427 - Chasteler verlässt den Brenner


Briefes Ettinghausens sein neuerliches Vorrücken nach Volders in Aussicht. 1) Gleich darauf über die irrige Auffassung des Schreibens belehrt, beschränkte er sich auf die Entwerfung eines Planes, am Brenner sich festzusetzen und daselbst seine Truppen, mit Ausnahme einer Reserve in Schabs, zu konzentrieren. In früher Morgenstunde des 18. saßen noch Chastelers Offiziere darüber zu Rate, im nächsten Augenblick wurde auch dieses Projekt verworfen. Hormayr, gleichfalls anwesend, war außer sich. 2) Vom Erzherzog war die Meldung gekommen, dass er keine Unterstützung nach Tirol abgeben könne, Chasteler möge nach eigenem Ermessen handeln und den Fall seines Anschlusses an die italienische Armee oder seiner Rettung nach Steiermark im Auge behalten. Also Rückzug über den Brenner nach Pustertal, und zwar so schnell, dass man weiter entfernte Truppenteile, wie die nach Vorarlberg abgegebenen, ihrem Schicksal zu überlassen beschloss. Fenner und der nach langem Zögern herbeigekommene Schmidt eilten sogleich dem Drautal zu, jener, damit er Cortina, dieser, damit er die Deboucheen des Kreuzberges und die Sextener Straße besetze. Buols nächstes Marschziel war Schabs, wo er

1) Chasteler an die Schutzdeputation, Brenner 17. Mai, 11 Uhr vorm.: „Der Mangel einer Verbindung mit Buol zwang mich, denselben nach Steinach zu rufen. Da aber Ettinghausen bis St. Johann vorrückt und von dieser Seite den Feind im Rücken fassen kann, so bin ich bereit, zur Deckung von Innsbruck wieder gegen Volders zu rücken, wenn ich versichert bin, dass meine Dispositionen nicht durch einen schlecht angebrachten Eifer und Argwohn des Landvolkes gehindert werden. Unterdessen soll die zahlreiche Mannschaft durch starke Besetzung des Weer- und Vomperberges und Vorpoussierung auf das Gebirge ober Schwaz den Feind aufhalten. Buol hat den Auftrag, in Matrei zu bleiben, seine Avantgarde bei Sistrans aufzustellen und seine Vorposten bei der Brücke von Hall und Volders zu halten." L. A.
2) Hormayr an die Deputation, undatiert, aber zweifellos vom 18. Mai (L. A.): „Ich kann nicht beschreiben, mit welchem Gefühl ich Ihre Zuschrift (d. i. die vom 17.) bekommen habe, gerade im Augenblick, wo ich alles zur Verteidigung des Vaterlandes aufbot, wo ich selbst mit dem von der Ladritscher Brücke her bekannten Rodenegger Landsturm vorgehe und der brave Hofer mir auf der Ferse folgt und für die Verpflegung dieser Masse alles mögliche getan wird. Im Kriege kann nicht jeder Fleck verteidigt werden, sondern nur die Hauptpunkte des Landes. Aber was in diesem Augenblick geschieht, entspricht nicht den Gesinnungen des Kaisers und des E. Johann. Ich habe kein Recht, mich in die Operationen zu mengen. Aber mit bescheidener Zuversicht bestand ich gestern auf der Einberufung eines Kriegsrates, der in einer Stunde gehalten werden soll. Ändert dieser nichts am bisherigen Gang, so schicke ich als Mann von Ehre und als Tiroler heute noch meinen Adjutanten zum Erzherzog mit der Meldung, dass ich meinem Amt nicht mehr länger vorstehen kann und mich als Arrestanten betrachte und in Lienz die weiteren Befehle über mich erwarte. Meine Gesundheit hat in diesen Tagen so gelitten, dass ich hoffe, diese bittern Tage nicht lange zu überleben; und wenn nicht alles Gute und Grosse unwiderruflich bestimmt ist, durch ein feindliches Fatum zermalmt zu werden, so hoffe ich noch immer vom Mute des Volkes, dessen Hefe allein schuld ist an den fluchwürdigen Ausschreitungen in Hall, und von der Tapferkeit der Truppen nicht nur die Erhaltung der Hauptmasse des Landes, sondern auch des Inntales."



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 427

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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