395 - Chasteler in Scharnitz


und Künste und Wissenschaften würden vielleicht in einem halben Jahrhundert „aus dem eisernen Europa in das duldsame Amerika flüchten". 1) Als Ersatz für die Studenten zog sogleich eine Stubaier Kompagnie nach der Scharnitz.

Auf seine Taktik der wiederholten Ausfälle ins Königreich tat sich Chasteler etwas zugute. „Meine Streifkommandos von der Scharnitz aus", berichtet er selbstzufrieden dem Erzherzog, „spielen den Meister in einem großen Teil von Bayern bis über den halben Weg nach Augsburg und München." 3) Daneben ließ er fleißig an den Schanzwerken der Einbruchsteilen arbeiten. Den Pass von Scharnitz besuchte er selbst. Für die ihm so vorteilhaft scheinenden Requisitionszüge gab er von seinen in Innsbruck garnisonierenden Truppen noch einen Teil ab: Hauptmann Tschiffelli hatte mit 300 Infanteristen, einigen Reitern und einem Geschütz über den Arlberg zu gehen und über Konstanz und Stockach gegen die Donau zu streifen, eine andere Truppe unter Rittmeister Baron Etsch sollte von Reutte aus über Immenstadt gegen Wangen und Ravensburg vorstoßen. 3) Damit es nicht wie 1805 vorkomme, dass der Feind die Aufmerksamkeit nach der Seite Salzburg lenke und sich gleichzeitig der Scharnitz bemächtige, wurde General Buol mit einem Landwehrbataillon von Innsbruck nach Seefeld disloziert. 4) Diese Schwächung seiner Zentralmacht gedachte Chasteler durch Heranziehung des Generals Schmidt auszugleichen, eine Absicht, welche schon am langsamen Vorrücken dieses letzteren scheiterte, der trotz seiner Bestimmung nach Innsbruck über Toblach nicht hinausgekommen ist. 5) Nach dessen Ankunft wäre Chasteler willens gewesen, selbst mit ein paar tausend Mann „eine große Operation nach Bayern zu unternehmen". Möglich, dass der Marquis in diesen seinen Plänen bestärkt wurde durch herumschwirrende Gerüchte von einem großen Sieg des Erzherzogs Karl. 6) In Wirklichkeit verkannte er die wahre Sachlage

1) Hormayr berichtet über diese seine Rede selbstgefällig an Zichy und Jellachich, er habe mit seinem Feuer mächtigen Eindruck gemacht. Eberhöfer fand die Rede „hochtrabend". Jordan bemerkt zur Rede: „Wirklich zu viel für drei Tage."
2) Aus der Ferne nahmen sich diese Ausfälle imposanter aus als sie waren. So schreibt Kiesewetter an Stägemann aus Berlin, 22. Mai: „Chasteler ist aus Tirol in Bayern eingebrochen und kann vielleicht eine glückliche Diversion bewirken." Briefe u. Akt. z. Gesch. Preuss. unt. Friedr. Wilh. III., I, 113.
3) Chasteler an E. Johann, 9. Mai. Diese Beschlüsse vereinbarte Chasteler mit Hormayr in der Nacht vom 7. zum 8. Mai.
4) Vejders Journal.
5) Man vermutete, Schmidt habe einen geheimen Befehl Johanns, Pustertal preiszugeben und nach Kärnten abzuziehen. Phil. Wörndle sendet daher 13. Mai den Wenzl Kahl zum Landeskommissär in Kärnten, Freiherr v. Marenzi, damit dieser beim Kaiser und Erzherzog solche Pläne hintertreibe, sonst werde sich das Volk gegen das österreichische Militär erheben. J. M.
6) Es hieß, die Franzosen, bei Enns geschlagen, fliehen durch Oberösterreich, Massena sei mit seinem Korps gefangen und sei nach Wien gebracht worden. Interess. Beitr. z. Gesch. d. Ereig. in Tirol, p. 72.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 395

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.