323 - Rückkehr Lemoines nach Bozen


Landrichter Wachen vor ihre Wohnung stellten. Unter dem Protest Vincentis berief Tschöll, angetan mit einer österreichischen Milizuniform, den Stadtrat im Namen des Erzherzogs und zwang den Richter, in der Sitzung zu erscheinen. Als Vincenti in derselben die Erlassung eines Aufgebots von sich wies, wurde er für verhaftet erklärt. 1) Zugleich erließ Tschöll als bestellter kaiserlicher Kommissarius seinen Aufruf: „Nachdem der erwünschte Zeitpunkt eingetreten ist, wo sich jeder rechtschaffen denkende Bürger, dem Gott, die geheiligte Religion und Vaterlandsliebe am Herzen liegt, veroffenbaren kann, so werden alle hohen und niederen Standespersonen, Bürger und Inwohner der Stadt Meran im Namen des Kaisers aufgerufen und vorgeladen, sich zu einer Kompagnie zu bilden und bis zwei Uhr nachmittags auf dem Rennplatz sich in Bereitschaft zu halten, wo das weitere zum Aufbruch oder Stadtverwachen anbefohlen werden wird. Zum Unterkommandanten ist Herr v. Steffenelli hier erwählt." 2) Von allen Seiten kamen die Mannschaften herbei, die von Dorf Tirol, Riffian, Kuens, Naturns, Kastlbell, Schlanders, Algund usw. 200 von Schenna sammelten sich in der Kirche Maria Trost, um noch den priesterlichen Segen zu empfangen. Alles schwamm in Begeisterung, mancher gebärdete sich „wie närrisch". Bald leerte sich die Stadt, der Befehl lautete: „Auf nach Terlan, auf nach Bozen!" 3)

Bozen und Umgebung bot in diesen Tagen noch das Bild vollständiger Ruhe. Die Bevölkerung stand offenbar unter dem Eindruck des Durchzuges der zwei mächtigen Kolonnen Bissons und Lemoines. Gerade am 11. April noch führte die Regierung den letzten Streich gegen Bozens alte Merkantilverfassung. Der Magistrat ward aufgelöst und ein Stadtrat durch königliche Ernennung zusammengesetzt. 4) Seine Mitglieder wurden an diesem Tage vom Kommissär Donnersberg feierlich in Pflicht genommen. Am Abend des 12. traf Lemoine mit seinen 2300 Franzosen zum Erstaunen der Bürger wieder in Bozen ein. Von ihm erfuhr man, dass Pustertal sich erhoben habe. Aber auch noch eine Botschaft kam an: in hellen Haufen ströme es auf der Straße von Meran her nach Terlan. Einige der Beamten waren geneigt, darin nur „planloses Gesindel" zu vermuten, andere nahmen die Nachricht ernster. Diese sandten in die Dörfer Boten mit Aretins abmahnendem Proklam und einen Gerichtsdiener, um sich des Vorhabens der Bauern zu erkundigen. Donnersberg und Baron Graff beschworen Lemoine, seine Soldaten für die Nacht nicht außer der Stadt zu quartieren. 5) Ungern folgte der General ihrem Rate

1) Noch vor Vincenti war Hörmann, der eifrige Vollstrecker der Hofstettenschen Aufträge im Kirchenstreit, gefangen gesetzt worden.
2) Aufruf Tschölls (eigenh.), Meran, 12. April 1809. J. M.
3) Mém. de Mais, Anton v. Hörmanns Bericht vom 9. Okt. 1809. M. St.
4) Es waren vier Bürger ausgewählt, deren Gesinnung für gemäßigt galt: Remich, Hingerle, Hepperger und Chager.
5) Eidliche Aussage des Postbeamten Jak. v. Marchetti in Bozen, 30.Apr. 1809. J.M.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 323

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.