458 - Sammlung am Brenner


Am 22. saß Hofer noch in Sterzing. Es war eine eigentümliche Situation. Ein bäuerliches Hauptquartier im Städtchen am Südfuße des Brenner, oben auf der Passhöhe das militärische um Buol. Der Tag verging unter beiderseits getrennten Kriegsberatungen. Buol, in Kenntnis von dem Vordringen bayrischer Patrouillen bis Steinach, erwartete für den folgenden Tag einen Angriff des Feindes. Aber zwischen Sterzing und dem Brenner musste es wieder zu einer engeren Fühlung kommen. Dafür sorgte schon das Anwachsen der Massen um Hofer. Hier sind, schreibt der Sandwirt, so viele Leute, dass keine Unterkunft mehr zu finden ist. 1) Wohin anders sollte sich die Menge ausbreiten als hinauf zum Brenner? Geschah dies aber, so musste ein Einvernehmen zwischen Volk und Militär hergestellt werden. Eisenstecken übernahm die Vermittlung. Er begab sich in Buols Lager. Da klagt er den Offizieren Chastelers Kleinmut und beschwört sie, wenigstens sie möchten auf Seite der Tiroler ausharren. Seine feurige Rede macht Eindruck. Nicht zwar solche vom Stab, aber Hauptleute, Oberleutnants und Leutnants lassen sich zum schriftlich fixierten Versprechen herbei, „zu allen Kämpfen bereit zu sein zur Verteidigung Tirols mit Leib und Seele". 2) Damit äst die Brücke zwischen beiden Lagern hergestellt. Eisenstecken kann dem Sandwirt sagen, dass das Militär auch ohne Leiningen mittun werde. Und nun lässt Hofer zur Mittagsstunde des 23. einspannen und fährt auf einem von einem „Lehenpferd" gezogenen „Karnerwagele" auf den Brenner. 3) Frostig genug mag es bei der ersten Begegnung zwischen Buol und Hofer hergegangen sein.4) Dass Hofer noch immer seinen Leiningen im Munde führte, betrachtete der General gewiss nicht als Kompliment. Mit den Bauernmassen, welche vorwärts drängten, wollte Buol, der sich am liebsten in seine Brennerschanzen eingesponnen hätte, möglichst wenig zu tun haben. Meldete sich eine neu anlangende Schützentruppe bei ihm, so wurde ihr die Entgegnung: „Mich berührt das nicht, wollen Sie sich nur an Ihren eigenen Oberkommandanten Hofer wenden."

1) Hofer an Morandell, Sterzing, 22. Mai. J. M.
2) Der Wortlaut in der Chronik von Pusch. Derselbe nennt die Unterschriften von 6 Hauptleuten, 5 Oberleutnants und 11 Leutnants. Hormayr a. a. O. gibt 23 Namen. Er sagt: „Es war eine ritterliche Aufwallung, die das Mitgefühl der braven Krieger ehrt, wenn auch in den Kriegsartikeln nichts davon steht."
3) Hochrainer a. a. O.
4) Noch am 24. schreibt Hofer an Kolb: Chasteler, Schmidt, Marschall, Hormayr und Teimer seien heimlich davongegangen; Buol hätte es ebenso gemacht, wenn er ihn nicht zurückgehalten hätte. An die Passeirer schreibt er am selben Tage: „Leiningen hat eigentlich das Kommando, auch Buol ist hier. Chasteler und Schmidt wurden in Lienz erfragt. Wie man hört, würden diese immer noch unserm lieben Vaterland Schaden zufügen, wenn sie nur noch könnten. Aber das Volk samt Leiningen mit seinem Militär hat die Gesinnung, bis auf den letzten Mann sich zu verteidigen."



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 458

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.