420 - Zurückziehung Buols


St. Johann, Waidring liegen in Asche. Dass mein Herz nicht bricht, ist ein Wunder. Dass mein Geist und mein Mut aber nicht erstumpfen sollen, um zu retten, was noch möglich ist, das gelobe ich treu und fest. Ohne Geld und Sukkurs an Truppen nimmt diese Expedition ein schreckliches Ende." Schließlich erklärt er, bei der großen Wichtigkeit des Pustertals nach Toblach gehen zu wollen, um dort für einige Tage Anstalten zu treffen; Roschmann bleibe bei Chasteler. 1)

Die Laune des Marquis wurde nicht besser, als am selben Tage zwei Innsbrucker Bürger, Carnelli und Habtmann, als Gesandte der Schutzdeputation vorsprachen. Diese sah sich nach dem Abgange der Führer gänzlich ratlos. Die beiden Männer richteten die Bitte aus, Chasteler möge die Landeshauptstadt nicht so ganz ohne Schutz lassen. Ihr Empfang war ein sehr ungnädiger, zunächst hatten sie eine Flut von Verwünschungen wegen der dem General in Hall widerfahrenen Unbill über sich ergehen zu lassen. Schließlich erlangten sie ein nichtssagendes Rezepiss. 2) Gleiches widerfuhr dem nach ihnen einlangenden Huter von Hötting. Nebenbei konnten diese Sendboten wahrnehmen, dass vom Lueg bis zur Passhöhe an Brustwehren und Aufstellung von Batterien emsig gearbeitet wurde. Es schien also Chastelers Plan in bezug auf den Brenner festzustehen.

Für Buol war die Ausführung des Befehles seines Vorgesetzten nicht unbedenklich; er erinnerte sich der Drohungen, die er tags vorher vernommen. Schon fassten die Bauern Argwohn gegen ihn und hielten Kuriere auf, welche den Kontakt zwischen ihm und Chasteler vermitteln sollten. 3) Seine Autorität war dahin, seine an Insulten reiche Behandlung nicht weniger schmählich als die Chastelers. Von den wütenden, auch

1) Hormayr an E. Johann, Steinach, 16. Mai. J. M. Auch Chasteler schreibt am selben Tage an den Prinzen. Die schwache Besetzung des Strub entschuldigt er mit der Abgabe der zwei Landwehrbataillone an Jellachich. (Hier findet sich schon die später oft nachgeschriebene Angabe, am Kampftage in Strub, einem Sonntag [sic], sei das meiste Volk in der Kirche gewesen.) Die Schuld an seinem Unglück bürdet Chasteler einzig den Schützen und Stürmern auf. Auch er bittet um Hilfe, „sonst ist nicht nur Tirol verloren, sondern auch der größte Teil der hiesigen Truppen". — Der Erzherzog hat diesen Hilfsgesuchen in seinen Denkwürdigkeiten folgende Worte gewidmet: „Dass auch Hormayr sehr entmutigt war, beweist sein Begehren um schnelle Absendung von Truppen. Er hatte nicht, bedacht die Zeit, die es brauchte, um mir die Nachricht zu bringen, ebenso wenig, wo mich die Nachricht treffen würde, ferner wenn ich auch Truppen hätte senden können, die Zeit, welche sie brauchten, um Schabs zu erreichen. Es ist ein Gemisch von Angst und Unternehmungslust. Man sieht daraus, dass gar viele sich in die Führung des Krieges mischten, dass viel angeordnet und berichtet wurde, aber die Einheit einer einzigen leitenden Hand fehlte, die jedem seinen Wirkungskreis anwies und dabei festhielt."
2) Kleine Beschreibung der Schreckensereignisse in Tirol. J. M.
3) So Vejder (Erzählung vom Depeschenraub): „Ich bin gewiss ein Freund der Tiroler, aber in diesen Tagen herrschte ein Geist der Unordnung unter manchen Distrikten des Landsturms." Ähnlich auch Buol an Stadler, Volders 16. Mai, abgedruckt in Material, z. Gesch. des öst. Rev. II, p. 64.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 420

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.