452 - Lage in Nordtirol


von Morandell in Kaltern." 1) Der Traum währte sehr kurz. Während sie im Wirtshaus auf der Karte herumzirkeln, entsteht auf der Gasse Lärm: die Bayern seien im Anzug und hätten schon die Schanzen am Brenner genommen. Leiningen verabschiedet sich und eilt zu Buol, den er ruhig am Brenner sitzend antrifft. Denn der nächtliche Lärm war ein blinder gewesen. Der General weist den ihm untergebenen Leiningen an, mit seiner Mannschaft Schabs zu verlassen und das südliche Eisacktal bis Brixen in seine Hut zu nehmen. Ohne Zögern gehorcht der Oberst dem Befehl. In Sterzing hatte er nichts mehr zu suchen. Wenn ihn da Hofer und die Seinigen wieder als Kommandanten begrüßten, konnte es nur eine Verlegenheit sein. 2) Freilich ließ es sich der Sandwirt nicht nehmen, auch in den folgenden Tagen noch den Landsleuten seinen hochverehrten Leiningen als gemeinsames Capo, sogar vom Erzherzog bestellt, zu bezeichnen. 3) Zwischen ihm und Buol herrschte vorläufig ein Verhältnis gegenseitigen Fremdtuns, der eine tagte mit seinen Hauptleuten am 22. Mai in Sterzing, der andere auf dem Brenner. Bis sich die beiden wieder finden, besehen wir uns, was in den einzelnen Landesteilen vor sich ging.

In Nordtirol schien nach der Besetzung Innsbrucks durch Lefebre stumme Resignation eingekehrt zu sein. Josef v. Stolz war von Volders in seine Heimat Schönberg gegangen, um Ruhe zu verkünden. Landstürmer aus Brixen und Rodenegg, welche dem Rufe Hormayrs gefolgt waren, beschwor er, schnell nach Hause zu gehen, da an Widerstand nicht zu denken sei. 4) Straub war vor dem Feind auf das hochthronende Windegg geflohen. Von dort unterhielt er mit seiner im Gasthofe waltenden Frau eine Korrespondenz, worin er wirtschaftliche Anliegen erledigte und der zuversichtlichen Hoffnung auf baldige Befreiung Ausdruck lieh. 5) Margreiter in der abgelegenen Wildschönau hatte noch

1) Hofer eigenhändig an seine Frau, Sterzing 21. Mai (H. M.) mit dem P. S.: „Soll aber auch niemand denken, dass die Kapitulation aufgenommen worden sei, sondern vielmehr hat sie Graf von Leiningen gar vernichtet. Schätzbarster Herr, sehen Sie indessen alle Anstalten zu treffen, damit die Gegenden nicht gar zu stark verruiniert werden." Adresse: „Die wolersame Anna Ladurnerin in Passeier zu St. Leonhart Sandwirtin, man lese ihn der Wirtin für, hernach nach Kaltern an Herrn Morandell."
2) Hochrainer: „Als Leiningen 22. Mai vom Brenner zurückkam, zeigte sich seine Hitze erkaltet, er gab sich mit Hofer wenig mehr ab, gebrauchte ein Bad und reiste in aller Stille nach Etschland."
3) In diesem seinem Sinn deutete Hofer offenbar den Brief des Erzherzogs v. 16. Mai. S. Hofers Brief an Kolb bei Rapp p. 332. Rapp dachte über Leiningen wie Hofer, er schreibt 28. Mai an Giovanelli: „Wenn wir bedenken, welche vortrefflichen Dienste Graf Leiningen vom Brenner abwärts hätte leisten können, so muss seine Rückkehr für uns äußerst fatal sein." A. G.
4) Stolz an Stadler, Schönherg, 20. Mai. M. St.
5) Straub hat die Korrespondenz mit seiner Frau seiner Selbstbiographie angehängt. Gewiss machen viele Briefe den Eindruck der Unmittelbarkeit. Ob sie aber durchaus echt sind, möchte ich bezweifeln. Straub, überhaupt gern ruhmredig, zeigt sich darin nicht allein als tapferer sondern mit förmlicher Prophetengabe versehener Mann. Am 24. Mai schreibt er: „Bis zum 30. hoffen wir fertig zu sein." Noch frappanter ist ein Brief vom 12. Aug, aus seiner Gefangenschaft: „Für den 15. musst du ein prächtiges Mahl herrichten, da lassen wir den Kaiser Franz leben Wie werden die Bayern schauen, wenn ich wieder an der Spitze der Tiroler an ihrer Vertreibung mitwirke." Es mag wohl manche Interpolation gemacht und dabei post eventum prophezeit worden sein.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 452

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.