408 – Aufregung und ausschweifende Pläne


Im Verlaufe des 14. Mai waren die Truppen Buols insgesamt von Seefeld in Innsbruck eingerückt und hatten unverweilt die Position in Volders bezogen. Am selben Tage kehrte Hormayr von Brixen zurück. Innsbruck und Umgebung wimmelte von Schützen und Stürmern, deren Zahl stündlich anwuchs, da nach allen Seiten hin die Aufgebote verbreitet waren. Auch Teimer war avisiert und zog bereits vom Fernpass herab, die Oberinntaler gleichfalls nach Volders weisend. Die Tausende von Bauern, die sich in der Hauptstadt sammelten, schwuren alle „zur Blutfahne" und bestürmten die Deputation wie den Intendanten, sie augenblicklich dem Feind entgegenzuschicken. Eine in der Nacht von Jellachich eingelangte Meldung sprach von seinem Vorrücken nach St. Johann. Heißblütig deutete man dies auf den Ort dieses Namens in Tirol, während natürlich Pongau gemeint war. 1) Und das erfüllte die ohnehin erhitzten Gemüter mit blinder Zuversicht. Jetzt, so hieß es, müsse Lefebre nur sehen, sich eiligst durch das Achental aus dem Lande zu retten. 2) Auch Hormayr wurde von dieser Stimmung erfasst. Zwar sind wir, schreibt er an Johann, augenblicklich zersprengt, aber wir brauchen nur eine Verstärkung von sechs Bataillonen und einem Reiterregiment, und alles kann gut werden. Dies möge der Erzherzog unverweilt senden, sonst würde sein „Name nicht beweint, sondern angeklagt werden". Abenteuerliche Pläne erfüllen den Kopf des leicht erregbaren Freiherrn: „Ich hätte einen kühnen Gedanken. Eure kais. Hoheit sollten mit einem starken Korps auf Salzburg losgehen und wir mit 30 000 Tirolern nach Bayern hinaus, dazu die Schweiz in vollem Aufstand. Das würde dem Krieg eine Wendung geben und Napoleon bekäme ein Ende, das sich niemand träumen ließ. Ich bitte das nicht als Ausgeburt eines verbrannten

1) Das Missverständnis verschuldete ein Brief des Divisionärs Ettinghausen an Chasteler, Saalfelden, 14. Mai (Cop. in L. A.): „Ich wurde von Jellachich mit sechs Bataillonen bis St. Johann-Lend und Dienten vorgeschickt, von wo ich nach Saalfelden hätte vorrücken und einige Abteilungen zur Erleichterung Ihrer Operationen vorpoussieren sollen. Als ich aber gestern nach St. Johann kam, erfuhr ich, dass die Tiroler den Strub wieder gewonnen und Deroy zurückgeschlagen hätten. Deshalb bekam ich den Befehl, nicht weiter vorzurücken, sondern, wenn diese Nachricht wahr wäre, mich in Radstadt mit dem Gros zu vereinigen und nur eine Abteilung in Dienten zurückzulassen. Als ich aber erfuhr, dass die Bayern den Strub doch in Besitz haben, rückte ich wieder nach Taxenbach und St. Johann vor und werde zu Ihrer Unterstützung eine Division (sic) zu machen suchen." — Die Worte im letzten Satz „wieder nach St. Johann" waren eigentlich mehr falsch als doppeldeutig. — Ein Vorstoß Jellachichs nach Tirol wäre nicht im Sinne des E. Johann gewesen. Derselbe schreibt 14. Mai an Hormayr (J. M.): „Jellachich ist an mich gewiesen. Partielle Operationen helfen nichts. Alles muss im Einklang geschehen. . . Bis 16. Mai muss bei Wien die Entscheidung sein, dann lässt sich in jedem Fall etwas tun. Bis dahin ist es besser, sich vorzubereiten. Ich bin hier in Villach und sammle die Meinigen. Ich werde handeln, aber ich brauche einige Tage Ruhe."
2) Auch das Gerücht von E. Karls Sieg über Massena wurde noch immer verbreitet und gern geglaubt.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 408

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.