454 - Hormayrs Trennung von Chasteler


Hofers Aufgebot. Schon für den Nachmittag waren alle streitbaren Männer in das nahe Verdings bestellt. Haspinger selbst, der schon anfangs Mai als Feldpater der Gufidauner nach Trient gezogen und dem es nach der Rückkehr in seiner Zelle viel zu eng geworden war, nahm eine Art Musterung vor, formierte Kompagnien mit ausgesuchten bewährten Schützen und übernahm die Stelle eines Hauptmanns. Auch die von Villanders stellten nicht einen Bauer an die Spitze, sondern ihren Gerichtsadjunkten Anton v. Gasteiger. Als sie nach Brixen kamen, trafen sie die Stadt voller Ängsten vor einem sich ansammelnden, wenig ehrbaren Gesindel, welches das Finanzgebäude zu stürmen sich anschickte. Gasteigers wackere Bauern machten im Verein mit dem gerade durchkommenden Leiningen rasch Ordnung. Dem Brenner zuziehend kehrten sie noch an bei der Wallfahrtskirche in Trens und hörten die Messe. Beim Kerschbaumer unweit der Passhöhe stellte sich Gasteiger dem Sandwirt vor. Zufrieden mit dem pünktlichen Eintreffen entbot ihm Hofer den Willkomm: „Grüess Gott, Herr Hauptmånn, seid ös mit enkern Volk scho då?" Gasteiger entschuldigte, dass er seiner Kompagnie vorausgeeilt. „Schon guet", tröstete Hofer, „die åndern wearn schon nåchkemmen; ist gråd recht, dass ös a då seid, miar völln jatz Kriegsråt håltn." 1) Solcher Empfänge gab es zur Freude des Sandwirts die Menge, denn alle die Kompagnien, welche er gerufen, stellten sich der Reihe nach ein. 2) Derart sammelten sich am Brenner Tausende zu Tausenden, freilich eine stark fluktuierende, bald ab- bald zunehmende Masse, da bei einem Verharren durch mehrere Tage so manchem der Geduldfaden riss, wohl auch der mitgebrachte Proviant ausging und Mangel zu vorzeitiger Heimkehr bewog.

Auch des Intendanten haben wir zu gedenken. In Bruneck trennte er sich von Chasteler. um, vereint mit Teimer, die Aufbietung des Vintschgaues und Oberinntals zu besorgen. Dass dies der Zweck seiner Reise war, hat er oft und mit kräftigen Worten versichert. Glauben hat er nicht bei jedermann gefunden. Und manches Anzeichen spricht dafür, dass bei der Wahl der äußersten Landesgrenze auch die Absicht, seine Person beizeiten zu salvieren, mitgespielt habe. So forderte er bei seinem Abgang aus dem Hauptquartier — er erzählt es selbst — einen Pass, um für den Fall eines unglücklichen Ausganges unter dem Gewande eines Kuriers zur österreichischen Botschaft in der Schweiz zu entkommen. Man wollte wissen, dass er bereits Geld nach dem Lande der Eidgenossenschaft habe bringen lassen. 3) Die Meinung, dass sein Aufenthalt in Mals

1) Zur Erinnerung an Anton v. Gasteiger. (Innsbruck 1860) p. 8 ff.
2) Die Ankunft der von Hofer aus Vintl einberufenen Kompagnien, speziell der drei von Lana (665 Mann) bestätigt zum 22. Mai die Aufzeichnung des Gerichtskassiers Job. Hofer v. Passeier. H. M.
3) Giovanelli d. j. an seine Frau, Münster 3. Juni 1809: „Hormayr wollte in die Schweiz fliehen; denn ich weiß gewiss, dass er bereits Geld nach Zürich geschickt hat." A. G. Hormayr gibt in seinem Reisejournal (a. a. O.) folgendes Itinerar: 22. Mai über Latsch und Mals nach Nauders, 23. zur Versammlung nach Pfunds, 24. nach Landeck und wieder zurück nach Nauders, 25. nach Glurns, von dort mit Reitpferden zu den Vorposten des schweizerischen Kordons in Münstertal, von Glurns wieder zurück nach Nauders, 29. wieder von Nauders über Glurns zu den Schweizer Vorposten. Über seine Verrichtung an der Schweizer Grenze erzählt Hormayr: „Der Rentbeamte im Schloss Fürstenburg Baron Mont aus einer der ersten bündnerischen Familien, Gemahl meiner Kusine Baronin Rossi, leistete mir den hochwichtigen Dienst einer geheimen Unterredung mit seinem Freund, dem Haupte des grauen Bundes, Paul Anton v. Toggenburg, gerade damals Grenzkommissär des Neutralitätskordons. Dieser, dem österreichischen Interesse freudig ergeben, nannte mir in dieser wichtigen Unterredung, bei welcher er seinen ganzen Kredit aufs Spiel setzte, alle wahrhaft gut gesinnten, warnte mich vor faux fréres und Doppelspionen, wies mir die leichtesten Mittel und Wege, durch welche mehrere Offiziere bestochen werden könnten, um unsere Einschwärzungen zu ignorieren. Er gab mir sogar schweizerische Blankettpässe zum ausfüllen für meine Kundschafter und Vertrauten und unter fremdem Namen selbst für meine Person, wenn Kriegszufälle mich nötigen sollten, mich wenigstens auf ein paar Tage auf Schweizer Boden verborgen zu halten und bei günstigen Umständen oder gedämpfter Volksgärung wieder hervorzutreten. Endlich verschaffte er mir sogar eine geheime Zwiesprache mit dem Adjutanten des einen Teil des Kordons kommandierenden Obersten Pellizzari. Trotz der zum Sprichwort gewordenen Bestechlichkeit fast aller Offiziere des Kordons verwarf dennoch Toggenburg jeden solchen Antrag und ersuchte mich statt dessen seinem Bruder, dem früheren Administrator der österreichischen Herrschaft Razüns, eine Pension zu verschaffen und ihm durch meine historischen und genealogischen Kenntnisse eine für sein ganzes Haus sehr wichtige Erbschafts- und Filiationsangelegenheit ins reine bringen zu helfen. Zeugen dessen sind Senn, Plawen, Baron Mont und seine Frau und der Pfarrer von Fürstenburg Marian Handle aus dem Kloster Stams. Infolgedessen begab ich mich selbst dreimal von Nauders und Pfunds aus in Zivilkleidern über die schweizerischen Vorposten, besprach mich mit den Offizieren Oberstleutnant Kappler und Mondach vom Kontingent des Kantons Turgau, ersterer erhielt 900, der andere 500 G., welche sie sich verabredetermaßen bei Konrad Planta in Zernetz abholen könnten, wo ich diese Geldsäcke durch die vertrauten Boten Josef Klapeer und Johann Lechthaler von Nauders deponieren ließ."



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 454

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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