403 - Wiederstand zu Luftenstein


Verhältnis zu den verfügbaren Kräften abzuschätzen und eine reiche Volkskraft, die ihm gern gefolgt wäre, auszunützen. 1)

Chasteler enteilte zu Pferd, seine Rettung dankte er dem Oberstleutnant Altmann und dem Rittmeister Henrion, welche sich den nachsprengenden Reitern entgegenwarfen. Andere Offziere hatten ihre Pferde verlassen, um die schützenden Berge erklimmen zu können. So auch Oberst Ruiz, der „mit zehnfacher Lebensgefahr" über die Wörgleralpe nach Wildschönau gelangte, Hunderte von Flüchtigen am folgenden Tag dort um sich sammelte und sie dann durch das Brixental dem General Jellachich zuführte. Andere wieder erreichten über den Felbertauern Pustertal oder, das Duxer Joch übersteigend, den Brenner. 2)

Am selben Tage des Unglücks von Wörgl haben an einem anderen Punkte Landesverteidiger im Verein mit einem Häuflein Soldaten rühmlichst den Feind von der Grenze zurückgewiesen. Es war an den ostwärts von Lofer liegenden Pässen von Luftenstein und Hirschbüchel. Hier hatten die Pinzgauer unter Wallner und Panzl von Windischmatrei und die Pillerseer unter Christian Blattl 3) die Wacht bezogen. Ein fliegendes Korps im eigentlichen Sinne des Wortes, zusammengesetzt aus Pustertaler Kompagnien (Hauptmann Ignaz v. Preu) und einer Infanteriekompagnie Hohenlohe, welche den unendlich mühseligen Marsch über die Tauern unter dem Befehl des Oberleutnants Anton v. Leis gewagt, hatte sich ihnen zugesellt. Abteilungen der

1) Von jeher waren die meisten Beobachter dieser Vorgänge im Urteil einig. E. Johann sagt: „Es war eine Torheit, mit so geringen Kräften sich in ein Gefecht einzulassen. Hätte Chasteler 10 000 Mann beisammen gehabt (er hatte nur 4000 in allem), so konnte er es wagen, und da nur mit der nötigen Vorsicht. Allein er hatte alles vereinzelt und entwarf noch immer Projekte, die Hirngespinste waren." An einer anderen Stelle übt der Erzherzog folgende Kritik: „Wie konnte Chasteler verlangen, dass die Bewohner das leisten sollen, was nur von geübten Truppen verlangt werden kann? Auf das fußend, geht er mit wenig Truppen einem zahlreichen Feinde entgegen und enttäuscht schiebt er die Schuld auf das Volk. Leider war der edle Chasteler voll Ideen, voll Projekte, voll Illusionen. Da tritt dann gewöhnlich bei einer Enttäuschung der Gegensatz an die Stelle, man verzagt. Alle wollen befehlen, niemand gehorchen. Er hatte nicht den mutigen Ernst, um sich das gehörige Ansehen zu verschaffen, er hatte nicht die Art, um das Volk zu fesseln. Die Art, wie er wollte, dass sich das Volk schlagen sollte, war nicht zu fordern. Eine Frage, die ich hier stelle, enthält alles: Warum hatten die Tiroler vor Chastelers Ankunft solche Erfolge; warum noch größere, nachdem er das Land verlassen hat?" Jul. v. Ficker schreibt in seiner gehaltvollen Besprechung von Freih. v. Kuhns „Gebirgskrieg" (Schützenzeitung 1870, p. 134 ff.): „Was nützt die Hilfe, welche im Gebirgslande auch die ungeschulten Landsturmmassen dem verteidigenden Kommandanten gegen überlegene Angriffe gewähren können, wenn derselbe gerade in der weiten Ebene von Wörgl den geeignetsten Kampfplatz zu finden glaubt?" Nur zur Hälfte trifft zu, was Hormayr gegen Zichy äußert: „Das Militär klagte mit Grund, dass es in Wörgl von den Bauern verlassen wurde, und das Volk klagte mit Grund, dass alle Führung gemangelt hat."
2) Relation des Obersten Ruiz. J. M.
3) Adjut Troger, Christ. Blattl.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 403

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.