338 - Chastelers Einzug


einer eine alte, österreichische, in die Wiltener Pfarrkirche geweihte Kriegsfahne. Gegen die Mittagsstunde ergoss sich der auf viele Tausende angeschwollene Strom in die Hauptstadt, wo alles eitel Wonne und Begeisterung war. Nach vier Jahren stand wieder auf der Hauptwache ein österreichischer Posten, der in jeder Minute den Gegenstand neuer Ovationen bildete. Nachmittags erschien, von Unterinntal heraufziehend, Taxis. Die von demselben mitgeführte Salzburger Landwehrkompagnie, in ihrem Äußeren schon des stramm militärischen Charakters entbehrend, forderte die Kritik der Zuschauer heraus. Das sind ja, hörte man sagen, auch Bauern, hat denn der Kaiser keine Soldaten mehr? Bauern sind wir ohnehin schon genug! 1)

Für den nächsten Tag war Chasteler selbst angesagt. Bevor er erschien, gab es am Morgen noch einen starken Rumor in Innsbruck. Am 12. April hatten, wie wir gehört, die Oberinntaler in der ersten Siegesfreude einige Hundert bayrische Gefangene mitgenommen. Das Spielzeug schien ihnen bald zu teuer. Ihrer Verpflegung müde, beschlossen sie, die Unbequemen den Kaiserlichen abzuliefern. In früher Morgenstunde bewegte sich dieser Zug auf der Straße von Zirl herab. Dies erzeugte in der Landeshauptstadt den Lärm, der Feind sei über Seefeld ins Land eingefallen. Und abermals läuteten die Morgenglocken die Stürmer von allen Seiten zusammen. Teimer führte eine Menge Volk nach Scharnitz und rief die organisierten Schützenkompagnien dahin. Einige, wie die von Stubai, überzeugten sich bereits in Zirl von der Grundlosigkeit des Gerüchtes und traten wieder den Heimweg an. Sie erschienen eben in Innsbruck, um vor dem einziehenden Feldmarschalleutnant Parade stehen zu können.

In Schönberg vereinigten sich Chasteler und Seppenburg zu gemeinsamem Marsch. Abends 7 Uhr betraten sie Innsbruck. Wieder gab es großes Gedränge, selbst die Feuergänge auf den Dächern waren dicht besetzt. An kindlichen Zeichen überströmender Freude fehlte es nicht; Chasteler, der wie ein Triumphator einherritt, wurde an Stiefeln und Gewand mit Küssen bedeckt. Aber diesmal herrschte mehr Ordnung, ein gewisses offizielles Wesen. Die Stadt prangte im Festkleide. Das Rathaus war mit österreichischen Fahnen bewimpelt, die noch eine weißgrüne überragte mit der weithin sichtbaren goldgestickten Inschrift: „Geschenk des Erzherzogs Johann." Ein Bild des Kaisers Franz, das man in der

1) Aufzeichnungen von Pusch, Patsch, Kuen, Straub, Stettner und Danei. Danei erzählt, wie ein Bauernhaufe vor die Hauptwache zog mit einem alten Bilde, das einen Kaiser kniend vor dem Papst darstellte. Als die Menge des Bildes ansichtig wurde, entblößte sie das Haupt und fiel auf die Knie. Jauchzend kamen andere herbei. Sie wurden zur Ruhe verwiesen mit den Worten: „Wia, seids still, söchts n Papst und ünsern Koaser, wia sie fein sein mitanander, jetz Mander, gien mer hoam."



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 338

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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