchen anarchistischen Zuständen lag es nahe, dass sich das Volk jenen Stellen zuwandte, wo öffentliche Gelder lagen. An die Kreisamtskasse zwar im sogenannten Neugebäude (jetzt Statthalterei) erinnerten sich an diesem Tage nur wenige, und diese wusste ein getreuer Amtsdiener mit seinen Töchtern zu baldigem Abstand zu bereden. 2) Desto bewegter ging es auf dem Gerichtshaus unweit der Innbrücke her. Dort vermuteten die Bauern Waffen und Geld. Eine Schar betrat die Kanzlei des Landrichters Beck und forderte die Öffnung des Archivs. Da sich nicht gleich der Schlüssel fand und die Eisentüre widerstand, musste ein Geselle aus der Schlosserei Kiebach öffnen. Richtig fanden sich einige Waffenstücke, sie verschwanden im Nu. Aber auch die Aufschließung der Gerichtskasse forderten sie. Sie brauchten, wie sie sagten, eine Zehrung. Keine Vorstellung des Richters half: Alles, bis auf einen

1) Dipauli an Frau v. Giovanelli, 22. April 1809. A. G. Auch Hormayrs Haus in Innsbruck (am Pfarrplatz), von seinen Schwestern bewohnt, erhielt lärmenden Besuch, die Bauern fahndeten nach dem dort eingemieteten Polizeidirektor Schubert.
2) Bericht Thürheims an den König, 16. Aug. 1810. M. St.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 315

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.