335 - Chasteler rückt vor


her erfrorenen Füssen das Bett hütete, mit einem Besuche auszuzeichnen. 1) Zahlreiche bäuerliche Abgeordnete fanden sich ein, um zu raschem Zug an die Ladritscher Brücke anzutreiben. Nur ein Teil der Avantgarde vermochte diesem Rufe zu folgen, das Hauptkorps erreichte erst gegen zehn Uhr abends die Mühlbacher Klause. 2) Hier sah sich Chasteler zur Entscheidung angerufen über das Schicksal der von den Tirolern allein gefangen genommenen Feinde. General Marschall soll die Meinung geäußert haben, diese von den Bauern gegen das Völkerrecht gemachten Gefangenen seien frei zu geben. Wenn solche Äußerung gefallen, so begreift man die Heftigkeit, mit welcher Hormayr dazwischenfuhr. 3) Die den Marquis begleitenden Bauern stellten die Bitte, diese Gefangenen ihnen zu überlassen, damit sie ein Pfand besäßen, wenn die Bayern oder Franzosen gegen sie als Aufständische standrechtlich verfahren wollten. Chasteler gewährte das Ansinnen, befahl Absonderung dieser Gefangenen von jenen der kaiserlichen Truppen und wies das Schloss Lienz zu deren Verwahrung an. 4)

Noch während der Nacht besetzten die Regimenter Hohenlohe-Bartenstein und Lusignan die Schabser Höhe und schlugen dort ihr Lager. In den Frühstunden konzentrierte Chasteler daselbst das ganze Korps. Wohin sich dasselbe wenden oder wie es sich verteilen sollte, das war die nächstliegende Frage. Einem Schreiben Chastelers an General Hiller hatte E. Karl die Absicht des erstem entnommen, von Pustertal aus das Hauptaugenmerk auf Südtirol und auf eine schnell anzustrebende Vereinigung mit Johanns Armee gerichtet zu halten. Die Berichte über Lemoines Rückzug und über die Vorgänge in Innsbruck hätten den Kommandierenden darin noch bestärken können. Nun traf eben in Schabs eine Depesche Karls ein, 5) worin für das Korps die Direktion gegen den Inn und die Flanke Bayerns gefordert wurde. Dies bestimmte Chastelers Dispositionen. Zum Zuge südwärts erkor er nur drei Bataillone unter Leiningen, Fenner hatte mit zwei Jägerkompagnien und der Landwehr in Brixen zu bleiben,

1) Über die Drangsale bei der Ankunft der Österreicher, denen der bayrische Mautbeamte Baron Lassberg in Bruneck infolge der Hetzereien des durch ihn ersetzten Bediensteten ausgesetzt war, berichtet Lassberg unter dem 15. Okt. 1809. M. St.
2) Aus Mühlbach datiert (12. April) Chastelers großsprecherischer Gruß an die Tiroler: Jellachich werde in diesem Augenblick schon in Innsbruck, Kaiser Franz in München sein. „Mein Marsch von der Grenze Kärntens geschah ohne Rast und ohne Unterlass in einem raschen Zuge." Interess. Beitr. z. Gesch. d. Ereign. in Tirol (gedr. 1810), p. 11.
3) Darüber erzählt Hormayr, Gesch. A. Hofers I, 224. Es handelte sich um die in Sterzing gemachten Gefangenen. Seine Entscheidung verkündet Chasteler in der Proklamation aus Mühlbach, 12. April. Marschall verstand es am wenigsten mit den Bauern zu verkehren.
4) Chasteler an E. Johann. 14. April. A. J.
5) von Braunau 10. April.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 335

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.