321 - Auftritt in Reutte


beispringen wollten, war die Arbeit schon vollendet. In derselben Stunde erfüllte sich das Schicksal der Kapitulation an den Garnisonen von Innsbruck und Hall. Mit der Bewachung der Gefangenen wollten sich die Bauern nicht weiter befassen, sie übergaben dieselben der Haller Bürgermiliz unter dem Kronenwirt Straub, welcher mit seinen Schützen der Verletzung des öffentlichen und privaten Gutes gegen raublustiges Volk erfolgreich wehrte. 1)

Die tumultuarischen Vorgänge in Innsbruck konnten im nahen Hall nicht unbemerkt bleiben. Speckbacher zog mit seinem Trupp auf der rechten Innseite über Ambras der Landeshauptstadt zu, um noch mitzuhelfen, wenn es nötig wäre. Ein anderer Haufe schlug die Reichsstraße ein. Beim Lorettokirchlein gewahrte derselbe eine starke Kavalkade sich nähern. Es war Erbach mit seinen Dragonern. Die Bauern wichen bis zum Kugelanger am Eingang der Stadt zurück und versperrten den Reitern den Weg. Aus Innsbruck entronnen, ergaben sich dieselben hier ohne Gegenwehr in die Gewalt der Bauern. Die Berittenen wurden zum Absitzen genötigt, auf ihren Pferden versuchten sich jauchzende Bursche in der Reitkunst.

Der 12. April kostete dem bayrischen König 3000 Mann, welche zur Waffenstreckung genötigt worden waren. Gewaltszenen, wie in den beiden inntalischen Städten kamen an diesem Tage in den übrigen Orten des Landes nicht vor, aber in den meisten breitete sich der Strom der Volkserhebung aus und brach sich breite Bahn. In Reutte war es am 11. den Beamten aufgefallen, dass der lebhafte Straßenverkehr auf einmal stockte und die Fuhrleute von Tirol ausblieben. In der folgenden Nacht sammelten sich ein paar hundert Bauern vor dem Hause des Assessors Ott und schreckten ihn mit Schüssen aus dem Schlummer. Auf seine Frage, was sie wollten, traten der Anwalt Schermer von Nassereit und einer vom Geschlecht der Sterzinger vor und taten ihm zu wissen, Erzherzog Jobann sei bereits mit 30000 Kaiserlichen in Innsbruck eingezogen und habe befohlen, alle gebornen Bayern zu arretieren. Dem kamen sie dadurch nach, dass sie eine Wache vor Otts Zimmer stellten. Bei Tagesanbruch zogen die Männer kompagnienweise gegen Füssen an

1) Es ist bezeichnend, dass Straub, dem nur die Wiener Abmachungen bekannt waren, wo von einer durch die Tiroler allein zu besorgenden Gefangennahme der Bayern nichts vorkam, das Wagnis der Bauern verurteilte. Er soll den nach der Kapitulation bei ihm zechenden Bauern zugerufen haben: „Was habt ihr da angefangen? Ihr mögt sehen, was euch dafür geschieht!" Rapp spricht, auf Grund Straubscher Überlieferungen, dem Kronenwirt auch eine Teilnahme am Kampf in Hall zu. Gleich nach dem Erscheinen des Rappschen Werkes erhob sich in Hall eine Reaktion gegen die zu starke Hervorhebung Straubs. Mehrere von denen, welche die Haller Affäre mitmachten, gaben deshalb ausführliche schriftliche Berichte über die ihnen bekannten Vorfälle, worin sie sich gegen eine Einflussnahme Straubs verwahrten. So Jos. Gritsch und Kassian Walch von Absam, 5. Januar 1853, Andreas Farbmacher von Thauer, 7. Dez. 1852, Jos. Posch, 20. Nov. 1852. J. St. Von den bayr. Berichten namentlich jener des Salzbeamten Pleibner an seine Verwandten, Hall, 17. April 1809. M. St.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 321

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.