328 - Kapitulation Bissons


ungeduldiger schoben sich die Volksmassen zusammen, in jedem Augenblick konnte ein blutiges Gemetzel ausbrechen. Ein beim Ziegelstadel fallender Schuss wurde vom Militär erwidert, von Seite der Tiroler schoss man zurück, es kostete schon mehreren Soldaten und Bauern das Leben. 1)

Bisson überblickte die Situation in ihrer erschreckenden Wirklichkeit. Auf seinen Wunsch holte man aus der Stadt den Milizmajor Atzwanger und die Chefs der zwei ersten Handelshäuser, Georg Tschurtschenthaler und Leonhard Oberlindober, Lener musste mittels einer weißen Fahne, umgeben von sechs Artilleristen, den Bauern den Beginn der Kapitulationsverhandlungen ankünden und so weitere Tätlichkeiten hintanhalten. Als die drei Bürger vor Bisson erschienen, kam demselben das Bedenken, er könne nicht mit Briganten einen Vertrag schließen. Er verlangte nach einem österreichischen Offizier. 2) Ein solcher von den Linientruppen war natürlich nicht anwesend. Aber war nicht schon Teimer tags vorher als kaiserlicher Major herumstolziert? Ihn rief man, und gewandt erfasste er seine Rolle. Unter Berufung auf erzherzogliche „Ordre und allerhöchsten Befehl" trat der Tabakverleger vor den General und forderte bedingungslose Übergabe. Bisson wollte markten: man möge ihm ruhigen Durchzug nach Augsburg gewähren, er wolle der Stadt nichts zuleide tun und alles bezahlen. Dann wieder: er wolle abziehen ohne Waffen, die man ihm nachführen möge. Nichts von dem fand Gnade vor Teimer. Bisson musste sich zum Äußersten entschließen: das ganze Militär, ob französisch oder bayrisch, legt an Ort und Stelle die Waffen nieder, wird kriegsgefangen und den Österreichern übergeben, die etwa noch mitgeführten Geiseln sind frei, 3) Pferde, Seitengewehre und Gepäck verbleiben den Offizieren. So ward es von Teimer, als „k. k. Major und bevollmächtigter Kommissär", von Bisson und seinen Offizieren „um 8 ¼ Uhr vormittags" besiegelt. Es war eine Kapitulation, noch merkwürdiger und glorreicher als am vorigen Tage. Ein Korps, zahlreicher fast als das Kinkels, seiner Mehrheit nach ein Teil von der unbesiegbaren Armee der großen Nation und ihres Napoleon, hatte sich unter den demütigendsten Bedingungen ohne Schwertstreich ergeben. Die Bayern brauchten wahrhaftig keine Vorwürfe ihrer fränkischen Bundesgenossen hinzunehmen. Mit der Entschuldigung

1) Gesuch der Witwen der bei Wilten am 13. April gefallenen Tiroler Anton Larcher, Jakob Stotz und Franz Brantner (jeder der Vater einer kinderreichen Familie) an die Schutzdeputation um Unterstützung. M. St.
2) Zur Erklärung dieser plötzlichen Forderung Bissons wird jene Stelle im Berichte von Patsch heranzuziehen sein, wo er erzählt, Bisson sei bei seiner Ankunft in Wilten vorgemacht worden, Innsbruck hätten die Österreicher besetzt.
3) Von den Sterzinger Geiseln war nur noch der Bürgermeister bei Bisson. Ihm hat Lener schon während der Verhandlungen heimlich die Bande gelöst, so auch einigen Männern, welche Bisson beim Marsch über den Brenner mitgenommen hatte. Der Kapuziner war in der Schupfen frei geworden.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 328

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.