353 - Major Aicher


Den Geschützdonner während des Straßenkampfes in Innsbruck hatte man auf dem Hochschloss vernehmen können. 1) Von diesem widerhallten jetzt die Berge Kufsteins selbst. Schon die ersten Vorbereitungen des Gegners suchte Aicher mit seinen Kanonen zu stören, wobei namentlich der Weiler Weissach zu Schaden kam. Die Bauern verrammelten den Kufsteiner Wald, besetzten die Pässe Kiechlsteg und Hörhag und den Thierberg. Sieberer legte sich mit seinen Leuten in die Klause. Faschinen und Schanzkörbe wurden hergerichtet, auf der Zellerburg und Hochwacht Batterien gebaut. Bayrische und französische Geschütze spien ihre Kugeln in die Festung; es waren die in Innsbruck erbeuteten Stücke, welche Chasteler erworben und an Reissenfeis gesandt hatte. Die im Schlosse waren an Geschützzahl und Munition den Belagerern weit über. Gleichwohl versuchte auch Reissenfeis durch wiederholte Aufforderungen den Festungskommandanten zur Übergabe zu bringen; er kam dabei nicht weiter wie jene zwei Bauern. 2) Die Umschließung durch das eine Bataillon Reissenfeis und zehn anwesende Schützenkompagnien, das wenig wirksame Feuer, dem bald Munitionsmangel Eintrag tat, konnten den entschlossenen Major nicht einschüchtern. Aicher beschränkte sich darauf die Festung zu halten, die Stadt gab er preis. Auch da erfolgte nun am 24. April die Haftnahme von Beamten, des Landrichters Wiesend und seines Assessors Michael Eder. Ganz in Hormayrs Manier hielt der im Biwak anwesende Roschmann in einem Kreise von Bauern eine donnernde Standrede an die Gefangenen. Unter bäuerlicher Eskorte wurden sie nach Innsbruck geliefert, wo sich der Unterintendant vor ihnen ob seines Polterns mit dem entschuldigte, sie würden wohl selbst einsehen, dass man sich jetzt zur Bearbeitung des Volkes aller Mittel bedienen müsse, wozu auch die Beamtendeportierung gehöre. Tatsächlich wanderten auch sie über Klagenfurt und durch Ungarn bis Trautenau.

Der von Kufstein zurückkehrende Roschmann traf Chasteler nicht mehr in Innsbruck. Dieser wandte sich schon am 20. dem südlichen Landesteile zu, der vom Feinde noch nicht gesäubert war. Er führte ein Bataillon Lusignan und zwei Eskadronen mit sich, als sein Stellvertreter blieb in Innsbruck General Buol. In Bozen traf er wieder mit Hormayr zusammen, den er in Brixen verlassen hatte.

Hormayr war nur einen Tag in Brixen geblieben. Außer dem Erlass des Ordnungspatentes beschäftigte ihn da noch die Organisierung des Postwesens und die Aufbringung eines Darlehens, da trotz wiederholten Anrufens von der „Hauptoperationskasse" für die Truppen kein Geld einlangte. Mit wohlberechneter Hast publizierte der Intendant die Aufhebung der bayrischen Kirchenvorschriften. In Begleitung Fenners begab er sich

1) Aichers Tagebuch. J. M.
2) Schlagintweit, Kufsteins Kriegsjahre, p. 29.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 353

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.