316 - Ausschreitungen in Innsbruck


Geldsack, den er listig zu verbergen wusste, nahmen sie; es waren Sportelgelder und Depositen. Ebenso hausten sie im Assessoratszimmer und in der Rentei, wo sie Strafgelder und Kriminaldeposita sich aneigneten. Beck und der ihm zur Seite stehende Rentbeamte Pfaundler sahen sich gehetzt wie das Wild. Redeten sie sich heiser mit den ins Archiv Vordringenden, so wurden sie schon in ein anderes Amtslokal geholt, wo gleich hundert die Ausstellung von „Bolleten" forderten, da das Gericht auch Quartieramt war. Und mitten unter der Ausstellung der Quartierscheine wurden die Herren wieder in ein anderes Zimmer gerufen, wo die Leute Pulte und Kasten erbrochen hatten und die Akten fußtief auf dem Boden herumlagen. Dabei musste man sich noch vorsichtig hinter der Mauer zwischen den Fenstern zu halten suchen, da fortwährend Kugeln hereinflogen, weil sich die Bauern auf der Straße das Vergnügen machten, das königliche Wappen herunterzuschiessen. 1) Aber auch bei diesen aufregungsvollen Szenen, so versichern die Beamten, benahmen sich die eigentlichen Bauern anständig und behandelten namentlich den Landrichter mit aller Achtung; nur das liederliche Gesindel, das sich unter sie mischte, verübte die Exzesse, denen vorzubeugen sich namentlich der Höttinger Stamserwirt Josef Plattner und einige Männer von Axams die größte Mühe gaben. Freilich, mit den aufgestellten Wachen war selten lange geholfen; denn sobald dieselben aus den nahen Türmen das Sturmgeläute vernahmen, litt es sie nicht auf dem Posten und sie liefen meist davon.

Die Bürgerschaft der eroberten Landeshauptstadt bekam überreichliche Einquartierung. Lag auch der großen Menge der Bauern der Gedanke an Plünderung und Raub, an boshafte Beschädigung des Privateigentums völlig fern, so hielten sie es doch für billig, dass jene von ihren Landsleuten, welchen sie die Befreiung gebracht, die aber an der heißen Kampfesarbeit nicht mitgetan, ihnen Trank und Speise reichten. Hatten sie sich im Bürgerhause gelabt, so schieden sie mit einem Vergeltsgott von dannen. Nur im Hause des Bürgermeisters, den sie noch als behördliches Organ von der Militärstellung her in Erinnerung hatten, und beim Gastwirt Niederkircher kamen gröbere Ausschreitungen vor. Dem letzteren wollten sie es nicht verzeihen, dass er zu zweien seiner Kinder den König zur Patenschaft gebeten hatte. Die zornig Eindringenden riefen dem Wirte zu: „Håst in Tirol koan ehrlichen Menschen finden kennen, der deine Kinder aus der Tauf ghoben hätt, håst um an Gvåtter müassen nåch Boarn schickn?" Auch hier war es übrigens, wie bei den

1) Berichte von Karl Theodor Beck, Anton v. Pfaundler und Assessor Joh. Anreiter. M. St. Ebenda ein ausführliches Protokoll von 1810 über die Vorgänge am 12. und 13. April.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 316

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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