421 - Erbitterung des Volkes


durch Getränke erhitzten Haufen loszukommen, mochte Buol wie eine Wohltat verspüren und daher zunächst nur den einen Wunsch hegen: möge der letzte Befehl nicht abermals widerrufen werden. Widerruf erfolgte nicht, aber wegen des Abzuges hieß es klug zu Werke gehen. Ihn ihm Angesicht der Tausende anzutreten, war gefährlich, vielleicht unmöglich. Die lästigen Beobachter und Dränger musste sich Buol etwas vom Leibe schieben. Plötzlich nahm er die Maske des schlaglustigen Kommandanten an und schien einen Sturmangriff auf Schwaz, nach dem das Volk schon seit zwei Tagen begehrte, vorzubereiten. Er selbst rückte mit einem Teil der Stürmer gegen Pill zur Unterstützung Speckbachers, der während des ganzen 16. in ein Geplänkel mit dem Feind verwickelt war; 1) zahlreiche andere Kompagnien — und da soll Teimer mit im Einverständnis gewesen sein 2) — schob er auf die linke Seite des Inn, damit sie, wie ihnen vorgespiegelt wurde, am nächsten Tage den Feind bei Vomp attackierten. Dadurch gewann der General Luft und zog, von den wenigsten bemerkt, zu nächtlicher Stunde über die Ellbögen an den Brenner. 3) Es war die zweite Nacht, in der Schwaz brannte.

Man vergegenwärtigt sich leicht die Erbitterung der Männer, als sie am Morgen der Täuschung gewahr wurden. Wäre es nicht zu spät gewesen, so hätten sie am liebsten dem General nachgejagt und ihn zur Umkehr gezwungen. Es folgte ihm ein Strom von Fluchworten. 4) Der Eifer zum Losgehen auf den Feind war durch die unangenehme Entdeckung nicht abgekühlt; wenn nicht mit dem Militär, so wollte man es ohne dasselbe mit Lefebre aufnehmen. Das war Speckbachers Meinung und die Straubs. Dieser setzte bei Pill über den Fluss und hielt mit den Hauptleuten in der Nähe des Vomperbaches (Griessenböck, Jos. Hirn, Posch, Würtenberger und andern) unter freiem Himmel im Walde Kriegsrat und fand sie nicht minder schlaglustig wie die Freunde am jenseitigen Ufer. 5)

Während dieser Vorgänge in Volders und Steinach verlebte die Bevölkerung Innsbrucks Tage der peinlichsten Ungewissheit. Immer neu eintreffende Bauernkohorten signalisierten Kampf, den Bürgern war übel zumute. Am 15. sprengten Reiter von Mühlau her in die Stadt und

1) Speckbachers Aufzeichnungen a. a. O. setzen für den 16. Mai ein „starkes Gefecht bei Schwaz" an.
2) So behauptet Hormayr II., 146. Buol sagt in seinem Bericht nichts.
3) Während des Marsches erhielt Buol noch drei ungleiche Befehle Chastelers: der erste verlangte Wiederaufstellung in Volders, der zweite Besetzung von Matrei zu beiden Seiten der Sill, der dritte Einrückung in die Brenner Schanzen.
4) Auch Dipauli nennt Buols Abzug „treulos".
5) Straubs Selbstbiographie; Bericht des Joh. Bapt. Lechleitner an Giovanelli (A. G.) (Die Franziskaner von Hall waren auf das südliche Mittelgebirge geflohen, als sie Schwaz brennen sahen); Bericht eines Imsters, mitget. von Egger im „Tiroler Boten" 1881 (unter Hochrainers Erinnerungen).



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 421

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.