318 - Teimers Ankunft


Den Tag über herrschte auf Gassen und Straßen ein beengendes Gewoge. Überall hörte man Rufen und Jauchzen. Schien es einen Augenblick nachzulassen, so begann es gleich wieder von neuem, sobald eine neue Schar einzog, mit Freudenschüssen und Vivat begrüßt. Denn blitzschnell hatte sich die Kunde von der gelungenen Stadteroberung in die weitere Umgebung verbreitet, aus welcher nun stets neue Besucher, neugieriges Volk herbeieilte, um, wenn auch nicht an den Strapazen des Kampfes, doch an der Siegesfreude oder auch am Beutemachen teilzunehmen. Bauern bezogen die Hauptwache und schmückten das Gebäude mit dem österreichischen Adler. Mit Hunderten von Kugeln suchte man das bayrische Wappen an der Hofburg zu tilgen. Das verhasste Emblem musste auch am Taxisschen Posthause dem kaiserlichen weichen. Kaum aufgestellt, wurde dieses mit Waldbäumen und Daxgewinden geziert. Jeder Vorübergehende musste wie vor einem Heiligenbilde das Haupt entblößen. Wonnetrunken sah man Landleute davor stehen, die ihm in ihrer Weise mit dem Zurufe huldigen: „O mei guldener Vogel, mei liaber Koaser Franz!"

Gegen Mittag rückte ein starkes Kontingent Oberinntaler ein. Es waren die ersten organisierten Schützenkompagnien, die man zu sehen bekam: die Landecker unter Zangerl und die Silzer unter Marberger. Sie haben sich namentlich um die Aufrechterhaltung der Ordnung und Zurückweisung zweifelhafter Elemente verdient gemacht. Gleich hinter ihnen kamen noch andere starke Rotten vom Oberlande, denen Teimer in einer Postkutsche vorausfuhr. Sein erstes war, die alten Freunde Reinhart und Stadler begrüßen und dem hart bedrängten Dipauli mit einer Wache beispringen. 1) Auch nur ein oberflächlicher Blick auf das Getriebe in der Stadt konnte ihn überzeugen, dass da ein Chaos herrsche. Schon dies eine mochte ihn anspornen zum Versuch, sich bei der führerlosen Menge Autorität zu verschaffen. Das war keine so leichte Sache. Im Inntal war Teimer wenig bekannt. Womit sollte er sich legitimieren? Nur ein österreichisches Siegel trug er bei sich, um, wie er es in Vintschgau getan, an bayrische Kassen Sperre anzulegen. Das war gegenüber den aufgeregten Tausenden zu wenig, zu unscheinbar. Er konnte sich zwar von früher her einen kaiserlichen Milizhauptmann nennen; aber in diesem kritischen Fall machte wirklich das Kleid den Mann, und solches hatte er nicht. Es fand sich jedoch Rat. In Innsbruck wohnte ein ehemaliger Major des Tiroler Schützenregiments, Graf Spaur, der hatte noch seine Uniform. Hauptmann Marberger bat um die Überlassung und trug sie, sorglich in

1) Teimer war 1799 im Gefecht bei Scharl verwundet, dann in Bozen, im Hause Dipaulis, von dessen Familie sorglich gepflegt worden.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 318

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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