360 - Besuch von Meran


Nach dem kriegsgerichtlichen Feuerwerk mit dem bayrischen Beamten setzte sich ein Festzug in Bewegung zum Tedeum in der Probsteikirche. Darauf große Versammlung im Merkantilsaale, wo Hormayr nach einer „rührenden" Anrede die Behörden in Pflicht nahm, die provisorische Organisation des Landes verkündete und die Einberufung der Stände für den 1. Mai nach Brixen zur Herstellung der alten Verfassung ansagte. Der Abend schloss mit Stadtbeleuchtung und Serenade. Dem Intendanten war von der Musikkapelle ein Ständchen vermeint. Man musste davon abkommen, weil er dafür unempfänglich war — die einen sagten infolge Überanstrengung, andere infolge zu reichlichen Weingenusses. Am selben Tage noch kamen dem General Fenner einige hundert Mann nachgerückt, und weil beunruhigende Botschaft über die in Tirol stehenden Franzosen einlangte, erging ringsum der Ruf zur Sammlung des Landsturms.

Gleich den folgenden Tag benützte Hormayr zu einem Besuche Merans. Dahin zog ihn ein Doppeltes. Ihn, der so gern an geschichtliche Erinnerungen anknüpfte, reizte es, von der alten Hauptstadt des Landes, vom alten Stammsitz der Grafen von Tirol feierlich Besitz zu ergreifen. Dann aber wollte er auch mit dem dritten Teilhaber der südtirolischen Deputation, mit jenem, der von allen am eifrigsten und erfolgreichsten die Aufgabe der Vorbereitung gelöst hatte, ein festliches Wiedersehen feiern, mit dem Sandwirt. Hofer, in der kleidsamen Tracht seines Tales, kam auf einem Saumross dem Intendanten, den schon eine große Menge Schützen begleitete, entgegengeritten. Auf öffentlichem Platz begrüßten und küssten sich die beiden. Zusammen ritten sie dann zur Kirche, zum feierlichen Tedeum. Die zahlreich erschienenen bäuerlichen Hauptleute und Deputierten wurden an zwei Tafeln bewirtet; an der einen nahm der Intendant, an der andern Kolb den Vorsitz ein. Was weiter folgte, war eine Wiederholung dessen, was in Bozen vorgegangen. Auch sein Meraner Quartier zum goldenen Adler verwandelte Hormayr in eine Gerichtshalle. Hier konnte er das Urteil sprechen über einen Mann, der durch seine Hitze in der Maßregelung der Priester den besonderen Fluch der Bevölkerung auf sich geladen hatte. Der bereits von den Bauern in Haft gelegte Assessor Hörman musste vor ihm erscheinen und sich mit einer Flut von Vorwürfen überschütten lassen. 1) Es sollte offenbar

1) Herr v. Vintschgau, den Hormayr zu seinem Adjutanten ernannt hatte, musste den Assessor vorführen. Die Verhandlung fand statt in Gegenwart der Geistlichkeit und des Adels der Stadt.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 360

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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