399 - Soldatenrache


Pillersee sich schlagend, das Feld. Zum zweiten mal innerhalb vier Jahren hatten sie in einem wahren Thermopylenkampf einem vielfach überlegenen Feinde 1) den Eintritt furchtbar teuer verkauft. Am Nachmittag noch ritt Lefebre selbst, der während des Gefechtes in Lofer das Mittagsmahl genommen, über die Grenze, um in Waidring das Nachtquartier aufzuschlagen.

Als in Bayern bekannt wurde, dass Napoleon ein Korps gegen Tirol abgebe, stand es alsbald in der öffentlichen Meinung fest, es gelte nicht bloß einer Wiedereroberung des Landes, sondern auch der Strafe für den Abfall, für die erlittene Demütigung und für alle Exzesse, die tatsächlich oder nach weit übertreibenden Gerüchten an königlichen Beamten und Soldaten begangen worden waren. Nun, hieß es, rückt die Armee ein „um die Empörer auf das schrecklichste zu züchtigen und das Blut unserer braven Kameraden fürchterlich zu rächen". 2) Vollgesogen von solchen Gefühlen waren auch die Bayern, welche Lefebre führte. Der zähe Widerstand am Strub wirkte nur noch erhitzend. Beim ersten Grenzpfahl begann eine lange Kette wüster Ausschreitungen. Selbst an den bayrischen Mautleuten in Strub schon vergriffen sich die Soldaten, da sie dieselben für Spione erklärten; unter „Beleidigungen und Anspeien, Schlägen und den niedrigsten Misshandlungen" wurden einzelne gefangen mitgeschleppt und mussten Zeugen sein von erschütternden Auftritten. 3) Am Morgen des 12. rückte Lefebre von Waidring nach dem von Fenner schon geräumten St. Johann vor, das er um 10 Uhr Vormittag erreichte. Seine Truppen wurden auf dem Marsche wiederholt attackiert, da sich ihnen bäuerliche Sturmkolonnen näherten. Das reizte die Soldaten zu immer neuen Racheakten. Wer ihnen, mit einer Waffe versehen, in die Hände fiel, wurde ohne weiteres füsiliert. Eigenhändig besorgte dieses Geschäft ein Offizier an einem 16jährigen Knaben. Auch harmlose, unbewaffnete Leute fielen der Wut des Militärs zum Opfer. Die Bauernhöfe an der Landstraße teilten das Schicksal der Einäscherung oder doch zerstörender Plünderung. Auf dem Wege vom Pass bis St. Johann zählte man 43 niedergebrannte Häuser, ein Massengrab nahm mehr als 100 Leichen hingemordeter Einheimischer auf. Auch im schönen Pfarrdorf St. Johann, dessen Bewohner geflohen waren, blieb

1) Das numerische Stärkeverhältnis am Strub war 11 000 zu 500. Die Darstellungen über den Kampf am Strub ergänzt Werenspacher a. a. O. Der Verlust Wredes wurde auf 1000 Mann geschätzt.
2) So in einer Flugschrift (ohne Ort und Verf., geschrieben im Mai 1809): „Gedanken eines Bayern an seine deutschen Mitbürger."
3) Bericht eines bayrischen Mautners in Strub an den dortigen Oberbeamten Landsperger, 3. Juli 1809. (M. St.): „Auf dem Marsche wurde von Ort zu Ort gemordet, nicht selten musste ich einen alten, unschuldigen Greis niederschießen oder zerhauen sehen. Diese Auftritte zerrissen meine ganze Seele." Der Zollkaplan Zeno Hierandner, dessen Haus während des Kampfes vom österreichischen Militär besetzt war, hatte sich im Keller verborgen; von den Bayern entdeckt, wurde er übel traktiert und kam ins Stockhaus nach Salzburg.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 399

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.