449 - Buols Zurücklassung


— das war Buol — überzugehen hatte. Mit einer Reitereskorte rückte er nach Bruneck ab. 1) Dort angelangt, widerrief er seine Selbstentsagungsakte und auf Grund des wieder an sich genommenen Kommandos forderte er Buol am Brenner und Marschall in Schabs auf, ihren Rückzug in derselben Richtung ohne weiteres Zögern zu nehmen. Der Befehl war in der schärfsten Form gefasst, damit kein Zweifel bestehe über die Machtvollkommenheit Chastelers, die er durch seinen Widerruf aufleben ließ. 2) Marschall gehorchte denn auch und rückte mit der in Schabs postierten Mannschaft noch am Abend des 21. nach Pustertal ab.

Und Buol? Der saß am Brenner und wurde von Marschall mit der unerwarteten Botschaft, dass er nun der Kommandierende über die Kaiserlichen in Tirol sei, überrascht. 3) Er erlebte an diesem Tage noch eine zweite Überraschung. Der Einladung Marschalls folgend ging Buol nach Schabs, um den Befehl zu übernehmen. Und siehe da! Das Nest war leer, die Besatzung schon abgezogen. Da es also hier nichts mehr zu befehlen gab, so kehrte der General zu seiner Truppe auf dem Brenner noch in der Nacht zurück. Nun sei er, schrieb er dem Erzherzog, ohne Befehl und ohne Mittel. Die Mitteilung von Chastelers Rücktritt war die letzte, welche Buol von Marschall zukam. Den darauf folgenden Befehl zum Abzug vom Brenner bekam Buol nicht mehr zu sehen. Aber wie kam das?

Dass Chasteler in Schabs davongegangen, blieb den Bauern kein Geheimnis. Es folgten ähnliche Wutausbrüche wie in Volders. Endgültig war das Vertrauen zu den kaiserlichen Offizieren dahin; ein Buol war nicht der Mann, es auf seine Person zu vereinigen. Ja, aus den

1) Nach den Aufzeichnungen des E. Johann verlangte Chasteler zu seiner Begleitung das Regiment Jellachich (Oberst Volkmann), das ihm aber, nachdem er au das Kommando verzichtet, vom Stabe verweigert wurde.
2) Nach Lebzelterns Journal (A. J.) lautete Chastelers Befehl: Nachdem er das Kommando über die Truppen in Tirol an niemanden (!) abgegeben habe und vom E. Johann die Vollmacht besitze, nach eigenem Ermessen zu handeln, so wolle er nun alle Truppen in Lienz zusammenziehen und dort den günstigen Augenblick erwarten, um nach Kärnten auszubrechen. Johann setzt dem bei: „Diesem Befehl konnte nicht widersprochen werden, und so rückte Marschall ab." Zeitlich folgen sich die Akte des 21. Mai in Schabs also: Morgens Kriegsrat, 10 Uhr Abzug Chastelers, 11 Uhr Mitteilung Marschalls an Buol wegen des Oberbefehls, 5 Uhr Einlangen von Chastelers Widerruf, 8 Uhr Aufbruch Marschalls.
3) Marschalls Schreiben aus Unterau lautete nach Lebzeltern: Buol werde die Lage Chastelers kennen. Dies und seine Unpässlichkeit haben ihn bewogen, vor einer Stunde nach Lienz abzurücken. Vor seinem Weggang habe derselbe ein Schreiben verfasst, worin er Buol den Befehl übergab. Der Weg nach Sachsenburg scheine nicht mehr frei zu sein. Es wäre daher das beste, wenn Buol den Befehl auf dem Brenner dem ältesten Offizier übergäbe und schnell nach Schabs käme, um sich über die ihm nun unterstehenden Truppen zu informieren und zu beurteilen, ob der schon von Chasteler geforderte Abzug Volkmanns mehr nützlich oder schädlich sei.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 449

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.