330 - Bedrängnis Teimers


Die Tausende von Gefangenen wurden im Siegeszuge durch die Triumphpforte in die Stadt geleitet. Voraus ritten Bauern auf erbeuteten Pferden, einen rußigen Schmiedjungen, bewehrt mit einer Ofengabel, sah man einen französischen Offizier daher führen. Mancher hatte sich mehrerer Pferde bemächtigt. Alsbald war er genötigt, mit andern zu teilen und konnte froh sein, wenn er, mit einem Rößlein bereichert, aus dem Knäuel davonkam. Man traute, so sagt ein Zuseher, seinen Augen nicht, eine solche Menge Soldaten von einem solch ungeordneten Haufen geführt zu erblicken. Die Gemeinen wurden in die Kasernen verteilt und dort von Innsbrucker Bürgern bewacht.

Auf allerlei Weise äußerte sich die Siegerlaune. Die unzählige Menge kam auf die mannigfaltigsten Einfälle. Sehr beliebt wurde es, mit Beutestücken auf der Straße zu prunken. Helme und Sporen, Feldbinden und die verschiedenen Monturstücke wurden getragen. Doppelt glücklich der, welcher mit einer französischen Adlerstandarte oder einer feindlichen Fahne einherschreiten konnte. Überall in der Stadt herrschte ein „Höllenlärm". Für Kontraste war hinreichend gesorgt. Glich das Treiben in den Straßen unter solchen Szenen einer halbnärrischen Maskerade, so kam plötzlich wieder ein Zug von einigen hundert Männern, die sich ein Kruzifix vortragen ließen und in ihren ernsten Mienen den Glauben erwecken konnten, es komme ein Trupp bewaffneter Wallfahrer. 1)

Das waren harmlose Äußerungen des über seine Erfolge hoch erstaunten Volkes. Bedenklicher wurde es, als die Frage sich wiederholte, wo denn die Österreicher seien. Für eine Stunde etwa vermochte Atzwanger zu begütigen, da er einen Brief Chastelers vorlas, wo die Ankunft für den nächsten Tag verkündet wurde. Aber die Geduld hielt nicht an. Neue Massen ungestümer Frager drängten sich zusammen: der Teimer, dieser Herr im Majorskleid, der gestern und heute eine Art Kommando an sich riss, müsse Aufschluss wissen. Teimer jedoch wusste nicht mehr als Atzwanger, und das erschütterte schon seinen Kredit. War er ja den wenigsten bekannt, und die ausgeborgte Uniform war kein Beglaubigungszeichen in den Augen der bereits misstrauischen Menge. Schon erhitzte einer die ihn umstehenden Zuhörer: Bevor man nicht alle Herren abtue, werde es nicht besser; die Österreicher kämen noch immer nicht, am Ende sei dieser österreichische Major „a Falscher". Zuerst habe er sich

1) Wie schnell sich die Nachricht von der Kapitulation verbreitete, zeigt ein Brief des Landrichters Anton v. Schullern in Steinach, der dieselbe und den darüber herrschenden Enthusiasmus am 13. April 3 Uhr nachm. an Chasteler meldet (J. M.). Dieser Brief zeigt aber auch, wie schnell und leicht sich die verbreiteten Nachrichten von der Wahrheit entfernten. Obgleich nur eine Stunde von Matrei und fünf Stunden von Innsbruck entfernt, erzählt der Richter, die Hälfte von Bissons Mannschaft sei von Matrei über die Ellbögen gezogen, es habe einen starken Kampf gegeben am Berg Isel sowie bei Igls und Vill.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 330

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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