426 - Teimer zu Chasteler


die Flucht einzelner Mitglieder gelichtet war, geriet aus dem bisherigen Zustand banger Ratlosigkeit in förmliche Ekstase. An Teimer erging ihre Instruktion: Wenn die Kapitulation mit dem Feinde nicht auf vollständige Gefangenschaft, sondern nur auf freien Rückzug lauten sollte, so ist zu sorgen, dass dieser Rückzug ohne Waffen und nicht durch die nördlichen Landespässe, sondern nur „unten hinaus" gestattet werde und dass dabei keinerlei Exzesse vorkommen. Gar fleißig sei acht zu geben, ob hinter diesem Parlamentieren nicht eine feindliche Kriegslist stecke. Was diese Parlamentierung, so philosophierten die Herren Deputierten, veranlasst haben mag, ist „uns ganz nicht bewusst", „es geht die Sage, dass es dem Feind an Munition gebricht und dass er im Rücken durch den Unterinntaler Landsturm bedroht wird". 1) Allerdings liegen Anzeichen vor, dass diese so tapfer klingende Weisung nicht die wahre Stimmung der Deputation wiedergibt, sondern unter dem Druck der auch in Innsbruck tonangebenden Bauernschaft entstanden ist. 2)

Teimer dachte so wie die Bauern. Die 36 Stunden wollte er nicht zum Abwiegeln benützen, sondern um neue Landstürmer zu rufen und die Mitwirkung des Militärs zu erreichen. Daher machte er sich auf nach Steinach. 3) An seiner Statt hatte Hauptmann Lauterer die Kompagnien vor Vomp zur Beobachtung des Waffenstillstandes zu verhalten, bei den leidenschaftlich erregten Gemütern keine leichte Aufgabe.

Die Lage am Brenner hatte sich indessen wesentlich geändert, Teimer traf Chasteler weder in Steinach noch am Brenner selbst. Am 17. vormittag stellte der Marquis unter dem Eindrucke des schlecht stilisierten

1) Deputation an Teimer, 17. Mai. L. A.
2) Vom 17. Mai datiert ein Schreiben der Deputierten an Hormayr. Es ist, wie seine Einleitung zeigt, zu einer Stunde abgefasst, da Teimers Verhandlung mit Wrede schon zu Ende war. Darin begegnen andere Töne wie im Befehle an Teimer. Zunächst wird die Flucht der Kollegen entschuldigt mit „der marternden Qual", die nun schon in den vierten Tag währe. Dann fährt das Schreiben fort: „Trotzdem hört man von vielen Seiten im Landvolk, dass man sich wehren muss und an beiden Seiten der Brücke von Volders so lange sich halten will, bis vom Oberinntal durch Senn Hilfe herbeigeschafft wird. Welchen Eindruck dieser Entschluss auf die Städte Innsbruck und Hall macht, nachdem Schwaz und gegen 20 Dörfer abgebrannt sind, brauchen wir nicht zu sagen. Kurz, wir sind entweder der Wut des Feindes oder des Volkes überlassen. Wir berufen uns auf das Wort des Kaisers und des Erzherzogs. Aber wie unbegreiflich muss es sein, wenn Buol, anstatt Unterstützung zu erhalten, so elend noch mit seinen wenigen Truppen abgerufen wird, wenn man uns nicht einmal 900 Mann zur Unterstützung gönnt und wenn so schon zum drittenmal das kaiserliche Wort durch militärische Dispositionen umgestoßen wird, nachdem wir schon so viel geopfert haben." L. A.
3) Von Volders zurückkehrend, begegnete Teimer auf der Straße Dipauli und sagte ihm: „Die Bayern verlängern den Stillstand, so lang man will, wenn man ihnen nur Lebensmittel liefert; sie sind am Verhungern."



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 426

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.