400 - Störung des Weitermarsches


kein Haus von den raubenden Soldaten verschont, außer dem Pfarrhofe, wo der Marschall mit seinem Stabe das Mittagsmahl einnahm. Dekan Wishofer, unermüdlich im Interesse des Gemeindewohles, welcher mit seiner Fürbitte wenigstens Brandlegung von seinem Dorfe abhielt, eilte mit einem Proklam auf die Berge, um die Leute zur Ruhe zu mahnen und dadurch ferneren Gewalttaten Einhalt zu tun. 1) Schnell flog das Gerücht durch die Täler, wie geneigt und fähig der feindliche Soldat zu allen, auch den bösartigsten Missetaten sei. 2) Dies entflammte den Widerstand der bäuerlichen Bevölkerung von neuem. Wintersteller, früher vor Kufstein beschäftigt, hatte den Feind in Kössen erwarten wollen. Nun vernahm er den Fall des Strub und eilte gegen Waidring. Bevor er es erreichte, traf er die Freunde Oppacher und Hechenberger, ließ im Verein mit ihnen überall Sturm ansagen und beschloss, mit den also aufgebotenen Mannschaften den Feind beim Fortzug nach Ellmau an den schmalen Wegstellen aufzuhalten. So konnte Lefebre nur unter fortwährendem Geplänkel, stundenlang durch wütend verteidigte Verhaue aufgehalten, seinen Marsch fortsetzen. Gleiches widerfuhr dem ihm nachfolgenden General Siebein, in dessen Begleitung auch Haufen raublustiger altbayrischer Bauern sich befanden. 3) Die wilden Ausschreitungen des vorigen Tages wiederholten sich, die Wut der Soldaten kannte keine Grenzen. Ihre eigenen Offiziere waren entsetzt über das, was sie sehen mussten. Siebein richtete an einen Pfleger die Worte: „Leider muss ich Augenzeuge sein von Greueln, die ich verfluchen muss." Und Wrede protestierte in einem Tagesbefehl mit dem Gefühl aufrichtiger Empörung gegen Taten der Unmenschlichkeit, „die das Innerste der Seele angriffen und jeden frohen Augenblick verbitterten". 4) Am ärgsten wohl trieben es die Bayern in Kirchdorf, das durch gänzliche Zerstörung für das Wagnis seines hervorragendsten Bürgers Wintersteller büßen musste.

Am Tage des Gefechtes in Strub setzte Chasteler seine Streitkräfte in Innsbruck in Bewegung. Der Landsturm von Steinach und Matrei hatte über Dux nach Zillertal zu rücken, um den Gerlospass zu besetzen, jener von Axams und Stubai bekam Marschbereitschaft mit derselben Bestimmung,

1) Bericht des Prof. Jakob Wörter, welcher nebst anderen wegen bayrischer Gesinnung von Hormayr aus Brixen verwiesen und nach St. Johann geschickt worden war. M. St.
2) Zum 13. Mai verzeichnet ein Bauer in Achental: „Ist der Feind beim Pass Strub herein, die Hostien aus dem Tabernakel gerissen, viele Mordtaten begangen, schwangere Weiber aufgeschnitten, mit dem heiligen Öl die Stiefel geschmiert." Ein Bayer schreibt nach München: „Die Grausamkeit unserer Leute soll jene der Franzosen in Spanien noch weit übertreffen." (14. Mai. M. St)
3) Üb. diese Bauern spricht der (bayrisch gesinnte) Jos. Prosser, Wirt in Kirchbüchel, in einer Eingabe an den König. J. St.
4) In „Materialien z. Gesch. d. öst. Rev." II, 11 wird erzählt, Wrede habe 12. Mai in St. Johann 53 gefangenen Bauern, die Lefebre schon zum Tode verurteilt hatte, durch seine Fürbitte das Leben gerettet.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 400

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.